Teure Wohnung gesucht
Importierte Preistreiber am Luxemburger Wohnungsmarkt
Luxemburg ist kosmopolitisch und weltoffen. Fast die Hälfte der Bevölkerung hat eine andere Nationalität, noch mehr Menschen haben einen Migrationshintergrund. Ohne den Beitrag ausländischer Bewohner und Grenzgänger wäre Luxemburg heute nicht das was es ist: ein Land, in dem es sich gut leben lässt. Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner ist eines der höchsten der Welt, die Infrastruktur ist modern und gut unterhalten, die Staatsfinanzen sind plus minus gesund.
Nicht mehr leugnen kann man allerdings, dass die immer verheerender werdende Wohnungsnot die Lebensqualität einkommensschwacher Menschen trotz des allgemein hohen Lebensstandards zunehmend aushöhlt, denn immer mehr Menschen können sich in Luxemburg keine angemessene Wohnung zu einem angemessenen Preis mehr leisten.
Es handelt sich um ein komplexes Problem mit vielen Ursachen, über die regelmäßig in der Presse berichtet wird. Vor allem werden folgende Faktoren diskutiert: die Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus über die letzten Jahrzehnte hinweg, die fehlende Abfederung des Einflusses der Spekulanten und der „Promoteurs“ auf die Preisentwicklung und die schwerfälligen Prozeduren, die den raschen Bau neuer Wohnungen behindern.
Billige Kredite und Mietsubventionen locken nach Luxemburg
In Verbindung mit Luxemburgs hoher Einwanderungsquote gilt es darüber hinaus, die Politik zur Förderung des Zuzugs und Wachstums ausländischer Unternehmen und EU-Institutionen im Hinblick auf ihre Effekte auf den Wohnungsmarkt – und damit auf die in Luxemburg ansässige Bevölkerung – zu hinterfragen und vielleicht neu auszurichten. Viele ausländische Unternehmen und EU-Verwaltungen, die ihren Sitz nach Luxemburg verlegen oder ihre Aktivitäten vor Ort ausbauen, bringen zugleich die von ihnen benötigten Arbeitskräfte mit. Ein Großteil ist hoch qualifiziert und bezieht hohe Gehälter – was sich unter anderem positiv auf Luxemburgs Sozialstatistiken auswirkt.
Diese Betriebe schaffen Arbeitsplätze in Luxemburg, auf die sich ein großer Teil der arbeitssuchenden Bevölkerung in Luxemburg mangels der notwendigen Qualifikationen nicht bewerben kann. Vor allem größere Betriebe zahlen wenig bis gar keine Steuern. Der Beitrag der Grenzgänger und der nur kurzfristig ansässigen Arbeitnehmer zu den Luxemburger Staatsfinanzen ist nicht zu leugnen, aber langfristig nicht nachhaltig: Von den von ihnen gezahlten Steuern und Sozialabgaben haben die öffentliche Hand und das Luxemburger Sozialmodell in den letzten Jahrzehnten massiv profitiert. Wenn dieses Modell jedoch in die Jahre kommt, werden Pensionsansprüche fällig, die zu einem großen Teil ins Ausland überwiesen werden und nicht der hiesigen Wirtschaft zugutekommen.
EU-Beamte zahlen in Luxemburg weder Steuern noch Sozialabgaben, erwerben aber auch keine Pensionsansprüche. Sie konsumieren vor Ort, nutzen aber auch die hiesige Infrastruktur. Und vor allem stellen sie eine große, sehr einkommensstarke und sozial gut abgesicherte Gruppe potentieller Mieter und Käufer dar, die in direkte Konkurrenz zur Bevölkerung in Luxemburg tritt. Angestellte der Europäischen Investitionsbank erhalten etwa beim Immobilienkauf besonders vorteilhafte Kredite. Da dies bekannt ist, profitieren sie als Kaufinteressenten für eine Immobilie nicht nur von einem größeren Budget, sondern auch von einem Vertrauensvorschuss seitens der Immobilienmakler und -verkäufer. Vor diesem Hintergrund sollten die Vor- und Nachteile der Präsenz und des Ausbaus der in Luxemburg etablierten EU-Institutionen unter Einbeziehung der Effekte auf den Wohnungsmarkt dringend im Detail analysiert und die politischen Maßnahmen daran angepasst werden.
