„Was Hänschen nicht lernt…“
Über Neurobiologie und Mehrsprachigkeit
Obwohl in einem postfaktischen Zeitalter, wie wir derzeit offenbar eines durchleben, wissenschaftliche Tatsachen, vor allem was die hierzulande seit kurzem heiß diskutierte Frage nach der Einführung des Luxemburgischen als vorrangige Schul- und Amtssprache angeht, weniger zählen als Gefühle, wie diffus diese auch immer sein mögen, wollen wir an dieser Stelle dennoch den Versuch wagen, einige unumstößliche, neurobiologische Fakten zur Mehrsprachigkeit zu präsentieren.
Nur bis zum vierten Lebensjahr kann eine Sprache als Muttersprache erworben werden.
Der Erwerb aller wesentlichen Sprachfähigkeiten des Menschen wird vom Myelinisierungskalender2 des Gehirns bestimmt. Sämtliche für die Sprachverarbeitung relevanten Areale im Vorderhirn myelinisieren spätestens bis zum vierten Lebensjahr. Dies bedeutet, dass die Neuroplastizität3 in den erwähnten Arealen nach diesem Zeitpunkt in einem Maße eingeschränkt ist, dass diese nicht länger prägbar bleiben. Dies wiederum bedeutet, dass eine Sprache, welche nach dem vierten Lebensjahr erworben wird, aufgrund der erwähnten, deutlich eingeschränkten Neuroplastizität in den sprachrelevanten Arealen, nicht länger als Muttersprache erworben werden kann. Wird ein Individuum dagegen vor dem vierten Lebensjahr einer oder mehreren Sprachen ausgesetzt, werden in den betroffenen Hirnarealen spezifisch muttersprachliche Verarbeitungsstrukturen angelegt.
Der Grund hierfür ist in dem Umstand zu suchen, dass das frühkindliche Gehirn im Alter von drei Tagen(!) beispielsweise bereits lernt, den ununterbrochenen Lautstrom nach Wortgrenzen abzusuchen. Diese Segmentierungsprozedur bedient sich spezifischer, unverwechselbarer, ausschließlich in der Muttersprache vorkommender, prosodischer4 bzw. phonotaktischer5 Merkmale. Anders gesagt: Intonation und Akzent der Muttersprache bestimmen wesentlich den beginnenden Spracherwerb des Neugeborenen. Kommt dieses bzw. das Kleinkind während der bis zum vierten Lebensjahr dauernden, kritischen Erwerbsphase mit mehreren Sprachen in Kontakt, lassen sich ebenso viele, von Intonation und Akzent maßgeblich beeinflusste, sprachspezifische Segmentierungsprozeduren nachweisen. Das menschliche Gehirn ist von Geburt an mit abstrakten, neuronalen Sprachverarbeitungsprozeduren ausgestattet, welche sich im frühen Säuglingsalter bereits auf die Muttersprache, und allein auf diese, einstellen.6
Im Laufe des sechsten Lebensmonats hat sich die lautliche Wahrnehmung des Säuglings der jeweiligen Spracherfahrung bereits in einem Maße angepasst, dass dieser Lautdifferenzen nur noch innerhalb jener Lautkategorien erkennen kann, welche typisch für die Muttersprache sind. Außerhalb dieser Kategorien liegende, deswegen aber nicht minder existente Unterschiede kann er, ähnlich wie der chinesische Muttersprachler, welcher nicht zwischen den Lauten „r“ und „l“ zu unterscheiden vermag, da diese ein und derselben Lautkategorie angehören, dagegen nicht mehr wahrnehmen. Diese in der frühkindlichen Entwicklungsphase sich herausbildenden sog. Lautprototypen7 sollen dem Heranwachsenden bei der Organisation des sprachlichen Lautspektrums im Hinblick auf den folgenden Erwerb der Semantik (Wort- bzw. Satzbedeutung) Hilfestellung leisten.8
Die oben erwähnten Sprachverarbeitungsprozeduren funktionieren, je nachdem, ob es sich um die Verarbeitung semantischer (Wortbedeutung) oder syntaktischer (Grammatik, Satzbau) Elemente handelt, in unterschiedlichen Hirnarealen und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Wird beispielsweise ein semantischer Fehler innerhalb eines Satzgefüges entdeckt9, reagiert das Gehirn mit einer mittels Elektroenzephalographie (EEG) messbaren, negativen Potentialwelle10 (der Enzephalograph schlägt nach oben aus), welche 400 Millisekunden nach Beginn des entsprechenden Reizes zu beobachten ist. Zudem ist die neuronale Aktivität bei dieser Aufgabe nicht auf die in der linken Hirnhälfte angesiedelten Sprachareale Broca und Wernicke11 beschränkt. Eine weitere, allerdings bedeutend schnellere Potentialwelle konnte bei der Erkennung und Verarbeitung von syntaktischen (grammatischen) Fehlern gemessen werden.12 Bereits 200 Millisekunden nach Auftauchen eines Satzbaufehlers, also doppelt so schnell, wird diese im vorderen Teil des Broca-Areals