Wohnst du schon oder suchst du noch?

Über die Schwierigkeiten adäquat wohnen zu dürfen und den Versuch Lösungen zu finden

Das Angebot an günstigen Möbeln und Einrichtungsgegenständen (in Anlehnung an den ausgeliehenen und modifizierten Werbeslogan eines Möbeldiscounters) steht in keinem Verhältnis zum Angebot an erschwinglichem Wohnraum. Die allgemeine Nachfrage an Wohnraum übersteigt um ein Vielfaches das Angebot und die Vermieter bzw. die Agenturen können sich unter den zahlreichen Wohnungssuchenden jene aussuchen, die am solventesten sind. Also am liebsten jene mit mindestens zwei Gehältern aus Festanstellungen, deutlich jenseits vom sozialen Mindestlohn, vorzugsweise ohne Kinder und Haustiere. Irgendwie verständlich. Aber wo bleiben alle anderen, die diesen Kriterien nicht entsprechen?

Auf der Suche! Personen mit zeitlich begrenzten Arbeitsverträgen, Sozialmindestlohnempfänger, Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Alleinerziehende, Familien mit zahlreichen Kindern bleiben außen vor. Viele von ihnen wird es ins nahe Ausland verschlagen, wo die Mieten deutlich günstiger sind, wo sie jedoch früher oder später feststellen werden, dass die soziale Absicherung bei weitem nicht dieselbe Qualität aufweist wie in unserem Land.

Noch schwieriger wird es für Arbeitslosengeld-, RMG-Empfänger, Leute mit einer dunklen Hautfarbe, Migranten, Flüchtlinge. Kriterien, die zwar nicht offiziell so doch inoffiziell als Ausschlussmerkmale immer wieder auftauchen. Auch sie finden teilweise Lösungen für ihre Wohnungsnot, indem sie Wohnsituationen akzeptieren, die jenseits der erforderlichen Hygiene- und Sicherheitsstandards liegen, von den baulichen Vorschriften und der Energieeffizienz ganz zu schweigen. Während sich früher solche Situationen in der Regel in Wirtshäusern („Cafészëmmeren“) wiederfanden, haben sie sich als Folge der verstärkten Kontrollen der Gemeinden in den Privatbereich verlagert, wo eine systematische Überprüfung sich wesentlich schwieriger gestaltet. Die Schlafhändler bleiben kreativ.

Der Schwierigkeitsgrad steigert sich noch weiter für Personen mit eingeschränkter Mobilität oder einer Behinderung, für Personen mit psychiatrischen Problemen oder Abhängigkeitsproblemen, für Jugendliche oder junge Erwachsene in Notsituationen. Ohne die spezialisierte Hilfe und Begleitung einer Vielzahl von sozialen Einrichtungen, die sie bei der Wohnungssuche begleiten, wäre ihr sozialer Abstieg in der Regel vorprogrammiert.

Dass Menschen mit spezifischen Bedürfnissen auf besondere Hilfen bei der Wohnungssuche angewiesen sind, scheint verständlich. Wenn aber Familien, in denen ein oder beide Elternteile berufstätig sind und die bis dato noch nie auf Sozialhilfe angewiesen waren, auf dem „normalen“ Wohnungsmarkt ohne fremde Hilfe keine Wohnung finden, ist das mehr als bedenklich. Die erste Hürde, die sie zu überwinden haben, ist das Aufbringen einer Mietgarantie (caution locative) und der Agenturkosten, die sich bei einer Monatsmiete von 1000 € locker auf 3000 – 4000 € summieren können. Ein Betrag, den viele Familien nicht so ohne Weiteres auftreiben können. Den Antrag auf eine staatliche Mietgarantie können sich die meisten sowieso sparen, da sich der staatliche Berechnungsmodus jenseits aller realistischen Mietforderungen ansiedelt. Er setzt voraus, dass die Miete nicht ein Drittel des Nettoeinkommens des Haushalts übersteigen darf. Bei den aktuellen Mietpreisen sind jedoch bei bescheidenen Einkommenslagen, keine entsprechende Mietobjekte auf dem Wohnungsmarkt auszumachen. Das Problem ist längst bekannt, doch Abhilfe wurde noch keine geleistet. Ähnlich verhält es sich mit den Agenturkosten (sie entsprechen einer Monatsmiete plus Mehrwertsteuer), die zu hundert Prozent auf den Mieter abgewälzt werden. Wäre es nicht gerechter diese Kosten jeweils zur Hälfte auf Mieter und Vermieter zu verteilen, da ja beide Parteien von dieser Dienstleistung profitieren? Auch diese Argumentation stößt auf wenig Entgegenkommen. Bleibt noch der Mietzuschuss (subvention de loyer), den einkommensschwache Haushalte unter bestimmten Bedingungen beantragen können und der sich je nach Miete, Einkommen und Haushaltszusammensetzung zwischen 124 und maximal 300 € belaufen kann. Diese sinnvolle Unterstützung, die seit dem 1. Januar 2016 beantragt werden kann, hat leider nicht die erwartete Resonanz bei den geschätzten 19000 Haushalten gefunden, die dafür in Frage gekommen wären. Es mag viele Gründe dafür geben, einer davon ist mit Sicherheit der hohe administrative Aufwand, der mit dem Antrag einhergeht. Hinzu kommt das anscheinend hohe Ausmaß an Verwaltungsarbeiten, da die Antragsteller mehrere Monate auf eine Antwort warten müssen. Es besteht also auch hier Handlungsbedarf.