In privatwirtschaftlichen Betrieben ist es eine gängige Praxis, Mieten zu subventionieren, um ausländische Fachkräfte anzuziehen oder zum Umzug nach Luxemburg zu motivieren. Die Subventionen übersteigen bei Weitem die Beträge, die im Rahmen der „Subvention de loyer“ vom Wohnungsbauministerium an Geringverdiener vergeben werden.
Nationale Gentrifizierung
Verlierer dieser Politik sind insbesondere die einkommensschwachen und wenig ausgebildeten Segmente der einheimischen Bevölkerung. Der Zuzug dieser Unternehmen verbessert nicht die Chancen auf Einkommen und Arbeitsplätze. Durch den extremen Druck auf den Wohnungsmarkt und die Fähigkeit sowie die Bereitschaft der genannten Zuwanderergruppe, hohe Mieten oder Kaufpreise zu bezahlen, steigen die Wohnungspreise soweit, dass viele Haushalte im Rennen um menschenwürdigen Wohnraum nicht mehr mithalten können. In dem Maße, in dem die Luxemburger Staatsfinanzen durch Pensionsansprüche ehemaliger Grenzgänger und ins Ausland zurückgekehrter Arbeitskräfte belastet werden, profitieren sie auch nicht mehr über den Umweg des Luxemburger Sozialsystems von deren Leistungen.
Vielleicht lässt sich hier eine Luxemburger Variante des Phänomens der Gentrifizierung – nicht eines Stadtviertels, sondern eines ganzen Landes – beobachten. Luxemburger werden aus ihrem Land in die Grenzregion verdrängt und die von ihnen angetriebene Preisentwicklung verdrängt dort wiederum die ansässige Bevölkerung. In ganz Luxemburg und im nahen Ausland steigen die Preise, während die Ausweichmöglichkeiten innerhalb Luxemburgs immer rarer werden.
In genau dieser Situation wird nun die Ankunft einer großen Zahl von Flüchtlingen erwartet, deren Aufnahme in Luxemburg notwendig wie auch legitim ist und zudem den Grundwerten unserer Gesellschaft entspricht. Für den Wohnungsmarkt wird ihre Situation aber große Herausforderungen mit sich bringen. Der Großteil der Familien wird in erster Zeit auf Sozialhilfe angewiesen sein und damit über ein geringes Einkommen verfügen. Die Dauer ihres Verbleibs in den Auffangstrukturen sollte aus logistischen, menschlichen und inklusionstechnischen Gründen auf ein Minimum reduziert sein. Der einzige sozial und wirtschaftlich nachhaltige Weg ist die Unterbringung anerkannter Flüchtlinge auf dem regulären Wohnungsmarkt – auf dem sie nicht nur, wie bereits vielfach diskutiert, in Konkurrenz mit einkommensschwächeren Luxemburgern treten, sondern auch mit den Bedingungen konfrontiert sind, die sich hier durch den massiven Zuzug hochbezahlter Fachkräfte entwickelt haben.
Sollte vor diesem Hintergrund nicht darüber nachgedacht werden, ob sich die Schere zwischen arm und reich in Luxemburg durch den Import von ausländischen Fachkräften ohne abfedernde politische oder sozialstaatliche Maßnahmen nicht unvertretbar weit öffnet? Dabei ist es schade, dass Bevölkerungsgruppen, die sich gegenseitig bereichern und ergänzen können, durch inkomplette politische Maßnahmen zu Gegenspielern gemacht werden.
