Eine Besonderheit und zugleich Problematik des luxemburgischen Wahlsystems ist neben den anachronistischen Wahlbezirken sicherlich das Sitzzuteilungsverfahren, welches sich in Luxemburg an das Divisorverfahren, auch bekannt als d’Hondt-Verfahren, anlehnt. Artikel 318 des Wahlgesetzes macht zwar keine explizite Referenz an dieses Verfahren, beschreibt jedoch detailliert die Vorgehensweise.1 Zuerst sieht das Gesetz das Ermitteln einer Wahlzahl vor: Die Gesamtzahl der Stimmen im Wahlbezirk wird durch die Anzahl der zu vergebenden Sitze plus 1 geteilt und anschließend aufgerundet. In einem zweiten Schritt wird das Wahlresultat der jeweiligen Liste durch die Wahlzahl geteilt und anschließend abgerundet. Die sich hieraus ergebende Zahl stellt die Sitzanzahl nach einer ersten Verteilung dar. Werden bei einer ersten Verteilung nicht alle Sitze vergeben, so kommt es zum Restsitzverfahren: Pro Liste wird die Gesamtzahl der Stimmen durch die gewonnenen Sitze plus eins dividiert. Der Liste mit dem höchsten Quotienten wird der Restsitz zugesprochen, und das Vorgehen wird so oft wiederholt, bis alle Sitze verteilt sind. Regelmäßig wird das aktuelle Sitzverteilungssystem kritisiert, da es die großen Parteien massiv bevorzugt, während kleineren Parteien der Einzug ins Parlament erschwert wird. So gehen die Restsitze selten an kleinere Parteien: 2013 konnte die CSV insgesamt vier Restsitze für sich gewinnen, während DP und LSAP jeweils zwei Restsitze verbuchen konnten. Die ADR und déi gréng konnten je einen Restsitz für sich beanspruchen. 2009 kam die CSV auch auf vier Restsitze, die LSAP auf zwei, und déi Lénk, déi gréng, die ADR und die DP auf jeweils einen Restsitz.
Aktuell wird das d’Hondt-Verfahren in mehreren Ländern angewandt, unter anderem in Portugal, Polen und Finnland. Aufgrund der Benachteiligung von kleineren Parteien und durch die Proporzverzerrung wird das nach dem Belgier Victor d’Hondt benannte Verfahren in mehr und mehr Ländern abgeschafft: So wurde in Deutschland bei der Bundestagswahl von 1987 erstmals das Hare/Niemeyer-System angewandt, welches 2009 wiederum durch Sainte-Laguë ersetzt wurde.2 Auch in Luxemburg wäre eine solche Änderung durchaus denkbar und wäre durch eine Änderung des Wahlgesetzes einfach durchsetzbar. Bei der Einführung eines gemeinsamen Wahlbezirks wäre hingegen eine Änderung der Verfassung notwendig. Es gibt eine Vielzahl von Sitzzuteilungsverfahren, welche kleine Parteien weniger benachteiligen würden: Nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren hätte das Wahlresultat 2013 ganz anders ausgesehen: So hätte die CSV 3 Sitze weniger abbekommen, und auch die DP (-2) und LSAP (-1) hätten heute weniger Abgeordnete im Parlament. Kleinere Parteien wie déi Lénk (+1), ADR (+1) würden zulegen und die Piratenpartei wäre mit 2 Sitzen im Krautmaart vertreten, und die KPL und PiD mit je einem Sitz. Einzig déi gréng hätten weder Gewinn noch Verlust zu verbuchen. Insgesamt neun Parteien wären also im Parlament nach diesem Verfahren vertreten und die aktuelle Regierung käme nur noch auf 29 Sitze. Das Saint-Laguë-Verfahren, welches sich methodisch nicht viel vom d’Hondt-Verfahren unterscheidet, käme auf das gleiche Ergebnis.3
Das Sitzzuteilungssystem, welches lediglich die mathematische Umrechnung von Stimmen in Sitze darstellt, kann also durchaus politischen Einfluss haben und zu einer unterschiedlichen Wahlinterpretation führen. Anders als bei einem einheitlichen Wahlbezirk, wo andere Wahldynamiken entstehen können, kann man hier genau vorhersagen wie sich eine Änderung auf die Sitzverteilung auswirken würde. Eine Änderung des Wahlsystems wäre begrüßenswert, denn es würde zu einer Stärkung kleinerer Parteien führen, viele Stimmen würden somit nicht als „verloren“ gelten und die Sitzverteilung dem Wahlresultat eher Rechnung tragen.
Claude Biver
1. http://legilux.public.lu/eli/etat/leg/tc/2011/02/17/n2/jo
2. http://www.wahlrecht.de/verfahren/dhondt.html
3. http://cbiver.eu/2013/10/wahlen-2013-was-ware-wenn/
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