- Gesellschaft
Tendenz steigend
4 Fragen an die Luxemburger Staatsanwaltschaft zum Thema hate speech
Können Sie uns den genauen Unterschied zwischen hate speech und Aufruf zum Hass (incitation à la haine) erklären?
Eigentlich handelt es sich um das Gleiche. Wortwörtlich gesehen können nur mündlich ausgesprochene Aufforderungen zum Hass als hate speech gelten. Juristen benutzen diese Bezeichnung allerdings als Gegenstück zu hate crime, ein Begriff, der rassistisch motivierte Straftaten wie Zerstörung, Körperverletzung oder sogar Totschlag/Totschlagversuch umfasst.
Hate speech dagegen steht für hasserfüllte Volksverhetzung, egal ob mündlicher oder schriftlicher Natur. Strafbar ist die Aufforderung zum Hass gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen aufgrund:
ihrer Herkunft,
ihrer Hautfarbe,
ihres Geschlechts,
ihrer geschlechtlichen Orientierung,
ihrer Geschlechtsidentität,
ihres Familienstandes,
ihres Alters,
ihres Gesundheitszustandes,
ihrer Behinderung,
ihrer Sitten,
ihrer politischen oder philosophischen Meinung,
ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit,
ihrer wahrhaftigen oder vermuteten Angehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe, Nation, Rasse oder Religion.
Wie können wir die sinkende Hemmschwelle wieder herstellen?
Eine Hemmschwelle kann wieder hergestellt werden, indem wir uns im Respekt gegenüber allen Mitmenschen üben, was auch das Anliegen der „Share Respect“ Aktion von BEE SECURE ist, an der auch die Polizei und die Staatsanwaltschaft sich beteiligen.
Außerdem sind die zahlreichen Verurteilungen zu Gefängnisstrafen wegen Volksverhetzung durch die Luxemburger Strafgerichte wegweisend und belegen, dass es sich bei hate speech nicht um ein Kavaliersdelikt handelt. Diese Entscheidungen haben ganz klar eine abschreckende Wirkung auf jene Internetnutzer, die noch nicht straffällig geworden sind. Im Laufe des Strafverfahrens, insbesondere während der Anhörung der vermeintlichen Täter durch die Kriminalpolizei und später durch den vorsitzenden Rich- ter im Verlauf der Verhandlung, wird zudem versucht, diese über die Risiken ihres Handelns aufzuklären.
Wie erleben Sie Opfer verbaler Gewalt?
An und für sich sind die Opfer sehr oft anonym, da meistens zum Hass oder zur Gewalt gegenüber einer Gruppe von Menschen aufgerufen wird. Allerdings wird die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit durch Hassreden und Hasskommentare geschädigt. Dagegen müssen wir ankämpfen, denn viele Menschen spüren sich durch Volksverhetzung belästigt und deren Anliegen muss durch die öffentlichen Behörden geschützt werden.
Gab es Fälle von hate speech vor dem Aufschwung der sozialen Medien?
Eigentlich sind sehr wenige Fälle bekannt, da die Zielgruppe der Volksverhetzungen notgedrungen intimer war als dies seit den Anfängen von Facebook und ähnlichen Plattformen der Fall ist. Angesichts der großen Anzahl an Klagen wegen Aufruf zum Hass gibt es bei der Luxemburger Staatsanwaltschaft mittlerweile zwei Sachbeauftragte für die Verfolgungen wegen Zuwiderhand- lungen gegen Artikel 454 bis 457-3 des Strafgesetzbuches („Vom Rassismus, Revisionismus und anderen Diskriminierungen“).
Die Fragen wurden am 15.12.2016 per E-Mail beantwortet. (BM)
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