Vorschläge für eine sozialverträgliche Zugangspolitik
Um eine sozial verträgliche und „ganzheitliche“ Variante dieser Zuzugspolitik zu entwickeln und der Bevölkerung in Luxemburg einen menschenwürdigen Lebensstandard zu garantieren, könnten eine Reihe von Vorschlägen umgesetzt werden:
Erstens könnten Betriebe, die im Rahmen von Relokalisierungen Arbeitnehmer mit nach Luxemburg bringen, sich im Wohnungsbau engagieren und helfen, den zusätzlich benötigten Wohnraum zu schaffen. Dies könnte durch einen neu einzurichtenden Fonds zur Schaffung von Wohnraum für Neuankömmlinge und sozial Schwache erreicht werden. Die durch den Fonds geschaffenen Wohnungen sollten paritätisch zu 50% an ausländische Fachkräfte und zu 50% an Bedürftige in Luxemburg vergeben werden. Der Fonds könnte sich aus einer Art Wohnungsbauabgabe speisen, die Betriebe zahlen müssen, wenn sie Mitarbeiter beschäftigen, die weniger als fünf Jahre im Land sind.
Eine ähnliche Form der betrieblichen Wohnungsbauförderung hat es bereits zu Beginn der Stahlindustrie gegeben. Hier wurden von Fabrikeigentümern ganze Wohnviertel für Arbeiter und Fachkräfte errichtet und ihnen zur Verfügung gestellt: Wohnungsbau war Teil der Betriebsimplementierung. Dies war zu dem Zeitpunkt unausweichlich, da es in den Gebieten der sich ansiedelnden Minen und Fabriken keinen Wohnraum gab, um den die hinzuziehenden Arbeiter mit der ansässigen Bevölkerung hätten konkurrieren können. Heute wird dieser Konkurrenzkampf dem freien Markt überlassen und die eigenen Arbeitskräfte mit hohen Löhnen und Mietzuschüssen auf Kosten der sozial Schwachen subventioniert.
Zweitens könnte ein Umdenken bei der Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Zuzug oder die Förderung von Unternehmen stattfinden. Statt primär High-Tech- und Finanz-Unternehmen nach Luxemburg zu holen, sollten Betriebe angezogen werden, die Arbeitsplätze für die hiesige Bevölkerung schaffen und nur ein Minimum an Fachkräften mitbringen müssen. Eine reformierte ADEM sollte Auskunft geben können, welche Art von Betrieben hier die nötigen Arbeitskräfte vorfinden und das Wirtschaftsministerium könnte auf dieser Grundlage die passenden Betriebe anziehen. Das heißt ebenfalls, dass massive Förderungen und Anstrengungen auf administrativer Ebene für den Aufbau und das Überleben luxemburgischer Klein- und Mittelunternehmen notwendig sind. Die Ausbildung müsste folglich besser an die Bedürfnisse der Wirtschaft und die Bestrebungen der Wirtschaftspolitik angepasst werden, um wenigstens in Zukunft auf den massiven Zuzug von ausländischen Großverdienern verzichten zu können, die den Wohnungsmarkt unter Druck setzen.
Drittens ist eine genaue Analyse der Auswirkungen der EU-Institutionen in Luxemburg auf die lokale Infrastruktur und den den lokalen Wohnungsmarkt empfehlenswert. In Hinsicht auf den gegenwärtigen Ausbau verschiedener Institutionen ist es wichtig, Szenarien zu entwickeln, die den Auswirkungen der neu geschaffenen Arbeitsplätze und dem zu erwartenden Zuzug weiterer Arbeitnehmer Rechnung tragen. Um ein umfassendes Bild zu erhalten, müsste geprüft werden, welche Konsequenzen die Abwesenheit einiger Institutionen mit sich bringen würden. So könnte z.B. eine Verlegung des Europäischen Gerichtshofs in ein anderes Land dem Luxemburger Wohnungsmarkt mit einem Schlag ein paar tausend zahlungskräftige Akteure entziehen – mit allen zu erwartenden Effekten auf die Preisentwicklung. Alternativ könnte auch die EU dazu angehalten werden, nicht nur Bürotürme für ihr hochbezahltes Personal, sondern auch Wohntürme auf dem Kirchberg zu errichten. Entlastungseffekte wären nicht nur für den Wohnungsmarkt, sondern auch für den Luxemburger Straßenverkehr zu erwarten.
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