The Woman Who Wasn’t There

Für mehr Gender Equality in der Filmbranche

Betrachtet man die Liste der diesjährigen Oscar-Nominierungen, sticht ins Auge, dass kaum Frauen in Positionen hinter der Kamera zu finden sind. Frauen sind für Kostümdesign und Make-up nominiert, in eher technischen Kategorien wie Drehbuch, Kamera, Ton, Musik, Schnitt und Effekte ist der Frauenanteil jedoch äußerst gering. Joi McMillon, erste afro-amerikanische Cutterin von Moonlight und Allison Schroeder, Drehbuchautorin von Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen, die auf den Preis hoffen dürfen, ragen als Ausnahmen hervor. Besonders die Tatsache, dass 2017 schon wieder keine einzige Regisseurin von der Academy berücksichtigt wurde, weist auf die problematische Unterrepräsentation von Frauen in dieser Schlüsselposition hin, die sich durch die gesamte Filmgeschichte zieht. Seit 1929 wurden erst vier Regisseurinnen für die Oscar-Auszeichnung nominiert: Lina Wertmuller (Seven Beauties), Jane Campion (The Piano), Sofia Coppola (Lost in Translation) und Kathryn Bigelow (The Hurt Locker), die als einzige den Preis erhalten hat.

Vor kurzem wurde der Regiestuhl für die Fortsetzung von Batman V Superman:
Dawn of Justice nach Ben Afflecks Rücktritt frei. Bei den vielen Vorschlägen von männlichen Nachfolgern scheint es immer noch eine Ausnahme zu sein, wenn eine Frau bei einem Action-geladenen Blockbuster Regie führt. Patty Jenkins wurde jedoch als Regisseurin von Wonder Woman verpflichtet. Sie konnte mit ihrem Debüt Monster mit Charlize Theron in der Hauptrolle auch die Kritiker überzeugen. Filme von Frauen, denen ein größeres Budget anvertraut wird, haben eine durchschnittlich höhere Rendite für die Studios.1 Gern würde man annehmen, dass es angesichts des in Hollywood harten Konkurrenzkampfes um Einspielergebnisse in Milliardenhöhe sinnvoll wäre, wenn einfach viel mehr Frauen Filme machen würden, um das Gewinnspektrum zu erweitern. Dennoch kommt die The Celluloid Ceiling-Studie des Center for the Study of Women in Television and Film der San Diego State University zum Ergebnis, dass in den Bereichen Regie, Drehbuch, Produktion, Schnitt und Kamera der 250 Filme mit den meisten Einnahmen der Frauenanteil 2016 nur 17% betrug. Die Entwicklung ist sogar rückläufig, 2015 waren es noch 2% mehr.2

50%Quote bis 2024

Durch Stars wie Meryl Streep und Natalie Portman kommen Problemen wie dem Gender Pay GapMedien eine größere mediale Aufmerksamkeit zu. Die Forderung nach Gender Equality steigt damit in der gesamten Filmbranche. Die Ergebnisse der Studien Gender und Film sowie Gender und Fernsehen der deutschen Filmförderungsanstalt in Zusammenarbeit mit ARD und ZDF, die im Rahmen der Berlinale veröffentlicht wurden, zeigen, dass Gender Equality noch einen langen Weg vor sich hat. Auch in der deutschen Filmbranche arbeiten mehr Männer als Frauen in den kreativen Schlüsselpositionen und Frauen bleiben insgesamt drastisch unterrepräsentiert.3

Der Verein ProQuoteRegie kritisiert, dass auf der diesjährigen Berlinale nur wenige Filme von Regisseurinnen im Wettbewerb liefen. Im Veranstaltungsort Bubble auf der Berlinale hat ProQuoteRegie demnach ein Zentrum für Aktionen und Begegnungen geschaffen. Es geht um das aktive Vorantreiben der Gleichstellung von Regisseurinnen und der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Regieberuf. Mit Bezug auf die geringen Beschäftigungszahlen von Frauen als Regisseurinnen fordert der Verein darum eine Quote. Bis 2024 sollen gleichwertige 50% erreicht werden.

