Sport, Nationalismus und Rassismus

Eine ganz persönliche Stellungnahme

Seit meinem fünften Lebensjahr bin ich dem Sport verbunden, habe selbst professionell geturnt und Basketball gespielt. Seit fast 40 Jahren bin ich hauptberuflich in verschiedenen Funktionen im Sport beschäftigt. In solch einer langen Zeit erlebt man viel, was einen prägt, was man lernt und was einem wichtig wird. Für mich war und ist eine der schönsten Erfahrungen im Sport und in meinem Leben die Vielfältigkeit. Vielfältigkeit im Denken und im Handeln, im Alltag und im Leistungssport. Unterschiedlichkeit in allen Facetten finde ich nicht nur spannend, ich finde sie für alle Seiten gewinnbringend.

Diversität als Gewinn

Es sind Menschen verschiedenster Herkunft, Hautfarbe und Sprache, Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, die mich als Sportler und als Mensch weitergebracht haben. Ungekannte Denkweisen anderer Coaches, neue Herangehensweisen an Probleme, der Input unterschiedlichster Spieler*innen – all das hat mich bereichert. Menschen aus anderen Kulturkreisen lösen Dinge oft anders, und von ihnen zu lernen, alles, inklusive sich selbst, kritisch zu hinterfragen, das eröffnet neue Horizonte. Und so ist es nur folgerichtig, dass aus Bekanntschaften Freundschaften entstanden sind, rund um den Globus. Ich kenne und schätze viele Gleichgesinnte.

Ich habe stets versucht, diese offene Denkweise und die mit ihr verbundenen Werte der Akzeptanz und Toleranz an meine Spieler*innen weiterzugeben, sie zu ermuntern, auch in anderen Kulturkreisen zu leben und Sport zu treiben – auf allen Leistungsebenen. Genau das versuche ich auch vorzuleben: Verschiedenheit bedeutet einen Gewinn für alle, wenn sie als das genommen wird, was sie ist – eine Bereicherung! Das gilt insbesondere im Leistungssport. Die Konkurrenz mit anderen, ständiges Hinterfragen der eigenen Leistung, ständiges Ausprobieren, sich messen, neue Lösungsansätze finden – aus den verschiedensten Blickrichtungen ist es das, was (Leistungs-)Sportler*innen weiterbringt.

Diversität ist eine Win-win-Situation für alle und alle Bereiche. Im Sport ist das recht einfach nachzuvollziehen. In einem fremden Land, einer anderen Kultur zu leben und zu arbeiten, hilft dabei, andere zu verstehen und selbst verstanden zu werden. So sehe ich das, und ich denke, das sollten möglichst alle, die mit dem Sport verbunden sind, offen vertreten. Aber leider ist das nicht immer so. Zu denen, die das eher ablehnend sehen, gesellen sich die, die es offen bekämpfen. Es ändert sich gerade etwas. Es ändert sich etwas in der Gesellschaft, es ändert sich etwas im Sport. Man schottet sich ab, im Verhalten, in der Sprache, gegenüber anderen, gegenüber den „Fremden“. Es zieht ein anderer Geist ein, leider auch im Sport.

Ausgrenzungen

Plötzlich gibt es Quoten. Im Frauenbasketball in Deutschland gab es z. B. die „Deutschenquote“. Sie regelte, dass ein bestimmter Anteil an Spielerinnen mit deutscher Staatsbürgerschaft im Team sein und auf dem Feld stehen musste. Weil diese Quote gegen EU-Recht verstößt, ist sie gekippt worden. Trotzdem wird diese Diskussion weitergeführt. In Luxemburg kann der Basketball-Nationaltrainer unwidersprochen meckern, dass die ausländischen Trainer*innen hierzulande viel zu gut bezahlt seien – und außerdem noch schlecht über den luxemburgischen Basketball reden würden. Stattdessen, so schlussfolgerte er, sollten mehr luxemburgische Trainer eingestellt werden.

