Topographie des Online-Hasses
Eine Untersuchung von diskriminierenden Inhalten aus Luxemburg auf sozialen Netzwerken
Dass Facebook, Instagram, YouTube und andere Online-Plattformen maßgeblich zur Verbreitung von demokratiefeindlichen sowie diskriminierenden Inhalten beitragen, ist längst bekannt. In einem jüngst auf HBO ausgestrahlten Interview gestand sogar Facebook-Gründer Mark Zuckerberg höchstpersönlich ein, dass er „hoffen“ würde, dass die Demokratien dieser Welt standfest genug seien und nicht eines Tages von Facebook zerstört werden würden.
Auch die Seiten und Profile luxemburgischer Nutzer*innen auf besagten sozialen Netzwerken quellen nur so vor Beiträgen und Kommentaren über, in denen Menschen aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht, Genderidentität, sexueller Orientierung, Alter, sozialer Klasse oder anderen Kriterien diskriminiert werden. Dabei handelt es sich allerdings nicht um isolierte Phänomene. Stattdessen konzentrieren sich diese Posts oftmals an bestimmten Knotenpunkten, die mehr oder minder klar definierbare Charakteristiken aufweisen. Im vorliegenden Artikel soll versucht werden, eine Topographie dieser Orte zu erstellen und auf Basis der daraus resultierenden Erkenntnisse Lösungsansätze zu liefern, um diesen stellenweise schon seit Jahren vor sich hin gärenden Problemen entgegenzuwirken.
Gezielte Hetze auf Facebookseiten
Ein erster wichtiger Orientierungspunkt in dieser von braunem Gedankengut geprägten Landschaft sind die offiziellen Social Media-Präsenzen von politischen Gruppierungen (wobei es sich um Parteien, eingetragene Vereine, Bewegungen oder auch lose Zusammenschlüsse handeln kann) und einzelnen Politiker*innen – hauptsächlich jenen des rechten Rands. Um politischer Gewinne willen und/oder aufgrund bloßer persönlicher Vorurteile teilen diese Gruppen und Akteur*innen gezielt Posts – entweder von ihnen selbst erstellt oder von externen Stellen übernommen –, die Ressentiments gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder Individuen schüren sollen.
Ein rezentes Beispiel für Beiträge dieser Art – das auch besonders deutlich zeigt, wie verschiedene Diskriminierungsformen oftmals im Tandem auftreten – findet sich auf der Facebook- und Instagramseite der „Wee2050“ (früher „Nee2015“)-Bewegung, die seit ihrem Entstehen im Zuge des nationalen Referendums im Jahre 2015 immer wieder durch ausländerfeindliche Rhetorik auf sich aufmerksam gemacht hat.
Während der weltweiten Rassismusdebatte, die auch Luxemburg in der ersten Hälfte dieses Jahres erreichte (siehe den Beitrag von Léonie de Jonge auf Seite 26), postete Wee2050 einen Beitrag, in dem sie Luxemburger*innen dazu aufforderten, mit Stolz wahrzunehmen, die „am wenigsten rassistischen Bürger auf der Welt“ zu sein. Trotz „50 % Ausländer“ in der Bevölkerung (tatsächlich sind es dem neuesten Stand nach 47,5 %) und angeblicher „Verdrängung [ihrer] Muttersprache“ seien sie nämlich stets „tolerant“ gegenüber ihren ausländischen Mitbürger*innen geblieben.
Dass Rassismus und Xenophobie zwei verschiedene Dinge sind und es auch Schwarze Luxemburger*innen gibt, die rassistisch diskriminiert werden, scheint die Bewegung hierbei geflissentlich zu ignorieren. Insbesondere auf Instagram ernteten sie daher auch wenig überraschend massive Kritik für ihren Post. Zahlreiche vor allem junge Menschen berichteten als Reaktion auf den Beitrag von Erfahrungen mit Rassismus aus ihrem Alltag und wiesen in Memes unter anderem auf die 2018 veröffentlichte „Being Black in the EU“-Studie hin (siehe die Beiträge von Fernand Fehlen auf den Seiten 14 und 22), welcher zufolge 52 % aller Schwarzen Menschen in Luxemburg in den fünf Jahren vor der Befragung rassistisch diskriminiert worden sind – der zweithöchste Prozentsatz in der gesamten EU.1
Statt diese Einwände ernst zu nehmen und die eigene Position zu überdenken, setzte der für Instagram zuständige Wee2050-Admin jedoch noch einen drauf und verteidigte den Beitrag ironischerweise mit einer bedenklichen Dosis an Ausländer- und Jugendfeindlichkeit. So behauptete er etwa, dass der Großteil des von den jungen Menschen beschriebenen Rassismus in Luxemburg von französischen Grenzgänger*innen aus der Lorraine ausgehen müsste, da diese angeblich überwiegend den rechtsextremen Front National (der mittlerweile in „Rassemblement National“ umgetauft wurde) wählen würden. In einem anderen Kommentar wiederum schlussfolgerte der Admin, dass vor allem Jugendliche rassistisch sein müssten, da die unter dem Beitrag geposteten Augenzeugenberichte sich vornehmlich im schulischen Umfeld abgespielt hätten.