sichtbar. Sie ist auf hochautomatisierte, schnelle syntaktische Verarbeitungsprozeduren, lokalisiert im motorischen Sprachzentrum (Bewegungszentrum im Broca-Areal), zurückzuführen. Weiter steht fest, dass die allein der Muttersprache eigene, schnelle N200-Komponente, d.h. jene negative Potentialwelle, welche, wie die Fachbezeichnung es andeutet, 200 Millisekunden nach Einsetzen des betreffenden Reizes, eines Satzbaufehlers, gemessen wird, in der Hauptsache von der Existenz adäquater Sprachstimuli während der bis höchstens zum vierten Lebensjahr dauernden, kritischen Spracherwerbsphase abhängt. Bleiben die entsprechenden Reize in diesem neuronalen Zeitfenster aus, kann die schnelle N200-Syntaxkomponente nicht installiert werden.
Mit anderen Worten: Wird eine Sprache nicht bis spätestens zum vierten Lebensjahr, und damit als Muttersprache, erworben, so erfolgt deren Verarbeitung ausschließlich über den ebenso umständlichen wie langsamen Umweg der Semantik (Entschlüsselung der Wort- bzw. Satzbedeutung). Die erwähnte, bei dieser Tätigkeit ausschließlich aktive, semantische N400-Komponente, welche erst 400 Millisekunden, also fast eine halbe Sekunde, nach Einsetzen des Stimulus messbar wird, ist, wie bereits gesagt, doppelt so langsam wie der ultra-schnelle, für die hochautomatisierte Verarbeitung rein syntaktischer Merkmale zuständige N200-Prozessor, welcher für die Entschlüsselung der Syntax weniger als eine Viertelsekunde benötigt.13 Muttersprachliche Kompetenzen können mit dieser ebenso trägen wie umständlichen, rein auf der zeitaufwendigen Entschlüsselung semantischer Merkmale basierenden Verarbeitungsstrategie nicht erworben werden. Das Beherrschen einer Sprache als Muttersprache setzt die Installierung des ultra-schnellen N200-Prozessors zwingend voraus, was allerdings nur bis spätestens zum vierten Lebensjahr geschehen kann. Die äußerste Enge dieses neuronalen Zeitfensters ist, wie bereits erwähnt, den biologischen Zwängen des Myelinisierungskalenders sowie der Entwicklung der Neuroplastizität geschuldet und kann daher nicht ausgedehnt werden.
Die für die Sprachleistung verantwortliche, räumliche Aufteilung der Sprachareale hängt vom Spracherwerbsalter ab.
Auch die räumliche Aufteilung der Sprachareale ist bei frühen und späten Bilingualen deutlich zu unterscheiden. Während bei ersteren die neuronalen Aktivierungsherde auf der Ebene des Broca-Areals größere Überschneidungen aufweisen (die beiden Sprachen sich weite Bereiche desselben für die anstehenden Verarbeitungsprozeduren also teilen), verfügen letztere über nach Sprachen deutlich voneinander getrennte, nicht miteinander kommunizierende Verarbeitungszentren im linken Vorderhirn. Dies bedeutet, dass die sprachrelevanten Zentren innerhalb des Broca-Areals immer dann strikt voneinander getrennt sind, wenn die Zweitsprache zu einem späteren Zeitpunkt, d.h. nach dem kritischen vierten Lebensjahr, erworben wird.14
Des weiteren bedeutet dies, dass das Alter des Spracherwerbs eine wesentliche Rolle bei der funktionalen Organisation des Broca-Areals spielt. Sprachrepräsentationen auf der Ebene des motorischen Sprachzentrums (Broca-Areal), welche im frühkindlichen Alter erworben werden, unterliegen aufgrund der abgeschlossenen Myelinisierung in der Folge, wie gesagt, keinerlei Änderungen mehr. Dies macht die Verwendung von benachbarten Hirnstrukturen bei einem später im Leben stattfindenden Zweitsprachenerwerb unumgänglich. Diese zusätzlich aktivierten Strukturen fungieren gleichermaßen als mentale „Krücken“, welche den Erwerb anderer Sprachen als der Muttersprache, für die das menschliche Gehirn ursprünglich nicht vorgesehen war, ermöglichen bzw. erleichtern sollen. Aufgrund der Komplexität dieser Organisation und den sich daraus ergebenden, ebenso umständlichen wie zeitraubenden Verarbeitungsvorgängen sinken die in den betreffenden Sprachen erreichbaren Leistungen auf Fremdsprachen-Niveau ab. Damit wird wahre Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit nur möglich, wenn die betreffenden Sprachen vor dem vierten Lebensjahr erworben werden. Später erlernte Sprachen erfüllen diesen Tatbestand nicht, so dass die in Frage kommenden Sprecher nicht als bilingual, sondern vielmehr als diglossal15 bezeichnet werden müssen. Dies trifft auf die erdrückende Mehrheit der Luxemburger Muttersprachler zu.