Luxemburger Filmfrauen

Der niedrigen Anzahl von Regisseurinnen ist es auch geschuldet, dass es nur wenige weibliche Vorbilder gibt, die andere Frauen dazu inspirieren könnten, Filme zu machen. Nur einigen wie Rachel Talalay, Regisseurin von Tank Girl und der kultigen BBC Serien Dr. Who und Sherlock, oder Nancy Meyers, Markenzeichen der romantischen Komödie, ist es gelungen, die künstlerische Entfaltung mit Kommerz zu verbinden. Wendet man den Blick auf die Luxemburger Filmlandschaft, denkt man sofort an Regisseure wie Andy Bausch, Christophe Wagner, Pol Cruchten, Nicolas Steil oder Jeff Desom. Ein bekannter Drehbuchautor ist Frédéric Zeimet.

Bei den Frauen ist die Liste schnell erschöpft. Die Schauspielerin und Regisseurin Désirée Nosbusch, die mit ihrer Firma Deal Productions auch als Produzentin tätig ist, hat es geschafft die Jahre über sichtbar zu bleiben. Drehbuchautorinnen gibt es hierzulande nur wenige. Eine herausragende Leistung hat Viviane Thill mit ihrer Autorenschaft von Eng Nei Zäit (zusammen mit Christophe Wagner) erbracht. Ihr ist es zu verdanken, dass drei verschiedene Frauenfiguren ihren Platz in der Filmhandlung finden. Nennenswert ist auch Anne Schroeder, die Koordinatorin des Studiengangs BTS Cinéma et Audiovisuel im Lycée des arts et métiers. Dieser ermöglicht es Schülern seit 2014, Filmberufe zu erlernen. Luxemburg kann sich ebenfalls über den Erfolg der Filmemacherin Laura Schroeder freuen, deren Film Barrage dieses Jahr im Februar auf der Berlinale seine Weltpremiere feierte. Die in Ettelbrück geborene Regisseurin und Produzentin Bady Mink hat als Mitgründerin der Produktionsfirmen Amour Fou Luxembourg und später Amour Fou Vienna letztendlich die Luxemburger Filmwelt nachhaltig verändert.

Luxemburgische Förderung von Filmemacherinnen

In der langen Liste der aktuell vom Film Fund Luxembourg geförderten Filme kann man die Projekte von Frauen an der Hand abzählen. Die Dokumentation Un Cuento Chino von Julie Schroell, Histoire(s) de femme(s) von Anne Schroeder, ebenfalls eine Dokumentation, die Animationsfilme The Breadwinner von Nora Twomey und Polo Season 2 von Caroline Origer. Nur bei einem einzigen Spielfilm (A Storm in the Stars) führt eine Frau, Haifaa Al-Mansour, Regie. Das Drehbuch wurde von einer Frau, Emma Jensen, mit verfasst.

Es liegt kaum am schlechten Willen, dass weniger Filmprojekte von Frauen und /oder über Frauen gefördert werden, sondern, wie vorher schon festgestellt, daran, dass es schlichtweg weniger weibliche Filmschaffende in der männerdominierten Branche gibt. Deswegen ist es notwendig, den Diskurs über Gender Balance weiterzuführen. Aber nicht nur hinter den Kulissen erweist sich die Frauenquote als ausbaufähig, auch auf der Leinwand selbst scheint die überwiegende Männerdarstellung ein gängiges Muster zu sein. Alison Bechdel ist eine amerikanische Cartoonistin und Namensgeberin des Bechdel Tests, in dem drei Fragen gestellt werden, um die weibliche Repräsentanz im Film zu evaluieren: Gibt es mehr als zwei Frauen? Unterhalten sich diese im Ablauf des Films und wenn ja, dreht sich diese Unterhaltung um etwas anderes als Männer? Obgleich diese Regeln überschaubar klingen, stellt man fest, dass wesentlich mehr Filme durchfallen, als auf Anhieb gedacht.

