Staatlicher Psychoterror

oder die Drogenproblematik einmal ganz anders

Die bestehenden Betäubungsmittelgesetze verursachen nicht nur große Probleme für die ganze Gesellschaft, sondern überwiegend für den Einzelnen: Die ständige Angst vor gesellschaftlicher Ächtung, Ausgrenzung und repressiven Maßnahmen, die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust oder dem Schulverweis, mit nicht absehbaren sozialen Konsequenzen, verhindern eine freie Meinungsäußerung und einen offenen Dialog; sie zwingt viele Menschen dazu, sich in der Öffentlichkeit nicht zum Thema zu äußern und die eigene Meinung nicht zu vertreten. Menschen müssen permanent mit der Angst vor dem Erwischtwerden und dem psychischen Stress des Versteckens leben.

Besonders eine Hausdurchsuchung ist ein großer Einschnitt in die Privatsphäre und stellt eine nicht zu verleugnende Demütigung dar. Die dabei erfahrenen Ohnmachtsgefühle sind stark.

Neben den Strapazen der Durchsuchung und den damit verbundenen Demütigungen herrscht ab diesem Zeitpunkt Ungewissheit. Unterschiedliche Auslegung der Gesetze und die Berücksichtigung der jeweiligen persönlichen Situation erlauben kein klar festgelegtes Strafmaß, so wie es etwa bei einer kleinen Geschwindigkeitsübertretung der Fall ist. Ja, es kann auch vom Anwalt abhängen. Der Betroffene ist nicht selten ein ganzes Jahr oder länger in der Ungewissheit, ob und was denn mit ihm geschehen wird, ob er nur eine Geldstrafe erhält oder eine Verhandlung über sich ergehen lassen muss, eine Bewährungsstrafe oder gar Gefängnisstrafe erhält. Angst vor eventuell weiteren Hausdurchsuchungen stellt sich ein. Wenn der Betroffene noch frühere Bewährungsstrafen offen hat, muss er ständigbefürchten, wegen eines Bagatelldelikts die ganze Haftstrafe absitzen zu müssen.

Diese Situation kann sehr problematisch sein und unerträgliche Ausmaße annehmen. Die Schäden psychischer Art, die Menschen auf diese Weise vom Staat zugefügt werden, können weitaus größer als das eigentliche Strafmaß sein. Das psychische Leiden der Betroffenen beginnt schon lange vor der Verurteilung. Das Ganze ist nicht nur eine Strafe, sondern bedeutet über längere Zeit psychische Gewalt, die der Staat seinen Bürgern zusätzlich antut.

Vom Staat psychisch geschädigt

Man kann es ruhig als posttraumatische Stressstörung bezeichnen, da es sich ebenfalls um wiederkehrende, bedrängende und beunruhigende Erinnerungen an das Ereignis handelt, die den Betroffen für längere Zeit peinigen. Jeder reagiert jedoch anders auf die erfahrene Situation. Bei sensibleren Menschen machen sich sogar stressbedingte körperliche Probleme bemerkbar: Magenschmerzen, Darmprobleme, Einschlafschwierigkeiten, Nervosität und Gereiztheit, Wutausbrüche, Angespanntheit, Muskelverspannungen, Panikattacken, usw.
Wut ist wohl bei jedem zu verzeichnen. Man macht sich ständig Gedanken und Sorgen, was schon fast einem paranoiden Verhalten nahe kommt. Angst, den Arbeitsplatz oder Führerschein zu verlieren, für viele kann letzteres auch ersteres bedeuten. Viele haben das Gefühl sich zu rächen, an der Gesellschaft und ihren Peinigern (Polizisten, Denunzianten, u.s.w.) Einige spielen in Gedanken regelrechte Gewalt-
orgien durch. Gedanken an körperliche Gewalt sind nicht selten.

Psychischer Druck und Schäden, nicht nur finanzieller Art, die ansonsten ganz rechtschaffenen Bürgern zugefügt werden, stehen kaum im Verhältnis zu den laut Gesetz begangenen Straftaten. Anwaltskosten und Ängste finanzieller Art, können die Betroffenen zusätzlich in Bedrängnis bringen. Unsicherheit im Leben, Lebensbewältigungsängste, Ungewissheit über die Zukunft sind die Folgen.