Alles in allem bleibt festzuhalten, dass das für die Sprachverarbeitung zuständige, motorische Sprachzentrum (Broca-Areal) zwischen Sprachen unterscheidet, welche zu einem frühen (spätestens bis zum vierten Lebensjahr) oder aber späteren Zeitpunkt erlernt wurden. Ferner legt das Gesagte den Schluss nahe, dass die neuronale Basis für eine echte Zweisprachigkeit in frühester Kindheit gelegt werden muss. Nur dann können die Leistungen in der Zweitsprache mit jenen in der Erstsprache verglichen werden. Findet der Erwerb der Zweitsprache dagegen zu einem späteren Zeitpunkt statt, muss auf muttersprachliche Kompetenz wie Performanz verzichtet werden.
Früher Kontakt mit mehreren Sprachen steigert die Sprachleistung.
Sollen hierzulande in der Zweit- bzw. Drittsprache mit der Muttersprache gleichzusetzende Leistungen erreicht werden, so führt kein Weg an Bildungsminister Meischs Entscheidung vorbei, die luxemburgischen Muttersprachler wie auch deren nicht-luxemburgische Altersgenossen in Hort, Kindergarten und Vorschule, also noch innerhalb des erwähnten, so eminent wichtigen, bis allerhöchstens zum vierten Lebensjahr offenen, neuronalen Zeitfensters, mit einer Zweit- bzw. Drittsprache in Kontakt zu bringen. Diese von einem rein wissenschaftlichen Standpunkt im Übrigen längst überfällige Maßnahme bedeutet nichts weniger als ein Quantensprung in der nationalen Sprachenpolitik.
Zu glauben, der allzu frühe Erwerb mehrerer Sprachen schade der kindlichen Entwicklung, ist barer Unsinn. Es gibt mithin auch keinerlei Grund, auf dem Luxemburgischen als alleiniger im Vorschulalter zu erwerbenden Sprache zu beharren. Wer dies dennoch tut, weiß es entweder nicht besser, was an sich schon schlimm genug ist, oder aber er verfolgt mit seinem wissenschaftlich nicht haltbaren Standpunkt allein politische Ziele. Und diese dürften, nebenbei gesagt, nicht minder zweifelhaft sein. In jedem Fall aber wird dem Einzelnen auf diese Weise die einmalige Gelegenheit genommen, zwei oder sogar mehrere Sprachen als Muttersprachen zu erwerben und zu beherrschen.
Der derzeit offenbar allenthalben grassierenden Angst vor Überfremdung kann nicht mit der Einschränkung des einheimischen Multilingualismus begegnet werden. Dafür gibt es weder sprachwissenschaftlich noch kognitivistisch-neurolinguistisch stichhaltige Argumente. Die menschliche Biologie sieht sich, gottseidank, schlicht und einfach außerstande, eine Entscheidung zwischen „fremd“ und „einheimisch“ zu treffen. Einzig das Alter, in welchem die jeweilige Sprache erworben wird, spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Sie ist es letztlich, die, wie gesagt, darüber entscheidet, ob eine Sprache in der Folge mit muttersprachlicher oder aber lediglich fremdsprachlicher Kompetenz beherrscht werden wird.