Was bezwecken solche Aussagen? Warum braucht man eine „Deutschenquote“ im Frauenbasketball? Vordergründig geht es um die „Förderung“ nationaler Spieler*innen und Trainer*innen. Eigentlich ist aber genau das Gegenteil der Fall. Wenn ich den Frauenbasketball (in Deutschland und nicht nur in Deutschland) betrachte, dann ist für mich allein das fehlende Geld in der Ausbildung und der Struktur der Grund für die mangelnde Qualität der Liga und der deutschen Spielerinnen. Das wird aber keiner offen zugeben, weil das Geld ja woanders gebraucht wird, z. B. im Männersport! Das macht sich etwa fest am staff der jeweiligen Teams: Wie viele Ärzt*innen, Physiotherapeut*innen oder Coaches haben Männer-, wie viele Frauenteams? Das macht sich an der Unterbringung fest: Frauenteams oft in Sportschulen, Männer im Hotel. Das macht sich fest an den Budgets. 

Und was passiert? Die wirklichen weiblichen Talente gehen ins Ausland, sobald sie es können. Das empfehlen ihnen übrigens auch luxemburgische Nationaltrainer. Eigentlich ein Widerspruch in sich, denn es wird doch gesagt, dass inländische Talente nur gefördert werden können, wenn keine oder sehr wenige Ausländer*innen in der Liga spielen.

Was die Situation der Trainer*innen in Luxemburg betrifft: Geht es da etwa auch um Geld? Was bedeutet es für eine*n ausländische*n Trainer*in, Trainer*in bei einem luxemburgischen Verein zu sein? Es bedeutet ständigen Stress, seinen Job behalten zu können. Eine Niederlagenserie oder auch zwischenmenschliche Probleme mit Spieler*innen können zur Entlassung führen. In so einem Umfeld müssen die ausländischen Trainer*innen sich und ihre Familie ernähren – ein überbezahlter Traumjob? Wohl kaum. Als gut bezahlter Nebenjob ist das natürlich etwas anderes. Wer als Lehrer*in oder in einem anderen gut dotierten Bereich hauptberuflich tätig ist, ist finanziell viel unabhängiger und sicherlich nicht auf den Nebenjob als Trainer*in angewiesen. Da kann man auch kündigen, wenn einem etwas nicht passt. 

Warum also diese nationalen, teils nationalistischen Töne? Lenkt man damit nicht einfach von den eigentlichen Ursachen der Probleme ab? Es werden „Schuldige“ gesucht – hier die Ausländer*innen. Das ist sicherlich nicht gleich offener Rassismus, aber es befördert eine Richtung. Unter dem Motto „Man muss das auch mal sagen dürfen“ und „Wir wollen doch nur unsere nationalen Talente fördern“ werden solche Gedanken salonfähig gemacht. Und ja, es gibt auch finanzielle Aspekte und Hintergründe dafür. Immer, wenn es darum geht, etwas zu verteilen, dann waren und sind tendenzieller und offener Rassismus sowie nationales Gedankengut gute Helfer.

Was können wir dagegen tun? Ich finde, dass allen handelnden Personen eine besondere Verantwortung obliegt. Wir alle tragen Verantwortung! Das beginnt mit einer behutsamen Wortwahl. Natürlich ist es wichtig, eigene Talente (als Sportler*in oder Trainer*in) zu fördern. Ich fördere diese aber gerade nicht, wenn ich Konkurrenz per se ausschließe. Es ist wichtig, dass die Vielfalt im Sport und in der Gesellschaft positiv analysiert, dargestellt und vertreten wird. Das heißt nicht, dass Fehlentwicklungen negiert werden. Sie müssen ebenso offen analysiert und diskutiert werden. Aber eben nicht auf dem Rücken einiger weniger.

  1. https://www.rtl.lu/sport/drett-hallschent/a/1614282.html (letzter Aufruf: 24. August 2021)

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