Angesichts dieser Tatsachen ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Wohnungssuchenden den Weg zum Sozialamt (Office social) antreten, um dort sowohl finanzielle Hilfen wie auch administrative Unterstützung zu beantragen. Das Vorfinanzieren der Mietgarantien und der Agenturkosten gehört zum Tagesgeschäft der Sozialämter genauso wie die Unterstützung beim Ausfüllen von administrativen Anträgen. Doch viele Kunden passen, wie schon bereits erwähnt, nicht in das Wunschprofil der Vermieter und sind deshalb darauf angewiesen, einen Antrag für eine Sozialwohnung einzureichen. Auch das ist Tagesgeschäft der Sozialämter und wohlwissend, dass auf den heute eingereichten Antrag bei dem einen oder anderen Träger in der Regel nicht vor drei oder mehr Jahren eine konkrete Zusage erfolgt, werden so viele Anträge wie möglich gestellt. Ein administrativer Aufwand ohne Gleichen. Zu diesem Punkt wurde seitens des Wohnungsbauministers bereits laut darüber nachgedacht, ob es nicht sinnvoll wäre, diese Anträge zu standardisieren und zu zentralisieren, um den administrativen Aufwand deutlich zu verringern und eine einheitliche, verlässliche Warteliste zu haben ohne doppelte und dreifache Eintragungen. Ja, bitte!

Diese Maßnahme wird jedoch den Kern des Problems nicht lösen: das massive Fehlen von bezahlbarem Wohnraum und von Sozialwohnungen. Die Situation ist seit Jahren bekannt, doch der politische Wille einhergehend mit einer echten Dynamik, der Situation Herr zu werden, hat lange Jahre auf sich warten lassen. Den Schätzungen nach werden nicht weniger als 10000 Sozialwohnungen unmittelbar benötigt, eine Herausforderung, die nur auf mittel- und langfristigen Lösungen aufbauen kann. Den beiden öffentlichen Bauträgern, Fonds du logement und Société nationale des habitations à bon marché wird dabei eine zentrale Rolle zukommen, wobei die Effizienz des erstgenannten immer wieder in Frage gestellt wurde. Der geplanten und vor kurzem angekündigten Reform beim „Fonds du Logement“ sollte man daher den erhofften Erfolg sehnlichst herbei wünschen. Zu wünschen bleibt auch, dass bei den geplanten Großprojekten den Aspekten der sozialen und kulturellen Vielfalt (mixité) Rechnung getragen wird.

Bis es soweit ist, wird jedoch noch eine Menge Zeit vergehen und die Wohnungssuchenden müssen sich den bis dato bestehenden Alternativen zuwenden. Großen Erfolg hat seit einigen Jahren die Agence immobilière sociale (AIS), die mit ihrem Modell der „mise à disposition“ leerstehenden Wohnraum an weniger zahlungskräftige Familien weitervermietet. Das Konzept ist denkbar einfach und durch die entstehenden Win-win-Situationen äußerst erfolgreich. Mit anderen Worten, die AIS mietet bei Privatbesitzern Wohnungen, die in der Regel bis dahin leer standen, bezahlt eine gemäßigte Miete und garantiert dem Eigentümer während der Dauer des Mietvertrages die regelmäßige Zahlung der Miete und die Instandhaltung der Wohnung. Sie stellt diese Wohnungen dann Wohnungssuchenden mit geringem Einkommen für einen sozialen Mietpreis für die Dauer von drei Jahre zur Verfügung. Auf diese Weise konnten mittlerweile über 300 Objekte weitervermietet werden, Tendenz steigend.

