Wählen mit 16
Wenn Luxemburg abstimmt, lohnt sich ein Blick nach Österreich
Wenn Luxemburg beim Referendum im Juni darüber abstimmt, ob das Wahlalter auf 16 gesenkt werden soll, dann wird es viele Fragen geben. Sind junge Menschen reif genug? Werden sie von dem Recht Gebrauch machen? Wer wird davon profitieren?
Vielleicht lohnt sich hier ein Blick nach Österreich: In Österreich gilt seit 2007 ein allgemeines Wahlalter von 16 Jahren. Im Gegensatz zu Luxemburg kennt Österreich keine Wahlpflicht, sondern ein Wahlrecht für alle StaatsbürgerInnen, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben. Österreich nimmt hier eine Vorreiterrolle ein. Weltweit gibt es nur vereinzelt Länder, in denen 16-Jährige bei allen bundesweiten Wahlen und Abstimmungen teilnehmen dürfen. Und viele Beobachter blicken nach Österreich, um zu sehen, welche Auswirkungen denn diese Wahlaltersenkung hat. Auch andere Länder diskutieren die Wahlaltersenkung oder führen sie in kleinen Schritten ein. In Argentinien waren bei den vergangenen Präsidentenwahlen erstmals auch 16-Jährige wahlberechtigt, Norwegen experimentiert mit Probeläufen bei Gemeinderatswahlen. Schottland hat für das Unabhängigkeitsreferendum im Herbst 2014 das Wahlalter gesenkt. In Dänemark etwa gibt es seit Jahren heftige Debatten um eine Wahlaltersenkung, in der bis dato die Gegner-Innen die Oberhand bewahren.
Auch in Österreich war die Reform nicht unum-stritten, die Argumente von GegnerInnen und BefürworterInnen sind überall ähnlich. GegenerInnen befürchten, dass Jugendliche schlicht nicht bereit sind, wählen zu gehen. Es fehle an politischem Interesse, an politischem Wissen und an Reife. Die
Befürchtungen reichen von niedriger Wahlteilnahme bis hin zu wenig fundierten Wahlentscheidungen. In der wissenschaftlichen Debatte geht es dabei um eine mögliche Diskrepanz der eigenen Interessen und der Position der gewählten Partei. In der öffentlichen Debatte klingt es oft eher danach, dass VertreterInnen von Partei A befürchten, Jugendliche könnten Partei B wählen, und Partei B wäre naturgemäß eine falsche Entscheidung. Das in Luxemburg häufig vorgebrachte Argument, dass die Nichtübereinstimmung von Volljährigkeit und Wahlrecht zu juristischen Inkonsistenzen führt, war in Österreich hingegen in der öffentlichen Debatte kaum zu hören.
Die BefürworterInnen wiederum erhoffen sich eine stärkere Repräsentation von Interessen junger Menschen, ein Schließen der wahrgenommenen Kluft zwischen PolitikerInnen und Jugendlichen, eine stärkere Stimme junger Menschen in der Politik. Eine Resolution des Europarates etwa argumentiert sehr stark in diese Richtung.1 Durch die bessere Verankerung von 16- und 17-Jährigen in Elternhaus und Schule erhoffen sich manche auch, dass ErstwählerInnen durch die Wahlaltersenkung besser auf die Wahl vorbereitet werden und daher in einem höheren Ausmaß daran teilnehmen und eine fundierte Wahlentscheidung treffen.
Die Erfahrungswerte aus Österreich bieten also die einmalige Gelegenheit, die Argumente empirisch zu überprüfen. Was also wissen wir bislang?
Gesichert ist, dass das Interesse von 16- und 17-
Jährigen an Politik nach der Wahlaltersenkung höher war als zuvor. Das vielbeklagte mangelnde Interesse von jungen Menschen unterliegt offenbar zumindest teilweise einer Henne-Ei-Problematik:
Wieso soll sich jemand für Parteipolitik und Wahlen interessieren, der noch nicht mitzubestimmen hat? Die jüngsten WählerInnen waren kaum schlechter informiert, unwissender oder unmotivierter als der Durchschnitt. Zumindest bei der ersten Wahl nach der Wahlaltersenkung fühlten sich viele junge Menschen geradezu verpflichtet, nicht völlig unvorbereitet in die Wahlen zu gehen. Zudem zeigte sich auch eine Veränderung im Informationsverhalten: Die erstmals Wahlberechtigten äußerten einen Wunsch nach mehr Information, am liebsten aufbereitet in kleinen, leicht konsumierbaren Häppchen, serviert als leichte Kost in der Schule. Auch wenn die Teilnahmebereitschaft, die in Umfragen erhoben wird, bei jungen Wählern oft deutlich unter jener von älteren liegt, ist durch das Auszählen von Wählerlisten gesichert, dass die Wahlteilnahme bei den Gemeinderatswahlen in Wien 2010 und den Gemeinderatswahlen in Krems 2012 bei 16- und 17-Jährigen nahe an der Gesamtbeteiligung lag. Ab einem Alter von 18 Jahren allerdings ging die Wahlteilnahme deutlich zurück.
Diese Ergebnisse aus Österreich spielen also den BefürworterInnen eher in die Hände als den Gegner-Innen. Dazu ist es aber ganz zentral zu erwähnen, dass in Österreich die Wahlaltersenkung von einer Reihe von Maßnahmen begleitet war. Allen voran stand eine Änderung im Lehrplan der Schulen, der nun politische Bildung als Pflichtfach in der 8. Schulstufe, also bei etwa 13- bis 14-Jährigen, verankert. Tatsächlich werden auch sehr viele junge Menschen von zusätzlichen Begleitmaßnahmen, die vor allem über Schulen organisiert werden, erreicht; die Schule nimmt eine zentrale Rolle ein, um auf die Wahlen aufmerksam zu machen, darüber zu informieren, und auch den Platz für Diskussion und Gedankenaustausch zu geben, sei es im Unterricht, sei es in Projekten oder sei es informell. Die wichtige Rolle der Schule, die für den Erfolg der Wahlaltersenkung mitverantwortlich war, unterstreicht aber gleichzeitig, dass junge Menschen, die sich nicht mehr in einer schulischen Ausbildung befinden, schlechter vorbereitet und erreicht werden können, und daher mit einem Nachteil in ihr Leben als WählerIn starten
könnten.
Auch wenn der tatsächliche Effekt solcher Begleitmaßnahmen nur schwer abzuschätzen ist, stellt sich doch die Frage, wieviele der positiven Ergebnisse für Österreich replizierbar bleiben, sobald diese Begleitmaßnahmen wegfallen.
In Österreich wurde über die Wahlaltersenkung nicht vom Volk abgestimmt, vielmehr wurde diese mit großer Mehrheit im Parlament beschlossen. Ein Volksentscheid wäre wohl dagegen ausgegangen. Und genauso, wie sich die Menschen vor 100 Jahren damit abgefunden haben, dass auf einmal Frauen das Wahlrecht erteilt wurde, finden sie es heute ganz normal, dass 16- und 17-Jährige wählen dürfen. u
Parliamentry Assembly, Council of Europe, Expansion of democracy by lowering the voting age to 16, Resolution 1826 (2011), http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=18015&lang=en
Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.
Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!
