Theaterspiel als Schlüssel zum Erfolg

Sprachliche und kulturelle Vielfalt schätzen lernen

Das Lernen einer Fremdsprache impliziert interkulturelles Lernen: Indem man eine andere Sprache kennenlernt, kann man gleichermaßen andere Denkmuster und Weltsichten entdecken. Die aktive Auseinandersetzung mit Mehrsprachigkeit bietet somit die Gelegenheit, sich selbst und seine facettenreiche Umgebung kennen und schätzen zu lernen. Das Theaterspiel ist besonders dafür geeignet, dieses Lern- und Lehrpotenzial auszunutzen und unterschiedliche Sprachen und Kulturen im Unterricht in der Gemeinschaft aktiv zu (er)leben.

In Zeiten von „Super-Diversität“1 und zunehmend komplexeren „Kontaktzonen“2 zwischen Menschen mit unterschiedlichen sprachlichen und soziokulturellen Hintergründen, stellt sich besonders eine Frage für Bildungsinstitutionen: Wie sollen Lehrende und Lernende mit einer solchen Diversität umgehen? Die Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung bringt auch in Luxemburg, einem Land mit einer außerordentlich heterogenen Schülerschaft3, Herausforderungen und Chancen mit sich. Umso überraschender ist es, dass die für Luxemburg so typische Mehrsprachigkeit in den hiesigen Schulen oft künstlich aus den Klassensälen ferngehalten wird. Bildungspolitische Maßnahmen privilegieren oft einsprachige, geschriebene und dekontextualisierte Alphabetisierungspraktiken4. Auch in Luxemburger Schulen werden Sprachen oft getrennt voneinander unterrichtet, anstatt auf die dynamische Interaktion der Sprachsysteme einzugehen. Dabei bietet gerade die Mehrsprachigkeit einen interessanten Ausgangspunkt, um die Auseinandersetzung mit dem Fremden und den Umgang mit dem Anderssein in der Lehre zu thematisieren.

In diesem Kontext lohnt sich ein Blick auf das Leistungsvermögen der Kunst- und Kulturerziehung5. Neben ästhetischer Bildung konzentriert sich diese oft darauf, Offenheit, Neugierde und individuellen Ausdruck zu fördern. Von allen Kunstformen schafft besonders das Theaterspiel Räume, um die sprachliche und kulturelle Vielfalt der Schüler in den Schulalltag mit einfließen zu lassen. Internationale Forschungsprojekte bestätigen, dass eine aktive und langfristige Beteiligung an Schultheaterprojekten6 oft nachhaltige positive Folgen hat und unter anderem die kognitiven und sozialen Kompetenzen der Schüler verbessern kann. „Theaterspiel fordert und fördert alle wesentlichen sozialen und kulturellen Fähigkeiten und Fertigkeiten, weil sie für das Gelingen des Spiels wirklich gebraucht werden: Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Gedächtnis, sprachlicher und körperlicher Ausdruck, Präsenz im Auftritt, Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Fantasie, Emotion, kulturelles Wissen, soziale Erfahrung, geistige und körperliche Beweglichkeit.“7 Theater in der Schule eignet sich dabei besonders, (Fremd-)Sprachen zu lehren und zu lernen8.

Raum für das Lernen von Sprachen. Im Theaterspiel können die Schüler Sprache(n) als kontextbezogenes Erlebnis erfahren9. Authentische Kommunikationssituationen erlauben mitunter das Üben der mündlichen Sprache. Die Erfahrung, eine (Fremd-)Sprache überzeugend vor Mitschülern, Eltern oder einem anderen Publikum zu sprechen, kann dazu beitragen, Selbstvertrauen und Spaß daran zu gewinnen, diese Sprache(n) auch außerhalb des Theaterspiels und Schul-gebäudes zu benutzen.

