Was kann ein Bürgerrat konkret leisten?

Um zu illustrieren, welche Art von Ergebnissen bei einer dialogischen Bürgerbeteiligung herauskommen können, dokumentieren wir auf der nächsten Doppelseite einen der Texte, die das Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 im Rahmen seiner Arbeit entwickelt hat. Das Biergerkommitee war ein aus 30 Personen zusammengesetzter Bürgerrat, der sich 2021 im Auftrag des Energie- und Landesplanungsministeriums und als Teil des Projektes Luxembourg in Transition unter der Moderation des Autors dieser Zeilen mit dem Wandel Luxemburgs zu einem klimaneutralen Territorium beschäftigt hat.

Neben den umseitig vorgestellten politischen „Leitlinien“ hat dieses Biergerkommitee noch eine ausführliche Analyse des Landes vorgelegt sowie 44 Empfehlungen ausgesprochen, wie Luxemburg sich aufstellen sollte, um die Herausforderung der Klimaneutralität zu bewältigen. Diese Dokumente sind in einer Broschüre zusammengefasst, die unter www.luxembourgintransition.lu/biergerkommitee heruntergeladen werden kann. Auffallend ist, dass die Teilnehmenden sich nicht auf landesplanerische Aspekte beschränkt haben, sondern das gesamte politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld in den Blick genommen haben. Interessant bei der Arbeit dieses Bürgerrates war tatsächlich, dass die Teilnehmenden ihre Empfehlungen mit einer Stärken- und Schwächenanalyse des Landes unterfüttert haben. Diese zeigte das hohe Verständnis auf, das die sehr diverse Gruppe innerhalb eines halben Jahres von der Herausforderung der Klimaneutralität entwickeln konnte. Diese Analyse geht in ihrer Deutlichkeit auch weit über das hinaus, was im normalen politischen Diskurs üblich ist (etwa zur sozialen Polarisierung, zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit oder zur Informationspolitik der Regierung). Die Empfehlungen selbst sind eher allgemein und kurz gehalten, geben aber klare Ziele vor. Bei Themen, bei denen die Gruppe sich nicht sicher fühlte, wie die Verhältnisse und Zwänge wirklich liegen, verzichtete sie auf eine Empfehlung, bzw. strich diese am Ende wieder aus dem Text.

Der Auftraggeber dieser Bürgerbeteiligung (das Ministerium für Energie und Landesplanung) will die Ergebnisse in die Formulierung des Programme directeur d’aménagement du territoire einfließen lassen – neben dem Input aller anderen befragten Stakeholder. Die Empfehlungen des Biergerkommitees wurden darüber hinaus den Ministerien vorgestellt, die an Luxembourg in Transition beteiligt waren, und an die Abgeordneten der Chamber verteilt. Angedacht ist auch, die Jugendparteien reagieren zu lassen. Im Rahmen einer ausführlichen Pressekonferenz wurden die Medien informiert. 

War das Resultat den nicht unerheblichen Aufwand wert? ForscherInnen der Universitäten Luxemburg und Groningen arbeiten zurzeit an einer Evaluation. Ein Manko könnte gewesen sein, dass es an einer weitergehenden Auseinandersetzung des Landesplanungsministeriums mit den Forderungen der BürgerInnen gefehlt hat – etwa in Form einer kontroversen Diskussion oder einer schriftlichen Antwort. Der gerade stattfindende, von Staats-, Umwelt- und Energieministerium eingesetzte Klima-Biergerrot ist in dieser Hinsicht besser aufgestellt: Hier ist vorgesehen, dass die Ende Juni / Anfang Juli präsentierten Empfehlungen im Herbst im Parlament vorgestellt und dort diskutiert werden. Sie sollen danach die Weiterentwicklung der Klimagesetzgebung in Luxemburg befeuern.

An anderer Stelle fehlt es ebenfalls nicht an Empfehlungen oder Stellungnahmen aus der Bürgergesellschaft, die Verwaltungen und ParlamentarierInnen Inspiration liefern könnten. Der Nationale Nachhaltigkeitsrat, das Observatoire de l’environnement oder der Nationale Ausländerrat, um nur diese vom Gesetz etablierten Einrichtungen zu nennen, veröffentlichen in regelmäßigen Abständen ihre Berichte und Stellungnahmen. Auch die organisierte Zivilgesellschaft vom Mouvement écologique bis zur ASTM liefern hochwertigen Input. Doch es mangelt an einer strukturierten Einbettung in den politischen Prozess, sodass am Ende womöglich viel intellektuelle Energie vergeudet wird. Am Ende bleibt die Hoffnung, dass diese Wortmeldungen aus der Gesellschaft insgesamt ein Hintergrundrauschen schaffen, das von den politischen Parteien wahrgenommen wird.

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