Private Sammelbecken braunen Gedankenguts
In unmittelbarer Nähe der beschriebenen Knotenpunkte befinden sich die privaten Social Media-Profile von luxemburgischen Politiker*innen oder Aktivist*innen. „Privat“ ist dabei jedoch nicht als „geheim“ misszuverstehen. Ein Großteil der Beiträge, die von besagten Personen gepostet werden, ist nämlich öffentlich einsehbar, und jede*r kann darunter kommentieren. Einige bekannte Gesichter der rechten Szene kommunizieren sogar hauptsächlich über ihre Privatprofile mit ihrer Gefolgschaft – so wie Tom Weidig, derzeitiger Präsident des Wee2050. Dessen privates Facebookprofil verwandelt sich in regelmäßigen Abständen in ein regelrechtes Sammelbecken für Hetze der schlimmsten Sorte. So postete er am 15. September etwa einen Artikel des Figaro über eine Umfrage, welcher zufolge jüngere Muslim*innen angeblich deutlich radikaler als die Generationen vor ihnen seien – was ein Nutzer mit dem Kommentar „Unzivilisierte Barbaren Religion“ quittierte. Von Weidig erfolgte keinerlei Reaktion hierauf. Stattdessen ließ er den Kommentar widerspruchslos stehen. Ähnliches lässt sich bei einem Beitrag des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz beobachten, den Weidig am 12. September teilte. Unter diesem konnte ein Nutzer namens „Den Péip“ ungestört antisemitische Verschwörungstheorien über den Unternehmer George Soros – mit dem Kurz auf Fotos posiert hatte – hinausposaunen. Bei Den Péip handelt es sich um den schon mehrmals wegen Aufruf zum Hass verurteilten Rechtsextremen Dan Schmitz, der seit Beginn der Corona-Pandemie auch einen YouTube-Kanal betreibt. Auf diesem postet er neben Vlogs aus seinem Alltag auch Videos, in denen er politische Aktivist*innen persönlich angreift. So veröffentlichte er beispielsweise am 21. April ein (mittlerweile gelöschtes) Video über den luxemburgischen Klimaaktivisten Joe Mersch, in dem er diesen unter anderem als „Motherfucker“ beleidigte und sein politisches Engagement mit Verweis auf sein junges Alter abzuwerten versuchte.
Weitere Beispiele für diskriminierende Aussagen finden sich auch auf dem privaten Facebookprofil von Weidigs Kollegen Fred Keup. Anfang Juli etwa teilte der Gründer von „Wee2050“ – der im Oktober Gaston Gibéryens Sitz in der Chamber übernehmen wird – den Rechtspopulismus: Verteidiger*innen des Marienlandes betitelten Artikel des woxx-Journalisten Joël Adami, in dem es unter anderem auch um Keup ging. Weidig behauptete daraufhin unter dem Beitrag, dass er das Marienland dem „Gagaland“ vorziehen würde, gefolgt von einem Selfie von Adami mit dem Kommentar: „Hier der Beweis: Der als Journalist getarnte politische Aktivist“. Das wiederum nahmen zahlreiche weitere Kommentator*innen zum Anlass, um ihrerseits über den Journalisten herzufallen. So kommentierte etwa Timon Müllenheim, der 2011 wegen seiner rechtsextremen Tendenzen aus der Jugendsektion der ADR ausgeschlossen worden war und in den sozialen Netzwerken immer wieder durch LGBTIQA+-feindliche Aussagen auffällt: „Sieht so vielleicht das ‚ominöse‘ 3. Geschlecht aus?“ Monique Thein-Weber – Mutter von „Déi Konservativ“-Präsident Joe Thein und Kandidatin besagter Partei im Bezirk Süden bei den letzten Nationalwahlen – wiederum bezeichnete Adami unter dem Beitrag als „schmudelegen refsack [sic]“. Und ein Mann namens Guy J. Malané – der eine Zeit lang als Vizepräsident bei Déi Konservativ aktiv gewesen war – reagierte mit folgenden Worten auf Keups Beitrag: „Linker Abschaum ist so. Wenn man mit ihrer Meinung nicht einverstanden ist kommt die Nazikeule. Aber der Hitler war auch links“. Nur der Kommentar von Thein-Weber wurde in der Zwischenzeit gelöscht.
Kaum Eingreifen von Moderator*innen auf RTL, Eldoradio & Co.
Das letzte Sammelbecken für diskriminierende Aussagen, das noch einer Erwähnung bedarf, sind die Online-Kommentarspalten luxemburgischer Medien wie RTL Lëtzebuerg, Eldoradio oder L’Essentiel. Vor allem auf Facebook werden diese regelmäßig mit unzähligen hasserfüllten Kommentaren überflutet. Ein rezentes Beispiel hierfür ereignete sich am 12. September, als Eldoradio auf seiner Facebookseite einen Artikel über die Petition der deutschen Studentin Antonia Quell teilte, die sich dafür einsetzt, catcalling strafbar zu machen.