Raum für das Lehren von Sprachen. Theater erlaubt es dem Lehrer, der sonst oft fehlerzentrierten Lehre einen spielerischen und lebhaften Umgang mit der Sprache entgegenzusetzen und soziales und kollaboratives Lernen und Lehren in den Mittelpunkt zu stellen. Im geschützten Raum kann Kommunikation in der Fremdsprache geübt, analysiert und wiederholt werden. Das Theaterspiel schafft außerdem die Voraussetzung für ganzheitliches Lehren und Lernen „mit Kopf, Herz, Hand und Fuß“10. Somit kann auch die Bedeutsamkeit von nonverbalen Ausdrucksformen erfahrbar gemacht werden.

Raum für Mehrsprachigkeit. Unterschiedliche Gründe führen oft dazu, dass nicht offizielle Unterrichtssprachen in Klassensälen in Luxemburg nicht verwendet werden (dürfen). Theaterspiel eröffnet die Möglichkeit, die Mehrsprachigkeit als gelebte Alltagswirklichkeit in den Klassensaal zu bringen. Die vielfältigen sprachlichen Ressourcen der Schüler können das Spiel bereichern und einen Platz im Schulalltag finden, idealerweise auch außerhalb des Theaterspiels.

Raum für Gemeinschaft. Das Theaterspiel beruht auf dem Prinzip der gegenseitigen positiven Abhängigkeit. Macht sich der Lehrer diese Voraussetzung zu Nutze, kann Schülern Initiativ- und Mitspracherecht zugesprochen werden. Dieser Leitgedanke ermöglicht es jedem Schüler, sich aktiv und kreativ am Lernprozess zu beteiligen. Einige Lehrer haben in diesem Zusammenhang die Erfahrung gemacht, dass zum Beispiel schüchterne Schüler im Theaterspiel aus sich heraus gehen oder die als sonst eher schwach eingestuften Schüler mit ungeahnten – und womöglich unentdeckten – Talenten glänzen. Solche Erlebnisse können sich positiv und nachhaltig auf das Klassenklima und ein vertrauensvolles Lehrer-Schüler-Verhältnis auswirken.

Das Potenzial von drama- und theaterpädagogischen Methoden wird an Luxemburger Schulen nur teilweise ausgeschöpft.11 Vereinzelte Weiterbildungsangebote für Lehrer sowie Initiativen des Bildungsministeriums und von Kulturschaffenden tragen dazu bei, Theater in die Schule zu bringen. Oft ist der Einsatz von Theater im Klassensaal allerdings von individuellen Bemühungen und dem Engagement des Lehrers abhängig.12 Um das Interesse an der Theaterarbeit in der Schule auszubauen, ist es deshalb wichtig, verschiedene Hürden zu meistern. Der Lehrer muss bereit sein, das Risiko einzugehen, eine für ihn womöglich noch unbekannte Methode zu nutzen. Einbußen bei Kontrolle und Planbarkeit sollten außerdem als mögliche Bereicherung akzeptiert werden. Der Austausch zwischen Lehrern und Schulen ist wichtig, um Erfahrungen und erfolgreiche Projektverläufe nach außen zu tragen und für gegenseitige Inspiration und Motivation zu sorgen. Um einen Sinn für Kunst und Kultur, somit auch für das Theaterspiel, entwickeln zu können, muss Kunst- und Kulturerziehung eine größere Rolle in der Lehrerausbildung zugesprochen werden. Der Trend geht allerdings in die entgegengesetzte Richtung.

Roland Meyer, luxemburgischer Lehrer und Koordinator der Theaterschoul13, hat während den diesjährigen Assises culturelles betont, dass es nicht nur darum geht, was wir in die Schulen bringen, sondern wie wir es mit den Schülern umsetzen. Das Theaterspiel ist ein pädagogisches Mittel, das dem wie Beachtung schenken kann, ohne das was zu vernachlässigen. Theater im schulischen Kontext ermöglicht, unterschiedliche Sprachen, Kulturen und Identitäten zu thematisieren und zu erfahren. Idealerweise können damit Eigenschaften und Handlungsweisen, die friedliches, respektvolles und solidarisches Miteinander begünstigen, in der Lehre kultiviert werden. Diese Leistung ist es wert, im Hinblick auf den Ausbau der mehrsprachigen Förderung und der Entwicklung eines nationalen Kulturentwicklungsplans berücksichtigt zu werden.

Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.

Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!

Spenden QR Code