- Gesellschaft, Politik
Universität als akademische Bildungsstätte
Ein philosophischer Blick auf den Umzug der Universität nach Belval
Neben Rockhal, stillgelegten Hochöfen und Dexia-Gebäude sollen nun Studierende, Forschende, Lehrende und Mitarbeiter(innen) der Universität Luxemburg (UL) ihren vielfältigen Aktivitäten nachgehen. Das ehemalige ARBED-Gelände wird der Grund und Boden der –vergleichsweise immer noch – neuen Universität sein. Der komplizierte und nicht immer gradlinige Entwicklungsweg der UL verzweigt sich nun nach Belval – hinaus aus der Hauptstadt. Vielleicht könnte dies ein Signal dafür werden, dass die Universität noch mehr ins Land hineinwächst. Ein solcher Meilenstein ist oft eine gute Gelegenheit, über Grundsätzliches nachzudenken. Die neue Stätte der Universität Luxemburg wird auf jeden Fall sein, was jede Universität ist: eine akademische Bildungsstätte.
Akademisch
Nach einem Ort benannt sind akademische Einrichtungen der griechischen Akademie Platons. Das gibt den Geist der Sache vor. Wissenschaft und Forschung stehen im Vordergrund – so auch das Selbstverständnis der Universität Luxemburg. Frei sollen akademische Institutionen sein, sie sollen sich ganz von der Sache her verstehen lassen, nicht von einer politischen Agenda. Der zwanglose Zwang der Argumente soll an diesem Ort herrschen, ohne Bevorzugung von Geschlecht, Rasse, Nationalität oder Religion. Durch den Umzug nach Belval hat die luxemburgische Regierung einen massiven Eingriff in das universitäre Leben vorgenommen. Bisher war ihr Einfluss auf die Universität ohnehin schon nicht klein. Es ist zu hoffen, dass die Universität in Zukunft nicht noch weiter oder wieder – meist unter ökonomischen Gesichts-
punkten stehenden – wissenschaftsexternen Vorgaben unterworfen wird. Wissenschaftliches Erforschen ist immer kreativ und die Kreativität kann sich nur in einem Freiraum entfalten. Man darf gespannt sein.
Bildung
Auch Bildung lässt sich topologisch verstehen: als Zielort. Der Ort, auf den wir uns zubewegen, wenn wir uns bilden, ist kein Felsengrund und kein sicherer Hafen, aber der beste Zielort, den wir als Menschen ansteuern können. Gebildet – und nicht nur ausgebildet –sind Menschen, wenn sie sich mit Mensch und Welt auskennen. Sie fallen keiner flachen Rhetorik und keiner plumpen Scheinargumentation anheim, sondern vermögen, sich selbst eine ‚informierte‘ Meinung zu bilden. Diskursive Grundfähigkeiten und ein Grundwissen gehören natürlich dazu, genauso wie Kritikfähigkeit – inklusive der Fähigkeit, seine eigenen Überzeugungen der Kritik zu unterziehen. Was uns zur Streitkultur bringt, einem bekannten Luxemburger Leitmotiv. Hier ist vielleicht noch hinzuzulernen. Z.B. dass Wissenschaft voller Meinungsstreit ist und dass Forschung nicht immer – sogar eher selten – einen anwendbaren Algorithmus als Resultat liefert. Regierung und breite Öffentlichkeit müssten hier gelegentlich noch ihre Erwartungshaltung gegenüber der Luxemburger Universität korrigieren. Aber was wäre zu erwarten? – „Wissen, Einsicht, Orientierung und eine Ausbildung, die diesen Vorstellungen [entspricht]“, wie es Jürgen Mittelstraß treffend formuliert. Erkenntnis und Bildung sind ein Wert an sich und sollten auch als solche geschätzt werden und nicht nur wegen ihres friedensstiftenden und wirtschaftsförderlichen Zusatznutzens; sie sind nicht in Euro tauschbar.
Stätte
Eine Stätte ist die Universität. Jetzt an einem neuen Ort. Dass Belval ein Standort der Universität wird, dafür ist technisch gesorgt. Aber damit es eine universitäre Stätte wird, ist etwas anderes und erfordert mehr: Gespräche, Diskussionen, Auseinandersetzungen. Eine Universität lebt vor allem als Forum, auf dem sich Menschen mit schwierigen Fragen und Problemen auseinandersetzen, um gemeinsam Antworten und Lösungen zu finden. Der wissenschaftliche Diskurs ereignet sich nicht nur in Zeitschriften und Büchern, sondern vor allem auch im mündlichen Gespräch, wenn Denkende aneinandergeraten und sich gegenseitig zu verstehen versuchen, ihre Ideen der Kritik aussetzen und Argumente austauschen. Viele Winkel und Plätze, Kaffee-Ecken und Lounges, Treffpunkte und studentische Party-Locations sollte die neue Stätte haben. (Ein erster Blick nach einem Jahr der Bekanntschaft ergibt noch keine klare Auskunft darüber, ob architektonisch dafür gesorgt worden ist. Es ist zu hoffen, dass sich da noch einiges tut.) Eine universitäre Stätte wird der Ort erst durch Denkwege, die sich kreuzen und durch Hypothesen und Argumente, die von den Wänden hallen und in der Luft vibrieren. Menschenmassen finden sich auch in Bahnhöfen, Shoppingmalls und Flugplätzen. Eine Stätte der Auseinander-
setzung misst sich nach der Zahl der dort ausgetauschten Argumente und Gedanken.
Wir sind also auf dem Weg, auf einem neuen Streckenabschnitt und an einem neuen Ort. Der Weg ist nicht das Ziel und er ist auch kein Holzweg (weder im landläufigen noch im heideggerschen Sinne). Eine große Anstrengung ist allemal erforderlich, um diesen Ort zu einer Universität im wahrsten Sinne des Begriffs zu machen. Man wird sehen müssen, wie weit sich dabei die technokratischen und kommerzialistischen Kräfte in Zaum werden halten lassen. Die Universität Luxemburg hat ein großes Potenzial, aber man muss sie selbst es entwickeln lassen.
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