Der Overshoot Day für Luxemburg fällt dieses Jahr auf den 17. Februar. Er erinnert uns daran, dass wir die Ressourcen unserer Erde immer schneller verbrauchen und damit unsere eigene Lebensgrundlage gefährden. Seit 1970 wird dieser Tag immer früher angesetzt. Und seit den späten 1960er und frühen 1970er Jahren, also nach Wirtschaftswunder und Babyboom, sind auch in Spielfilmen übermäßiger Konsum, Umweltzerstörung, Treibhausgasemissionen, Artensterben und Klimaerhitzung thematisiert worden. Inzwischen sind Filme und Serien, wie zuletzt Extrapolations (Apple TV, 2023), in denen ökologische Katastrophen und ein damit einhergehender gesellschaftlicher Zusammenbruch vorhergesagt werden Legion. Ein kleiner (unvollständiger) Rückblick auf Ökodystopien im Kino.

Der Text basiert auf dem Vortrag von Steve Hoegener und Gilles Nowikow mit dem Titel Dystopien an Hoffnungsschimmer (16.12.2024) im Centre d’Arts Pluriels Ettelbrück (CAPE). Organisiert in Zusammenarbeit mit dem Zentrum fir politesch Bildung (ZpB) und dem Centre National de l’Audiovisuel (CNA). Die Konferenzreihe Film, Natur a Gesellschaft läuft noch bis Mai 2025.
2024 kam Twisters in die Kinos, der Nachfolger des Wirbelsturmspektakels Twister (Jan de Bont, 1996) – ja, genau, der Film mit der fliegenden Kuh! Da es sich um eine Fortsetzung handelte, musste irgendwie mehr geboten werden. Man verzichtete zum Glück auf mehr fliegende Kühe, versprach sich aber von einem Mehr an simultan auftretenden Windhosen einen Box-Office-Erfolg. Und so blasen dem Konsumenten gut zwei Stunden lang Spezialeffekte und eine sinnfreie Storyline um Augen und Ohren, die man schneller vergisst als man sein Popcorn verdaut. Obwohl im Film mal geraunt wird, dass man vorher nie solche Stürme gesehen habe, fällt auf, dass die Klimaerhitzung und ihr mögliches Potenzial, stärkere Stürme auch außerhalb der Tornadosaison und traditioneller Tornadogebiete zu provozieren, gänzlich ausgeschwiegen wird. Wenn die fliegende Kuh beim ersten Film in Erinnerung geblieben ist, ist das betonte Nicht-Erwähnen der Klimakrise – obwohl einige Filmfiguren als Experten und Forscher dargestellt werden – vielleicht das Bemerkenswerteste an diesem Film. Regisseur Lee Isaac Chung meinte dazu auf CNN: “I just don’t feel like films are meant to be message-oriented.” Ok, man kann den Standpunkt vertreten, Popcornkino habe nicht das Ziel engagiertes Kino zu sein, sondern zu unterhalten. Das Problem ist, dass man bekanntlich nicht nicht kommunizieren kann und Filme explizit oder implizit Werte und Weltbilder vermitteln oder verstärken. Es gibt immer eine Message. Und hier fühlt es sich so an, als ob man das konservative Backlash eines Teils des Publikums gefürchtet habe und die Filmemacher sich selbst in vorauseilendem Gehorsam zensiert hätten. In Zeiten des rechten Greenbashings erlebt man das nicht nur in Filmen, wirklich neu ist das aber nicht.

Schon als Roland Emmerichs Klimakatastrophenfilm The Day after Tomorrow 2004 erschien, verteilten Aktivisten in den USA Flugzettel in den Kinos mit dem Hinweis, dass das Abschmelzen des Polareises nicht nur Spektakel sei. Die Produktionsfirma distanzierte sich schnell von jeglichem Verdacht, der Film habe irgendeine seriöse umweltpolitische Message zu vermitteln. Die Vorstellung, der Film thematisiere ein ernsthaftes Problem, so die wohl nicht ganz unbegründete Befürchtung, halte die Menschen davon ab, ein Ticket zu kaufen. Nun, niemand mit gesundem Menschenverstand hätte sich bei einem Emmerich-Film tiefschürfende Gedanken erwartet. Und der Film hält, was ein Disaster-Movie verspricht: unterhaltsame Zerstörungsorgien mit einer Prise Pathos und Patriotismus. Immerhin hofften im Vorfeld einige Aktivisten und Forscher, dass der Blockbuster eine breitere gesellschaftliche Diskussion über die realen Konsequenzen einer Klimaerhitzung auslösen könnte. Letztlich muss man dem Film mehr Fiction als Science attestieren. Die dermaßen offensichtlich übertriebenen Bilder veranlassen das Publikum kaum dazu, über das wahre Problem und mögliche Lösungen nachzudenken. Bei einem anderen Emmerich-Film kommen Fragen rund um Klima und Umwelt (oder Ernsthaftigkeit!) dann gar nicht erst auf, obwohl es ein Naturkatastrophenfilm ist. In 2012 (2009) geht es um eine vorgeblich von den alten Mayas angekündigte Apokalypse, eine Pol-Verschiebung samt katastrophalem, weil plötzlichen Kontinentaldrift. Das Drehbuch ist zusammengeschustert aus pseudo-ethnologischer Esoterik, Verschwörungserzählungen, unwissenschaftlicher Atlantisforschung und längst widerlegten Theorien zur Bewegung der Kontinente. Dies tat der voyeuristischen Lust am inszenierten Weltuntergang und dem weltweiten Box-Office-Erfolg keinen Abbruch. Mit den religiösen Vorstellungen der Mayas und mit Wissenschaft hat der Plot so wenig zu tun, dass die Mayas sich öffentlich beschwerten. Die NASA hat den Film als den unsinnigsten SF-Film ausgezeichnet, der je gemacht wurde.