1. Für weitergehende Informationen vgl.: Jean-Paul Hoffmann, „Plus d’une langue en tête. Psycholinguistique du multilinguisme“, in: Bibliothèque des Nouveaux Cahiers d’allemand. Actes du colloque organisé par le Groupe d’études et de recherches interdisciplinaires sur le plurilinguisme en Alsace et en Europe, Université de Mulhouse 27-28 octobre 1999, S. 101-112.
2. Im Laufe der postnatalen Entwicklung des Gehirns werden die Neuronen von Gliazellen ummantelt. Diese bestehen aus Myelin, einem Lipid (Fett), welches die Aufgabe hat, die Neuronen einerseits vor Beschädigungen zu schützen und andererseits deren elektrische Leitfähigkeit zu steigern. Ist die Myelinisierung erfolgt, können keine neuen neuronalen Verbindungen mehr geknüpft werden, so dass das Gehirn nicht länger prägbar ist. Die Myelinisierung läuft nach einer bestimmten, biologisch festgelegten Reihenfolge ab (Myelinisierungskalender), so dass die Hirnareale zu unterschiedlichen Zeitpunkten, einige sehr früh, andere dagegen äußerst spät (bis hin zur Pubertät), myelinisieren.
3. Unter Neuroplastizität versteht man die Eigenschaft von einzel- nen Neuronen bzw. ganzen Hirnarealen, sich in Abhängigkeit von ihrer Verwendung zu verändern. Diese von einem rein wissenschaftlichen Standpunkt im Übrigen längst überfällige Maßnahme bedeutet nichts weniger als ein Quantensprung in der natio- nalen Sprachenpolitik.
4. Prosodie: Satzintonation.
5. Die Phonotaktik bildet ein Teilgebiet der Lautlehre (Phonetik), welches die Kombination von Lautsegmenten zu umfassenderen Ein- heiten betrifft.
6. Jacques Mehler, „The Role of Syllables in Speech Perception: Infant and Adult Data“, in: Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 295, 1981, S. 333-352; Jacques Mehler, Jean Yves Dommergues, Uli Frauenfelder, Jean Segui, „The Syllable‘s Role in Speech Segmentation“, in: Journal of Verbal Learning and Verbal Behavior, 20, 1981, S. 298-305; Jean Segui, „The Syllable: a Basic Perceptual Unit in Speech Processing?“, in: Herman Bouma, Don G. Bouwhuis (Hrsg.) Attention and Performance: Control of Language Processes, Erlbaum, Hillsdale, NJ, 1984, 165-181; Anne Cutler, Jac- ques Mehler, Dennis Norris, Jean Segui, „A language-specific com- prehension strategy“, in: Nature 304, 1993, S. 159-160; Mark Pitt, Arthur G. Samuel, „Attentional Allocation During Speech Perception: How Fine is the Focus?“, in Journal of Memory and Language 29, 1990, S. 611-632; Nuria Sebastian-Galles, Emmanuel Dupoux, Jean Segui, Jacques Mehler, „Contrasting Syllabic Effects in Catalan and Spanish“, in: Journal of Memory and Language 31, 1992, S. 18-32;Ghislaine Dehaene-Lambertz, Stanislas Dehaene, „Speed and cere- bral correlates of syllable discrimination in infants“, in: Nature 370, 1994, S. 292-295.
7. Unter einem Lautprototypen versteht man die Idealform eines Lautes.
8. Patricia K. Kuhl, Karen A. Williams, Francisco Lacerda, Kenneth N. Stevens, Bjorn Lindblom, „Linguistic Experience Alters Phonetic Perception in Infants by 6 Months of Age“, in: Science 255, 1991, S. 606-608; Christine Moon, „Two-day-olds prefer their native lan- guage“, in: Infant Behavior and Development, 16, 1994, S. 495-500.
9. In der zitierten Studie lautete der semantisch korrekte Satz: „Der Honig wurde gegessen.“ Der inhaltlich fehlerhafte Satz dagegen enthielt ein semantisch unplausibles Wort und lautete dementspre- chend: „Das Lineal wurde gefüttert.“ Ein Bedeutungsfehler dieser Art wird vom Gehirn in Form der N400-Potentialwelle erkannt. Dafür allerdings muss der Informationsgehalt des fehlerhaften Satzes erst einmal mit dem im mentalen Lexikon gespeicherten Wissen sowie der allgemeinen Erfahrung („Weltwissen“) abgeglichen werden. Die- ser Umstand erklärt die relative Langsamkeit dieses Prozesses.