Menschen verlieren (noch mehr) das Vertrauen in den Staat, die Justiz und Politik und sind aus Angst vor Strafverfolgung oder aufgrund schlechter Erfahrungen und vielleicht demütigender Ereignisse abgeneigt, in Zukunft mit der Polizei zu kooperieren, was dem Aufklären von schwerwiegenden Straftaten sicherlich nicht dienlich ist. Zum Leidwesen für die ganze Gesellschaft.

Das Wiedersehen einzelner bei der Durchsuchung anwesend gewesenen Polizisten ruft das Vorgefallene wieder in Erinnerung und kann Auslöser von spontanem Frust und einer depressiven Phase sein. Bei manchen entwickelt sich blinder Hass und Verachtung auf die Polizei, (noch stärkere) Vorurteile gegen einen ganzen Berufsstand sind nicht selten die Folge. Dies kann soweit gehen, dass einige nicht mal mehr mit Polizisten reden möchten, ja, sogar die lokalen, dem Betroffenen gut bekannten Polizisten nicht einmal mehr grüßen: „Mit dieser Zunft will man schließlich nichts mehr zu tun haben…“

Die Auswirkungen psychischer Art

Die Vorgehensweise des Staates, seine Bürger wegen des Konsums und Besitzes von Rauschmitteln zu verfolgen und zu bestrafen, ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass diese Mittel dennoch konsumiert werden. Der gesuchte Erfolg bleibt aus. Durch die zwangsweise erduldeten und als ungerecht empfundenen Situationen, das fehlende Unrechtsbewusstsein und die damit verbundenen Ohnmachtsgefühle, entwickelt sich lediglich bei den Betroffenen (zusätzliche) Verachtung gegenüber dem Staat, der Gesellschaft und ihrer repressiven Maschinerie.

Durch die vom Staat unternommenen Maßnahmen und die damit verbundenen psychischen und finanziellen Belastungen sind Diskussionen mit dem Lebenspartner bzw. der Familie auch nicht ausgeschlossen. Streit und Meinungsdifferenzen mit dem Partner, Familienmitgliedern und dem Freundeskreis sind für den Betroffenen somit weitere psychische Strapazen mit teils gravierenden Auswirkungen auf das Leben in der Partnerschaft, Sexualität und auf familiäre, emotionale und soziale Beziehungen. Dies kann sogar zum Bruch der Beziehung führen.
Der Betroffene kann regelrecht in eine Spirale psychischer Probleme und körperlicher Gewalt geraten. Depressive Störungen sind nicht selten der Fall. Für manche ist sogar der Gang zum Therapeuten, mit eventueller Einnahme von Psychopharmaka angesagt.

Einige Betroffene neigen dazu, sich unmittelbar und noch längere Zeit nach dem „Vorfall“ zu betrinken, einige rasten aus Frust fast völlig aus, zertrümmern Gegenstände, drehen die Musik laut auf, lassen ihrem Frust mit zu schnellem Autofahren freien Lauf, schreien laut auf dem Balkon und auf der Straße. Medikamentenkonsum (Anti-depressiva, Tranquilizer) und starkes Rauchen können auch einige der Nebenerscheinungen staatlicher Fehlpolitik sein. Einige Unglückliche, deren ganze Existenz zerstört wurde, kommen aus dieser Spirale nicht mehr oder nur noch sehr schwer heraus. Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit kann eine weitere Folge sein.

Diskussionen mit dem Arbeitgeber bleiben unter Umständen auch nicht aus. Manche bekommen gar von der Hausverwaltung ihre Wohnung gekündigt, mit allen weiteren Folgen, die dies mit sich bringen kann. Im Falle einer Verurteilung, die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes oder einem Gefängnisaufenthalt endet, wird dann nicht nur der Betroffene, sondern auch dessen Angehörige bestraft. Familienmitglieder und Lebenspartner können unter Umständen noch mehr darunter leiden als der Hauptbetroffene selbst.

Die Aggressionen, die sich anstauen, können sich gegen den Betroffenen selbst richten. Selbstmordgedanken, gar Selbstmord-Attentat-
Gedanken kommen auf. Wohl die wenigsten schreiten zur Tat, diese Gedanken sind vollkommen normal und sind sicherlich auch Teil der Bewältigung des Vorgefallenen. Im Falle einer Verurteilung, die den Verlust des Arbeitsplatzes bewirken kann, macht aber nicht die Droge, sondern der Staat seine Bürger zu Asozialen.

