Wie weiter mit dem Wohnen?

Zwei neue Publikationen suchen Auswege aus der Wohnungskrise

Der Stellenwert des Wohnungsthemas als Problem ist in Luxemburg mittlerweile allgemein anerkannt – zu offensichtlich belasten die stark gestiegenen Mieten und Immobilienpreise nicht nur weite Teile der Bevölkerung, sondern gefährden auch die soziale Balance im Land. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit für dieses Thema in den Medien. Zwei neue Publikationen sind angetreten mit dem Anspruch, die Debatte durch kritische Beiträge anzureichern und darüber hinaus mögliche Auswege aus dem Dilemma aufzuzeigen. Beiden gemeinsam ist, dass sie unter dem Dach von Stiftungen herausgegeben werden: der eine Band von der IDEA-Stiftung, die sich als eine Art Think Tank im Umfeld der Handelskammer versteht, der andere redaktionell verantwortet von Marc Limpach und Max Leners unter der Herausgeberschaft der Fondation Robert Krieps (FRK). Beide Träger sehen sich der politischen Bildung verpflichtet, und so stehen die gesellschaftspolitischen Dimensionen des Wohnungsproblems im Zentrum der Abhandlungen.

Beide Publikationen sind Sammelbände von eher knappem Umfang, die ein ausgewähltes Spektrum an Akteuren versammeln. Der von Limpach und Leners verantwortete Band La crise du logement au Luxembourg et les moyens d’en sortir versammelt eine Art Who’s Who aus hiesiger Politik, Wissenschaft, Urbanismus, Sozialverbänden und Gewerkschaften. Alle Beiträge äußern sich dezidiert kritisch zur aktuellen Situation, sowohl grundsätzlich wie auch en détail. Sie lassen es auch nicht an konkreten Verbesserungsvorschlägen mangeln. Der abschließende Beitrag von Max Leners enthält 60 konkrete Forderungen, die sich an Staat (Politik, Verwaltung) und Gemeinden richten und einen anderen Umgang mit Investmentkapital, Digitalisierung oder Steuererhebung fordern. Sie sind geleitet von der Forderung nach stärkerer Regulierung sowie Umverteilung der Lasten und Nutzen aus der Bewirtschaftung von Grund und Boden zwischen der Seite der Eigentümer und derjenigen der Nutzer/Erwerber.

Die Publikation der Fondation IDEA ist stärker marktwirtschaftlich orientiert und unternimmt eine kritische Analyse der staatlichen Wohnungspolitik. Diese wird trotz eines beachtlichen, jahrzehntelangen Mitteleinsatzes als wenig effektiv bewertet. Folgt man dieser Analyse, scheint auch die absehbare Zukunft nicht besser, sondern eher schlechter zu werden. Die Diskrepanz zwischen wachsender Nachfrage und realistisch möglicher Wohnungsproduktion ist hoch bzw. wächst weiter. Ein nicht namentlich benannter Beitrag (der identisch ist mit Michel-Edouard Rubens Beitrag in der FRK-Publikation) verschafft einen datengestützten Überblick über das Sujet des Büchleins. Einer ersten Einordnung zur Wohnungsmarktentwicklung folgen die Analyse staatlicher Wohnungspolitik sowie zehn detaillierte Verbesserungsvorschläge vorwiegend fiskalischer Art. Ein zweiter Teil der Publikation enthält sechs kurze, durchweg pointierte Kommentare, die sich auf eher reflexive Weise verschiedenen Aspekten des Themas widmen, etwa dem politischen System, der urbanistischen Praxis oder dem Rechts- und Steuersystem.

Beiden Publikationen ist gemeinsam, dass sie das Wohnungsproblem als ausgesprochen schwerwiegend und mögliche Gegenmaßnahmen als dringlich ansehen. Was Richtung und Wirksamkeit solcher Strategien angeht, sind die Erwartungen verschieden: Das Spektrum reicht von „die Lösungen sind bekannt, man muss sie nur umsetzen“ bis hin zu „Krise war immer und wird auch weiterhin bleiben“, sei „Teil vom öffentlichen Diskurs wie die Klage übers Wetter …“. Beiden Positionen könnte man folgen; die vehemente Anklage des Problems als Skandal ist ebenso berechtigt, wie die nüchterne, leicht ironische Wendung dahingehend nachvollziehbar ist, dass das Problem im politischen Raum angesichts einer hiesigen Eigentumsquote von 70 % womöglich nur als Minderheitenproblem betrachtet wird.

Diese Lesart muss man sich bei allem Realitätssinn nicht zu eigen machen. Allerdings ist das Problem komplex, wird von vielen Stellgrößen und Rahmenbedingungen beeinflusst, und es dürfte massiv unter dem Eindruck eines Faktors stehen, der in beiden Bänden kaum thematisiert wird: der Eigenschaft Luxemburgs (seiner Hauptstadt insbesondere) als Sitz globaler unternehmensbezogener Dienstleistungen und im Besonderen des Finanzplatzes. Daraus resultiert erstens eine gewaltige Schieflage zwischen Wohnbevölkerung und Arbeitsplätzen, die sich künftig noch verschärfen könnte; zweitens geht dies einher mit einem unstillbaren Hunger nach Büroraum—und dieser steht, wenn auch nicht nach 1:1 Maßgaben von PAG und PAP, in mindestens mittelbarer Konkurrenz zum Wohnraum. Unter diesen Bedingungen ist das Wohnungsproblem, erst recht unter dem Banner eines kleinen Territoriums mit vielfältigen Ansprüchen auf die Fläche, in der Tat kaum lösbar.

Mögliche Folgeprodukte könnten weitere Lücken schließen helfen, die beide Publikationen aufweisen: So wird das Problem nur selten aus Sicht der akademischen Literatur behandelt, also in größere Zusammenhänge eingebettet. Auch sind die Bezüge zu den Problemen und Strategien anderer Städte nicht trivial, verdienen Vertiefung. Denn auch hier herrscht Komplexität, stoßen Vergleiche schnell an Grenzen. So nützt der Verweis auf den Wiener Wohnbau für das liberalistische Eldorado Luxemburg wenig; es gibt hierzulande keine politische Tradition, an die eine solche Praxis anknüpfen könnte, vom Willen zum strategischen Aufbau einer öffentlichen Bodenreserve ganz abgesehen. Schließlich ist die Seite der Promoteure und der Immobilienwirtschaft in beiden Bänden unterrepräsentiert. Man würde gerne wissen, ob sie über ihre wohlbekannte Haltung hinaus (bauen, bauen, bauen) konkrete, umsetzbare Vorschläge machen können, die nicht nur einer kleinen Schicht von Vermögenden dienen. Im Interesse der Leserschaft wären Kurzinformationen zu den Autorinnen und Autoren wünschenswert gewesen.

Unbeschadet dieser Monita gilt meine ausdrückliche Leseempfehlung für beide Bände. Es braucht ein stärkeres Bewusstsein für die Dramatik dieses Problems, und dazu sind Publikationen wie diese hier grundsätzlich sehr willkommen.


Markus Hesse ist Geograf und Raumplaner, tätig als Professor für Stadtforschung an der Universität Luxemburg. 


1 Fondation IDEA, La politique du logement. Entre bons motifs et gros montants!, unter der Leitung v. Muriel Buchet, Luxemburg, 2022.

2 Fondation Robert Krieps, La crise du Logement au Luxembourg et les moyens d’en sortir, unter der Leitung v. Max Leners / Marc Limpach, Luxemburg, 2022.

 

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