Das Modell hat mittlerweile Schule gemacht und auf Initiative von Gemeinden und Sozialämtern sind ähnliche Projekte auf verschiedenen lokalen oder regionalen Ebenen entstanden und weitere sind in der Planung. Vorteilhaft für diese Projekte ist die Entscheidung der Regierung, den Besitzern, die ihre Wohnungen an sozial orientierte Projekte vermieten, eine Steuerentlastung zu gewähren, die ihnen im Nachhinein praktisch keine finanziellen Nachteile mehr beschert.

Die Lösung des Wohnungsbauproblems bekommt mit der verstärkten Beteiligung der Kommunen eine neue Dynamik. Die Gemeinden können sowohl als Bauträger von Sozialwohnungen als auch durch das Zurverfügungstellen von günstigem Bauland via Erbpachtvertrag (bail emphytéotique) zur deutlichen Vergrößerung des Angebotes beitragen. Dabei sollten auf nationaler Ebene Mindestquoten festgelegt werden, die den Bau von Sozialwohnungen fördern, um zu erreichen, dass es zu einer gerechteren und flächendeckenden Verteilung von sozialem Wohnraum kommt.

Eine weitere Alternative ist die bessere Auslastung des bestehenden Wohnraumes, wie z.B. beim Modell des intergenerationellen Wohnens. Jung trifft auf alt, oder umgekehrt. In der Tat wohnen viele ältere Menschen allein in Einfamilienhäusern, in denen früher die ganze Familie gewohnt hat. Das führt teilweise zur Vereinsamung und Überforderung der Bewohner, die sich trotz allem nicht an den Gendanken gewöhnen können, ihr Haus aufzugeben und mit einem Zimmer im Alterswohnheim einzutauschen. Die Tatsache, dass mittlerweile drei Universitäten in unserem Land angesiedelt sind, die eine Vielzahl von Studenten auf der Suche nach billigem Wohnraum anlocken, sollte diesem Wohnmodell eigentlich entgegenspielen. Junge Menschen, die sich günstig bei Senioren einmieten, von deren Lebenserfahrung profitieren können und als Gegenleistung kleine Haushaltsarbeiten verrichten und als Gesprächspartner zur Verfügung stehen, das klingt nach Gewinnern auf beiden Seiten. Doch die Hemmschwelle bleibt groß und der Erfolg hält sich in Grenzen, nicht zuletzt wegen juristischer Unklarheiten im Rahmen des Mietvertrages. Mittlerweile haben sich jedoch einige Vereinigungen mit der Situation befasst und versuchen mit professioneller Begleitung dem Modell Aufschwung zu verleihen. Die Idee muss sich auch nicht zwingend auf Jugendliche beschränken, sondern kann auch andere Gruppen anvisieren z.B. Flüchtlinge.

Bei allen möglichen Alternativen, bleiben die Mietpreise dennoch hoch bzw. erhöht. Wenig bekannt und deshalb auch wenig aufgesucht werden die kommunalen Mietkommissionen (commissions des loyers). Sie können zwischen Vermieter und Mieter vermitteln und auch feststellen, ob der verlangte Mietpreis eventuell zu hoch oder zu niedrig ist. Die Festlegung der Miethöhe hat nach einem festgelegten Berechnungsmodus zu erfolgen, der gesetzlich verankert ist, genauso wie die Bedingungen für eine Mieterhöhung. Die meisten Mietkommissionen fristen ein Schattendasein, und es wäre wünschenswert, ihnen einen neuen Stellenwert als auch erweiterte Kompetenzen zuzugestehen, um auf kommunaler Ebene auch als Kontrollinstanz in Mietbelangen eigenständig eingreifen zu können.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Vieles möglich ist und noch sehr viel Luft nach oben besteht. Momentan ziehen die Mietpreise weiter an, und es wird wohl noch einiger Bemühungen bedürfen, um eine Kehrtwende zu erreichen. Diese können sich jedoch nicht exklusiv auf die Mietsituationen beschränken, da diese in direkter Beziehung mit den Kaufpreisen auf dem Wohnmarkt stehen. Maßnahmen auf diesem Gebiet sind zum Teil schon in Angriff genommen worden oder müssen erst noch die politische Rückendeckung bekommen wie z.B. das Baulückenprogramm, Energieeffizienz, die Bekämpfung der Baulandspekulation, die Besteuerung von leerstehendem Wohnraum, die Förderung alternativer Bau- und Erwerbsmodellen (siehe Wohnkooperativen, Mietkauf u.a.). Auch diese Pisten gehören ohne Zweifel zu den wesentlichen Teilen einer Lösungsstrategie.

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