Der Betroffene sollte unbedingt versuchen, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Aggressives Verhalten und schlechte Laune auch gegenüber Unbetroffenen und Familienmitgliedern ist zwar nicht gerechtfertig und auch keine Lösung, aber nicht selten eine normale Erscheinung.

Das Vertrauen gegenüber der Umgebung ist verloren. Wem kann man noch trauen? Wer ist der Denunziant? Weshalb hat die Person mich verraten? Um mir vielleicht persönlich eins auszuwischen? Oder gar aus Überzeugung von der Richtigkeit der Drogengesetzgebung? Oder um das eigene Strafmaß herabzusetzen? In dem Falle ist diese Person ebenfalls ein Opfer der Repression. Hass und Intoleranz sind jedoch immer die Folge.

Die Hausdurchsuchung

Bei einer Durchsuchung werden nicht selten außer den Drogen und den „Drogenutensilien“ (z.B. Pfeifen) selbst legale Produkte wie Bücher beschlagnahmt. Das Recht auf freie Information müßte diese Vorgehensweise eigentlich verbieten. Der Betroffene muss nachher einen Antrag einreichen, um die Rückgabe seiner Habseligkeiten anzufordern.

Niemand sollte etwas unterschreiben müßen, mit dem er nicht einverstanden ist. Am besten wäre es, absolut nichts zu unterschreiben und überhaupt nichts auszusagen, auch wenn es schwer fallen sollte. Vor allem sollte man nicht auf verschiedene Provokationen seitens der Beamten eingehen. Denn: Die Polizei schreibt neben dem Vernehmungsprotokoll, was recht dürftig ausfallen sollte, auch noch ihr eigenes Protokoll, und da kann es schon mal vorkommen, dass nachher in diesem mächtig viel Blödsinn stehen kann. Drohungen gegen verschiedene Personen sollten keinesfalls ausgesprochen werden und auch keinesfalls bekundet werden, Selbstmord begehen zu wollen, oder gar Amok zu laufen. Dies findet sich dann mit Sicherheit und womöglich zu Ungunsten des Beschuldigten verdreht im Bericht wieder…

Das Infragestellen der staatlichen Drogenpolitik mit der dazugehörigen Äußerung der „Verschwendung staatlicher Gelder“ ist zwar eine freie Meinungsäußerung und somit das Recht eines jeden Bürgers, diese Aussage kann jedoch nachher als mangelndes Unrechtsbewusstsein oder fehlende Einsicht im Polizeibericht, ja, gar als Provokation gegenüber den Beamten, gewertet werden, deren Job ja schließlich damit in Frage gestellt ist…

Unkorrektes Verhalten, etwa Einschüchterungen und Hinderung an der freien Bewegung während der Durchsuchung, lässt zusätzlich Wut und Ohnmachtsgefühle aufkommen. Bei Fehlverhalten der Beamten sollten Sie sich überlegen, eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen.

Bewältigung der Probleme

Versuchen Sie Gedanken und Gefühle zu vermeiden, die mit der Situation in Zusammenhang stehen. Nutzen Sie den Vorfall als Chance, machen Sie das Beste daraus. Alles Negative hat auch seine positiven Seiten. Immerhin sind Sie nun um eine, wenn auch schlechte, Erfahrung reicher. Setzen Sie Ihre Wut gezielt (und sachlich) ein, um etwas zu verändern. Dies trägt nicht nur zur Bewältigung der Krise bei, damit helfen Sie auch anderen, dass so etwas nicht auch diesen widerfährt.

Schreiben Sie das Ausmaß der erfahrenen Probleme und die erlebte Situation nieder. Wenn es Ihre Situation erlaubt, könnten Sie sich outen und Politiker über das am eigenen Leib erfahrene Leid, die Unverhältnismässigkeit und über die verheerenden Auswirkungen der aktuellen Drogenpolitik mit Nachdruck in Kenntnis setzen.

Richten Sie Aggressionen nicht gegen sich selbst! Versuchen Sie dies unbedingt unter Kontrolle zu kriegen. Lassen Sie Ihre Wut vor allem nicht an Unbetroffenen und Familienmitgliedern aus, sie können nichts dafür.

Johnny Theisen
(Anm.d.R.: Der Text stammt von 2004)

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