Der digitale Wandel und die immer größer werdenden technologischen Möglichkeiten haben die Arbeitswelt in den letzten Jahren sehr stark verändert. Dies hat sowohl Auswirkungen auf die Menschen, die in diesen Unternehmen arbeiten, als auch auf die Unternehmenskultur. Wie die Mitarbeiter*innen darauf reagieren und wie sie sich an die veränderten Anforderungen in der aktuellen Arbeitswelt anpassen können, das erörtert dieser Beitrag.
Der Einfluss des digitalen Wandels auf die Arbeitsweise
Die Annahme, dass die Entwicklung nur auf der technischen Seite stattfindet, trifft nicht zu. Durch die Digitalisierung wird der Markt mit immer neuen Leistungen und Produkten überschwemmt, wodurch der Konkurrenzdruck für bereits bestehende Anbieter*innen stetig wächst. Diese Entwicklung wiederum hat starke Auswirkungen auf die Arbeitsweise und Arbeitskultur in den Unternehmen, wovon insbesondere konventionelle Organisations- und Hierarchiestrukturen im privaten Sektor betroffen sind.
Die Macht und Entscheidungsfindung in Unternehmen werden zunehmend auf die Ebene der Mitarbeiter*innen verlagert, also an diejenigen, die den Kund*innen am nächsten stehen und so eine schnelle Bearbeitung ihrer Anliegen ermöglichen können. Auch dadurch, dass schon bei Angestellten ohne Führungsverantwortung immer häufiger Spezialisierung und Expertenwissen gefordert wird, verschiebt sich die Arbeitsweise hin zu mehr Autonomie und Entscheidungsverantwortung.
In einigen Bereichen, zum Beispiel auch in der Finanzindustrie, gibt es Entwicklungen von der Machthierarchie – wie beim Militär, hierarchisch von oben nach unten – hin zur Rollenhierarchie – sozusagen Entscheidungskompetenzen von unten nach oben –, wobei die Kund*innen im Zentrum des Interesses des Unternehmens stehen.
Neue Unternehmensformen
Manche bestehenden oder neu gegründeten Unternehmen haben sogar „sich selbst-organisierende Organisationsformen“ eingeführt bzw. umgesetzt, um so schneller und besser den immer anspruchsvoller werdenden Kund*innenerwartungen gerecht zu werden. In diesen Unternehmen arbeiten nicht-hierarchisch funktionierende Mitarbeiter*innen als Teams im Sinne des Unternehmenszwecks und im Interesse der Kund*innen zusammen. Auch ausgewählte Kund*innen und Lieferant*innen können Teil dieser Teams sein.
Eine größere Komplexität
Aus geordneten, einfache(ere)n Arbeitsstationen, in denen Ursache und Wirkung offensichtlich zusammenhängend waren, sind schon in der jüngeren Vergangenheit vermehrt kompliziertere Arbeitssituationen entstanden, die die Analyse und/oder Anwendung von immer mehr Expertenwissen erfordern. Nun treten zunehmend komplexe Arbeitsstationen auf, in denen der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nur rückblickend nachvollziehbar ist.
Der traditionelle Lösungsansatz, also erspüren, analysieren, kategorisieren, handeln, reagieren und Lösungen finden, weicht einer neuen Praxis der gemeinsamen intuitiven Lösungsfindung in der Gruppe, bei der ein Prototyp für Lösungen erstellt wird, der dann erspürt, ausprobiert und danach weiter verbessert wird.
Auswirkungen dieser Unsicherheit auf die Menschen in der Arbeitswelt
Durch die neuen technischen Möglichkeiten, die immer größer werdende Konkurrenz, veränderte oder neue Organisationsformen und größere Komplexität in den Arbeitsstationen treten vielfältige Veränderungen für die Menschen in der heutigen Arbeitswelt auf. Je nach Persönlichkeit, Alter und Offenheit gegenüber Neuem kann das mehr Freude, mehr Kreativität, Autonomie und Eigenverantwortung bewirken und so für die Mitarbeiter*innen eines Unternehmens auch mehr Sinn an der Arbeit bedeuten. Bei Menschen, die von ihrer Persönlichkeitsstruktur her jedoch Änderungen eher sorgenvoll gegenüberstehen und die zu ihrem idealen Arbeitsumfeld mehr Sicherheit und vorgegebene Strukturen brauchen, kann das aber auch sehr viel Angst auslösen und in Extremfällen sogar zum Burn-out führen.
