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Zur Pressehilfereform
Was ist uns Journalismus wert?
Es sind Schreckensmeldungen, die die Presselandschaft derzeit erschüttern: Rund 70 Stellen beim Verlag Saint-Paul gekürzt, ein Viertel der entlassenen Mitarbeiter/innen entstammt den Redaktionen. Dass sich nach dem Verkauf der Bistumszeitung an den belgischen Medienkonzern Mediahuis etwas ändern würde, war ausgemachte Sache: Die Generaldirektion hatte angekündigt, die Digitalisierung voranzutreiben und Synergien zu suchen. Nur hatte sie „vergessen“, die Massenkündigungen zu erwähnen.
Was hinter den Kulissen abgelaufen ist, wer da wie verhandelt hat, wie viel in Luxemburg und was in Belgien entschieden wurde, wird in den nächsten Wochen deutlich werden. Eins scheint sicher: Die Krise der Printmedien wurde zwar durch das Coronavirus deutlich beschleunigt, aber die Pandemie ist nicht alleinige Ursache, siehe Journal, das ebenfalls einen Großteil der alten Belegschaft zum Jahresende gefeuert hat.
Zum einen ist das analoge Anzeigengeschäft „coronabedingt“ eingebrochen, und zwar stärker, als es durch die Abwanderung vieler Anzeigenkunden ins Online-Geschäft ohnehin schon gelitten hatte. Zum anderen konnten die Sonder-Corona-Beihilfen der Regierung diese Verluste aber nicht abfedern. Doch den Verlagen, großen wie kleinen, war auch schon vor der Pandemie bewusst, dass sich herkömmliche Geschäftsmodelle nicht mehr tragen, mit Folgen für die Medienvielfalt. Deshalb sollte die Pressehilfe überarbeitet werden.
Eine neue Presse- und Medienhilfe
Die Pressehilfe, das ist in der Vergangenheit die staatliche Bezuschussung der Printmedien gewesen, die nun mit einem einzigen Gesetz auf die Online-Medien ausgedehnt wird und künftig nicht mehr auf Grundlage der Auflage, sondern der Anzahl der in den Redaktionen angestellten Journalist/innen berechnet werden soll. Den Gesetzentwurf hatte Medienminister Xavier Bettel (DP) im Sommer hinterlegt, in der Hoffnung, ab 1. Januar 2021 die ersten Zuschüsse nach neuem Modus auszahlen zu können. Nicht nur die Zeitschiene erweist sich derweil als unrealistisch – auch dass die Pressehilfe die Zeitungskrise mildert, darf bezweifelt werden.
Der Medienminister will mit der Reform die Qualität des Journalismus fördern, indem künftig die personelle Stärke der Redaktionen ausschlaggebend für die Höhe der bewilligten Zahlungen wird. Nur solche Redaktionen und Verlage sollen förderungsberechtigt sein, die einen Weiterbildungsplan haben. In die inhaltliche Qualitätsbestimmung will sich Bettel nicht einmischen, die einzige Vorgabe ist die, dass die bezuschussten Medien Informationen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft für die Luxemburger Bevölkerung liefern sollen. Eine Kommission, die sich aus vom Medienminister (!) nominierten Vertreter/innen des Medien- und des Finanzministeriums, aus dem Regierungs-Informationsdienst, dem Presserat sowie der Zivilgesellschaft zusammensetzt, soll prüfen, ob ein Medium diese Kriterien erfüllt.
Mehr Glanz als Gold
Das klingt nicht schlecht, aber der Teufel steckt im Detail. Zum einen ist der Weiterbildungsplan der Verlage nicht verbindlich. Journalist/innen sollen Fortbildungen besuchen, um für den rasanten Wandel in der Branche, von AI bis Cross Media, gerüstet zu sein. Aber nirgends steht, dass Verlage den Weiterbildungsplan auch umsetzen müssen. So ist er weniger wert, als das Papier, auf dem er steht.
Parallel drängt die steigende Konkurrenz und der wirtschaftliche Druck Verlage dazu, Journalist/innen einzustellen, die nicht viel kosten (und ältere zu entlassen, siehe Wort und Journal). Der Zuschuss pro Journalist/in beträgt pauschal 30.000 Euro und nicht, wie im ersten Entwurf vorgesehen, 55.000. Das macht bei kleinen Medien locker ein Viertel mehr oder weniger an Subventionen aus.
Die zweite Bremse ist die eingebaute Deckelung. Von einer Haushaltsgrenze für die neue Hilfe wurde zwar aufgrund der Proteste von Verleger- und Journalistenseite abgesehen. Künftig sind pro Mediengruppe und Marke Maximalbeträge vorgesehen. Der Gesamtausgabenposten beläuft sich laut Entwurf auf geschätzte 10,2 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im aktuellen Regime sind es rund acht Millionen Euro für die Printmedien plus knapp zwei Millionen für die Online-Medien – aber: Da sind die neuerdings prinzipiell ebenfalls förderbaren Gratiszeitungen nicht miteingerechnet. Im Klartext: Der Kuchen wird kaum größer, aber die Hungrigen werden mehr.
Der Verlegerverband ALMI warnt, die Rechnung könne gar nicht aufgehen. Insbesondere kleinere Zeitungen arbeiten seit Jahren am Limit. Er schlägt nach Größe der Redaktionen gestaffelte Sätze vor, 55.000 Euro pro Kopf bei bis zu zehn Journalisten, 45.000 bei elf bis 20 usw. Bedenkt man, dass allein die Erhöhung der Essenszulage bei den Staatsbeamt/innen 2017 die Steuerzahlenden etwa 18 Millionen Euro gekostet hat, muten zehn Millionen Gesamtbudget für den vierten Pfeiler des demokratischen Rechtsstaats wie Peanuts an.