10. Mit Potentialwellen sind mittels EEG messbare, von den elektri- schen Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche induzierte Wellenformen unterschiedlicher Frequenz gemeint, welche entwe- der durch Sinneswahrnehmungen ausgelöst werden oder aber mit kognitiven Prozessen (Aufmerksamkeit, Sprachverarbeitung) korrelieren. Eine Positivierung (P) bewirkt einen Ausschlag der Welle nach unten, während eine Negativierung (N) diese nach oben ausschlagen läßt. Der stete Wechsel von Negativierungen und Positivierungen ergibt das bekannte, typische Wellenprofil eines Enzephalogramms.
11. Die beiden für die Sprachverarbeitung zuständigen Areale sind nach ihren Entdeckern, dem französischen Anatomen Paul Broca (1824-1880) sowie dem deutschen Neurologen Karl Wernicke (1848- 1905), benannt. Das für die Sprachproduktion zuständige Broca- Areal (motorisches Sprachzentrum, zuständig für das Sprechen) befindet sich im linken Stirnlappen des Großhirns, während das für das Sprachverstehen verantwortliche Wernicke-Areal (sensorisches Sprachzentrum) im linken Schläfenlappen desselben angesiedelt ist.
12. Der syntaktisch korrekte Satz lautete: „Die Gans wurde im Stall gefüttert.“ Der syntaktisch fehlerhafte Satz hieß: „Die Gans wurde im gefüttert.“ In diesem Fall verlangt die Präposition „im“ als nachfolgendes Wort ein Nomen (z.B. „im Krankenhaus“). Das an die- ser Stelle vorkommende Verb verletzt somit eindeutigerweise die geplante Struktur. Ein syntaktischer Verstoß dieser Art wird vom Gehirn in Form der spezifischen N200-Potentialwelle automatisch, ohne Umweg über mentales Lexikon oder Weltwissen, und daher ebenso unmittelbar wie schnell, erkannt.
13. Marta Kutas, Steven A. Hillyard, „Event-Related Brain Potenti- als to Grammatical Errors and Semantic Anomalies“, in: Memory & Cognition, 11, 1983, S. 539-550; Angela D. Friederici, „Agrammatic Comprehension: Picture of Computational Mismatch“, in: Aphasio- logy, 2, 1983, S. 279-284; H.J. Neville, „Developmental Specificity in Neurocognitive Development in Humans“, in: M.S. Gazzaniga (Hrsg.), The Cognitive Neuroscience. Cambridge, Mass, 1994.
14. Marcel A. Just, Patricia A. Carpenter, „A capacity theory of comprehension: Individual differences in working memory“, in: Psychology Review 99, 1992, S. 122-149; Michael Petrides, Bessie Alivisatos, Ernst Meyer, Alan C. Evans, „Functional activation of the human frontal cortex during the performance of verbal working memory tasks“, in: Procedings of the National Academy of Sciences USA 90, 1993, S. 878-882; Marcel A. Just, Miyake A, Patricia A. Car- penter, „Working memory constraints in comprehension: Evidence from individual differences, aphasia and aging“, in: Matthew Gerns- bacher (Hrsg.) Handbook of Psycholinguistics, Academic Press, San Diego, New York, Boston, 1994, S. 1075-1122; Karl H.S. Kim, Norman R. Relkin, Lee Kyoung-Min, Joy Hirsch, „Distinct cortical areas associated with native and second languages“, in: Nature 388, 1997, S. 171-174; Hyoe Tomita, Machiko Ohbayashi, Kiyoshi Naka- hara, Isao Hasegawa, Yasushi Miyashiba, „Top-down signal from pre- frontal cortex in executive control of memory retrieval“, in: Nature 401, 1999, S. 699-703.
15. Die Di- bzw. Multiglossie bezeichnet eine besondere Form der Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit, bei der es eine klare funktionale Diffe- renzierung zwischen den Sprachen gibt. Die luxemburgische Spra- chensituation erfüllt insofern den Tatbestand der Di- bzw. Triglossie, als die Nationalsprache Luxemburgisch von den meisten Einheimi- schen als Muttersprache gesprochen wird, wohingegen die beiden Amtssprachen Deutsch und Französisch als Schreibsprachen bzw. in spezifischen Kontexten (z. B. vor Gericht oder in der Schule) Verwen- dung finden. Daraus folgt, dass die meisten Einheimischen wohl als diglossal bezeichnet werden können, sie aber, was den mündlichen Sprachaustausch angeht, als strikt monolingual anzusehen sind.
Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.
Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!