Kurze Zeit nachdem der Beitrag geteilt worden war, trudelten wie auf Knopfdruck schon die sexistischen Kommentare ein. Ein Nutzer beispielsweise fragte, ob es denn so schwierig sei, sich nicht wie eine „butte [sic]“ anzuziehen (womit er wohl das französische Wort für „Hure“ meinte), während ein anderer die Petition als „gefundenes Fressen für Feminazis“ bezeichnete und behauptete, dass Frauen, die „[…] den halben Arsch oder Titten raushängen lassen ja wollen dass man ihnen nachschaut!“ Wie so oft griff hierbei zu keinem Zeitpunkt ein*e Moderator*in oder Admin der Seite ein, um Kommentare dieser Art zu unterbinden oder ihnen zu widersprechen. Stattdessen mussten andere Nutzer*innen anrücken, um der Hetze Paroli zu bieten. Und auch auf anderen luxemburgischen Medienportalen stürmen jedes Mal, wenn ein Artikel über Geflüchtete, Rassismus, Feminismus oder LGBTIQA+-Rechte geteilt wird, mit beinahe schon naturgesetzlicher Kausalität Online-Mobs heran, um die Kommentarspalten mit ihren diskriminierenden Ansichten zu verpesten – ohne dabei auf allzu viel Widerstand seitens der Seitenbetreiber*innen zu stoßen.
Lösungsansätze gegen Online-Hetze im luxemburgischen Internet
Was kann man nun gegen Hasskommentare dieser Art unternehmen? Die soeben erläuterte Topographie des Online-Hasses deutet bereits darauf hin, dass man hierbei je nach Lokalität unterschiedliche Vorgehensweisen wählen muss, die der Beschaffenheit des Terrains am besten entsprechen. Im Falle von Social-Media-Präsenzen von rechten Gruppierungen ist es am hilfreichsten, wenn man möglichst viele Menschen mobilisiert, um gebündelt diskriminierende Beiträge oder Kommentare zu melden. Auch wenn Facebook bekannt dafür ist, diesbezüglich nicht allzu viel zu unternehmen, lohnt es sich trotzdem zu versuchen, sie durch eine Masse von Meldungen zumindest darauf aufmerksam zu machen.
Dabei ist es wichtig, die Beiträge und Kommentare selbst nicht zu teilen oder zu verlinken, sondern mithilfe von Screenshots lediglich darauf hinzuweisen. Ansonsten wird die Reichweite der Seiten erhöht, sodass noch mehr Menschen in die Einflusssphäre ihrer diskriminierenden Inhalte zu geraten drohen. Auch auf Diskussionen sollte man sich aus genau diesem Grund nicht einlassen. So sind insbesondere Wee2050 und Konsorten bekannt dafür, kritische Kommentare zu löschen sowie Nutzer*innen zu sperren. Auf privaten Facebookprofilen, auf denen diskriminierende Aussagen getätigt werden, ergibt es hingegen durchaus Sinn, diesen aktiv zu widersprechen – hier funktioniert der Algorithmus nämlich nach anderen Mechanismen, sodass sie weitaus weniger Menschen erreichen können als offizielle Seiten.
Auch auf den Social Media-Präsenzen von luxemburgischen Medien hilft es, wenn man – genauso wie man es auch in der physischen Welt tun sollte – die eigene Stimme gegen Diskriminierung erhebt. Allerdings müssen auch die Portale selbst unbedingt stärker zur Verantwortung gezogen werden. Obwohl das Problem schon seit Jahren hinlänglich bekannt ist, wurden bislang nur halbherzige Schritte dagegen unternommen. Hier lohnt sich ein Blick ins Ausland, um zu sehen, wie man tatsächlich effektiv dagegen vorgehen kann. In Deutschland beispielsweise findet man bei so gut wie allen größeren Medienhäusern Angestellte, die sich exklusiv und in Vollzeit um die Moderation von Inhalten auf den sozialen Netzwerken kümmern. Hierbei liefern sie nicht nur Gegenargumente auf diskriminierende Aussagen – womit verhindert wird, dass diese in den Kommentarspalten einen absoluten Geltungsanspruch entwickeln können –, sondern erinnern die Nutzer*innen auch an die Netiquette der Seite und sperren Menschen, die wiederholt dagegen verstoßen. Im Angesicht des gesellschaftlichen Schadens, den Hate Speech dieser Art anrichtet, ist es auf jeden Fall längst überfällig, solche Posten endlich auch konsequent bei allen luxemburgischen Medien einzuführen.
- Die Studie ist abrufbar unter https://fra.europa.eu/en/publication/2018/being-black-eu (letzter Aufruf: 22. September 2020).
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