Nun ist es aber so, dass ein Nichtbestehen des Bechdel Tests nicht gleichbedeutend ist mit einem Frauen gegenüber feindlich gesinnten Film. In diesem Fall müsste man eine Filmproduktion ausschließen, in der es nur eine weibliche Hauptrolle gibt, obwohl diese tragend ist, so wie bei Alfonso Cuaróns Gravity mit Sandra Bullock (2013). Die Frage ist daher viel mehr, wie es sein kann, dass wir Filme auf etwas prüfen müssen, was an sich Bestandteil des täglichen Lebens ist? Die Antwort ist ernüchternd: Leider werden Frauen im Film immer noch sehr stereotypisch dargestellt, auf die eine oder andere Weise. Sie ist entweder immer top gestylt, geht mit Make-up sogar schlafen oder sie wird als eine dieser sogenannten „liebenswerten Chaotinnen“ dargestellt, die es nicht schaffen, eben dies zu sein. In solchen Fällen hat die Heldin meist Ecken und Kanten, die sie versucht mit einem Lächeln zu meistern, die sie aber meistens nur nach dem Zuspruch der männlichen Figur schafft zu akzeptieren. Während wir also kurz darüber nachdenken, ob es tatsächlich in Ordnung ist, nicht perfekt zu sein, sollten wir uns eigentlich fragen, warum die vorher genannte Protagonistin rund um die Uhr Make-up trägt und warum wir als Zuschauer das Gegenteil als ungewohnt empfinden.

Eine mögliche Erklärung hierfür kann das von der britischen Filmtheoretikerin Laura Mulvey als male gaze (männlicher Blick) bezeichnete Phänomen sein, das besagt, dass die Art, wie Frauen im Film dargestellt werden, häufig der Repräsentation männlicher Fantasie entspricht.4 Darum ist es so wichtig, dass das Publikum in Filmen Frauenfiguren sieht, die sich mit positiven und negativen Eigenschaften in beruflichen und privaten Sphären behaupten. Gemäß dem Leitspruch If she can see it, she can be it des Geena Davis Institute on Gender in Media können so fest verankerte Stereotypen reduziert werden.5 Es obliegt damit der Filmbranche, sich zu wandeln, klischeehaftes Denken zu reduzieren und die Chancengleichheit in allen Filmberufen zu sichern.

Vielfalt ist die Devise

Die Diversifizierung der Luxemburger Filmlandschaft ist unser Ziel als Filmemacherinnen. Im Kurzfilm In love 4 Luxembourg werden vier verschiedene Frauenfiguren dargestellt, die selbstbestimmt ihr Leben und ihre Beziehungen nach ihrer Vorstellung gestalten. Themen wie Feminismus, Gender und LGBTQ sollen fernab von Klischees dargestellt werden, um neue Bilder für das kollektive Bewusstsein zu schaffen.6 Es gibt einen großen Bedarf an vielschichtigen und komplexen Charakteren, die keine schwarz-weiß Schemata bedienen. Mehr Diversität bedeutet mehr Identifikationsmöglichkeiten. Dies ist auch im kommerziellen Interesse, weil das Publikum vielfältiger wird und sich repräsentiert sehen möchte. Ein facettenreicheres Spektrum an neuen Geschichten kann es nur durch Filmemacher geben, die verschiedene Perspektiven einbringen. Dies kann folglich nur geschehen, indem zukünftig mehr Frauen gemeinsam ihr gesamtes kreatives Potenzial in der Filmproduktion nutzen.

 

1 Rebecca Sun, Study: Films by women receive 63 less distribution than male-helmed movies (Exclusive), www.hollywoodreporter.com, 2016
2 Katharina Hochfeld, Karen Genz, u.a., Gender und Film-Rahmenbedingungen und Ursachen der Geschlechterverteilung von Filmschaffenden in Schlüs- selpositionen in Deutschland, Berlin, Fata Morgana Ver- lag, 2017, S. 9.
3 Martha M. Lauzen, Ph.D., The Celluloid Ceiling: Behind-the-Scenes Employment of Women on the Top 100, 250, and 500 Films of 2016, www.womenintvfilm. sdsu.edu, 2017.
4 Laura Mulvey, “Visual Pleasure and Narrative Cinema“, in: Laura Mulvey, Visual and Other Pleasures,Hampshire and NY, Palgrave, 1989(Lan- guage, Discourse, Society, S. 19.
5 www.seejane.org
6 www.loveluxfilm.com

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