Verantwortung auf den Führungsebenen
In meiner Rolle als Coach beobachte ich bei vielen Unternehmen, dass der Sinn und Zweck der Veränderungen nicht allen klar ist und die speziellen Bedürfnisse der unterschiedlichen Mitarbeiter*innen auf den verschiedenen Führungsebenen nicht genug in Betracht gezogen werden.
Hier sind meines Erachtens nach die Führungsgremien gefordert, eine Atmosphäre des Vertrauens im Unternehmen aufzubauen und eine Kultur des Lernens zu entwickeln, in der Fehler gemacht werden dürfen. Es gilt dann, Teamleistungen statt Einzelleistungen zu bewerten, den Blick der Mitarbeiter*innen auf den Sinn und Zweck des Unternehmens zu lenken, Rollen- statt Tätigkeitsbeschreibungen zu formulieren, bzw. Handlungs- und Entscheidungsbereiche festzulegen, statt fixe Aufgaben vorzugeben, und schließlich die Rollen und neuen Aufgabenbereiche der Führungspersonen mit Hilfe folgender Fragen zu definieren:
Wieviel Raum lassen Sie Ihren Teams?
Wieweit sind Sie als Führungsperson oder Experte gebraucht?
Was müssen die Führungspersonen ändern, damit der gewünschte Wandel in den Teams erfolgen kann?
Des Weiteren sollten Unternehmen darauf achten, die Agilität, also Veränderungs- und Bewegungsfähigkeit der Teams zum Beispiel durch Methoden wie „Design Thinking“ zu verbessern und die Prototypen von Produkten und Service-Leistungen nah an Kundenbedürfnissen weiterzuentwickeln.
Verantwortung der Mitarbeiter*innen
Mitarbeiter*innen, die sowieso die Gabe und das Interesse mitbringen, Neues auszuprobieren und mehr Eigenverantwortung zu übernehmen, brauchen meistens nur eine deutlichere Kommunikationsform mit mehr Feedback, um Verhandlungskompetenz zu entwickeln. Sie können sich aber generell gut den vielfältigen Veränderungen anpassen. Mitarbeiter*innen jedoch, die dazu neigen, Veränderungen zuerst einmal mit Sorge und Angst zu begegnen, können sich entweder selber oder über ihren Arbeitgeber professionelle Unterstützung suchen.
Die Rolle interner Personalentwicklung und externer Beratung
Durch ein Kompetenz- oder Persönlichkeits-Assessment mit professioneller interner oder externer Auswertung können Mitarbeiter*innen in einem geschützten Umfeld ihre unbewussten beruflichen Interessen kennenlernen. Durch ein sogenanntes Assessment können sie durch die professionelle Analyse der vorhandenen Kompetenzen und das Aufzeigen der noch zu entwickelnden sozialen Fähigkeiten lernen, dass sie noch andere interne Ressourcen haben, derer sie sich noch nicht bewusst waren. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Konzept des lebenslangen Lernens nicht nur im Bereich fachlicher Kompetenzen, sondern auch im Bereich sozialer Kompetenzen (z. B. veränderte Kommunikationsformen) vermittelt wird.
Die Personalentwicklung durch interne Expert*innen oder externe Coaches und Berater*innen, die auf diese Veränderungsprozesse spezialisiert sind, beruht auf professioneller Diagnostik und ist auf das Individium im Unternehmenskontext ausgerichtet. Besonders externe Berater*innen verfügen über die professionelle Methodik, um von außen neutral und unparteiisch die passende Unterstützung vorzuschlagen, die für den Veränderungsprozess des Unternehmens förderlich ist.
Gemeinsame Verantwortung
Diese menschliche Komponente miteinzubeziehen, ist meiner Meinung nach die größte Herausforderung bei den Veränderungen in der Arbeitswelt. Die Verantwortung dafür liegt sowohl bei den Führungsgremien, die besser vorausschauend externe Beratung einkaufen sollten, als auch bei den Mitarbeiter*innen selbst.
Gemeinsam und umschauend geplant, können die Krisen, die die Veränderungen in der Arbeitswelt zwangsläufig mit sich bringen, zu guten Chancen für Erneuerung und mehr Unternehmenserfolg umgewandelt werden. Zudem kann eine kooperativere Firmenkultur entstehen, mit mehr Freude und Zufriedenheit bei der Arbeit.
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