Die Krux der Eigenfinanzierung
Allerdings scheint nicht mal sicher, ob alle Medien, die bisher subventioniert wurden, auch in Zukunft in den Genuss kommen: Bettels Entwurf sieht eine Eigenfinanzierung von 50 Prozent vor. Medien müssen die Hälfte ihrer Kosten durch Abonnent/innen und Werbung selbst einbringen. Das ist grundsätzlich richtig, schließlich sollten solche Medien subventioniert werden, die gelesen werden. Aber die Verkäufe schrumpfen seit Jahren; insbesondere junge Menschen scheinen wegen Facebook, Instagram und auch Google tendenziell seltener bereit dazu zu sein, für Journalismus Geld auszugeben. Bisher haben die wenigsten Medien tragfähige Modelle entwickelt, wie sie jüngere Leser/innen gewinnen und an sich binden können.
Wenn zudem die Werbeeinnahmen weiter so stark schrumpfen und diejenigen aus dem Online-Geschäft nicht im selben Maße nachwachsen, drohen Defizite, die so substanziell sind, dass weitere Medien aufgeben müssen. Entscheidend wird in dem Kontext sein, ob der Staat seine Stellenanzeigen und Ausschreibungen weiter drucken lassen wird oder ob er sie, wie angekündigt, künftig nur noch online publiziert. Und was mit der ebenfalls staatlich subventionierten Zustellung geschieht, muss sich noch zeigen: Offenbar ist die Post dabei, ihr Zustellungssystem zu überdenken, mit finanziellen Mehrbelastungen für die kleinen Printmedien.
Das Dilemma staatlicher Mediensubvention
Mit der Corona-Wirtschaftskrise drohen sich diese Zwangslagen zuzuspitzen. Wenn die blau-rot-grüne Regierung ihre Äußerungen ernst meint, dass auf dem kleinen Luxemburger Markt weiter eine Vielzahl von Medien existieren soll, täte sie gut daran, Geld in die Hand zu nehmen. Wobei es so aussieht, als käme die Hilfe für einige Redaktionen eh zu spät. Eine üppig bezuschusste Medienlandschaft ist gleichwohl nicht ohne Risiko. Eine starke Demokratie zeichnet sich nicht nur durch eine echte Meinungs- und Medienvielfalt aus, sondern vor allem durch eine kritische und unabhängige Presse.
Je stärker jedoch das Überleben der Medien von Subventionen abhängt, umso reeller wird die Gefahr, dass ihre Unabhängigkeit verlorengeht. Zumal der Zuschuss direkt aus dem Haushalt des Medienministers (der zugleich Staatsminister ist) kommt und die letzte Entscheidung, ob ein Medium bezuschusst wird, beim ihm liegt. Auf diese Besonderheit der Luxemburger Pressehilfe angesprochen, beteuern Chefredakteur/innen und Verleger/innen gerne, ihre Inhalte und Redaktionen seien frei von staatlichem Einfluss. Aber in einer Zeit, in der anti-etatistische Verschwörungstheorien immer mehr Anhänger/innen finden und das Vertrauen in klassische Medien schrumpft, ist jeder Anschein von Staatskonformität Gift für den Journalismus und seine Glaubwürdigkeit.
Wer durch das Raster fällt
Die Journalistenvereinigung kritisiert diese direkte Abhängigkeit, gerade so wie sie vor den Folgen warnt, die der neue Bezahlmodus für den Journalismus in Luxemburg haben könnte: Im Rahmen der neuen Medienförderung anerkannt werden nur Berufsjournalist/innen, die eine Luxemburger Pressekarte besitzen und die fest angestellt sind. Was den begrüßenswerten Effekt haben könnte, dass Verleger Festanstellungen bevorzugen, bedeutet für selbstständige Journalist/innen und Freelancer/innen, dass ihre Attraktivität womöglich sinkt. Zumal der Presserat die Kriterien für den Erhalt der Pressekarte möglicherweise verschärft und das Statut der Berufsjournalist/innen überdenkt.
Was das für den Berufsstand und für die (gleiche) Wertschätzung journalistischer Arbeit, unabhängig von Statut und Einsatzbereich (Foto, Online…), bedeutet, ist noch nicht abzusehen. Zu befürchten ist, dass Verleger, mehr noch als bisher, Journalist/innen nach Kostengesichtspunkten betrachten – und eben nicht nach deren Ausbildung, Expertise und Kompetenzen. Damit wäre ein Kernargument für die Reform, die Förderung der journalistischen Qualität, ad absurdum geführt.
Ob es so kommen wird, steht in den Sternen. Das Gesetzgebungsverfahren ist erst angelaufen, die Gutachten der Verleger- und der Journalistenverbände liegen vor. Es ist anzunehmen, dass der Staatsrat noch das eine oder andere Haar in der Suppe finden wird: vielleicht bei den audiovisuellen Medien und dem Bürgerjournalismus, die im Entwurf ebenfalls genannt werden, ohne dass ihr Statut klar geregelt würde, sodass nicht nur Zeitungen, sondern zudem kleine Radiosender wie das Radio Ara in eine handfeste Krise zu rutschen drohen.
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