Ab wann tauchen Umweltfragen im Film auf?
Das Interesse an Filmen mit Umwelt- oder Klimathematik wächst ab den späten 1960er Jahren. Um etwas Kontext zu liefern: 1968 erscheint der alarmistische Sachbuch-Bestseller The Population Bomb, der ein Massensterben und den Kollaps der Zivilisation innerhalb eines Jahrzehnts voraussagt, falls die Regierungen der Welt die Überbevölkerung nicht durch dezidierte und radikale Lösungen (z. B. Steuern auf Kinder, Zwangssterilisierungen) angehen. Der umstrittene Autor Paul Ehrlich wird medial gehypter Wortführer einer weltweiten Bewegung: Zero Population Growth. 1971 wird Greenpeace gegründet. 1972 erscheint der Bericht Les limites de la croissance des Club of Rome, der nachdrücklich auf die Endlichkeit unserer Ressourcen hinweist. Im gleichen Jahr findet in Stockholm die UN-Konferenz über die Umwelt des Menschen statt, die als Beginn einer globalen Umweltpolitik gilt. Filmisch sind es Ende der 1960er Dokus, die sich mit Umweltproblemen beschäftigen.
Bei dystopischen Spielfilmen mit ökologischem Einschlag sticht in jener Zeit das britische B-Movie No Blade of Grass (Cornel Wilde, 1970) als sehenswert heraus. In diesem kultig-trashigen Film bricht in unmittelbarer Zukunft aufgrund der Überbevölkerung und der Auswüchse einer industriellen, auf Konsum ausgerichteten Zivilisation ein Virus aus, das weltweit Ernten zerstört. Die Regierungen reagieren mit dem Bombardement von urbanen Zentren, um die Bevölkerung drastisch zu reduzieren. Kommen diese Nachrichten anfangs noch aus China, beginnen dann aber auch in Großbritannien bürgerkriegsähnliche Zustände auszubrechen. Nachdem die Protagonisten aus London flüchten, hören sie im Radio, dass RAF-Kampfjets nun auch die eigenen Bürger in Großstädten aufs Korn nehmen. Der Film liefert damals schon alle Bilder, die für uns heute als Signal für Umweltprobleme gelten. Selbst der Klimawandel und das Abschmelzen der Pole werden bereits thematisiert. Das Ende weist explizit darauf hin, dass der Film jenseits seiner trashig-blutigen Survival Story eine ökologische Message verbreiten will. Das dystopische Geschehen soll dem Kinopublikum einen Spiegel vorhalten.
Weiter in der Zukunft spielt die Geschichte von Silent Running (Douglas Trumbull, 1972). Thema ist die massive Umweltzerstörung auf der Erde. Um die Wälder zu retten, haben die USA riesige Weltraum-Archen gebaut, in denen die letzten Baumexemplare von Botanikern und Technikern gehütet werden, um eines Tages als Keimzelle für zukünftige neue Waldflächen zu dienen. Hauptfigur ist ein idealistischer, einsiedlerisch lebender Botaniker, der vom Aussehen, von seinem zölibatären Dasein und seiner Beziehung zu allem Lebenden her an Franz von Assisi erinnert. Gleichzeitig könnte er als Vorbild für George Lucas esoterisch angehauchte Jedis von 1977 gedient haben. Er spricht sogar mit empfindungsfähigen Robotern.
Zwischen dem Botaniker-Mönch und seinen menschlichen Arbeitskollegen hat jedoch eine Entfremdung stattgefunden, die die Entfremdung der Erdenbewohner von der Natur spiegelt. Genau wie die US-Regierung sehen sie keinen Sinn mehr in der kostspieligen Mission. Die Techniker, die wie Hinterwäldler wirken, sind zufrieden mit ihrem synthetisch hergestellten Essen, verlachen echtes Obst und Gemüse als stinkenden Dreck und den gewissenhaften Waldhüter als realitätsfernen Freak und sentimentalen tree hugger. Während er beweint, dass die Kinder auf der Erde keine Pflanzen mehr kennen und dort alles grau und uniform sei, nutzen die anderen die gepflegten Gemüsegärten, um mit Quads Rennen zu veranstalten. Bemerkenswert bei dieser Filmidee ist, dass die Zerstörung der Ökosysteme auf der Erde keinen endzeitlichen Effekt auf die Zivilisation hat. Es ist zwar überall gleich warm, aber es wird nicht als Problem wahrgenommen. Es gibt auch keine Krankheiten mehr und keine Arbeitslosigkeit. Dieses ökonomische Argument ist für die Techniker das gewichtigste; es sind dann auch rein pekuniäre Erwägungen, die machen, dass von der Erde der Befehl kommt, die teure Waldrettungsmaßnahme mit Atomsprengköpfen zu beenden. Eine radikale (und wohl symbolische) Lösung, da man die Schiffe auch ganz einfach verlassen könnte.
Bezeichnend ist, dass der Botaniker schließlich die Mission, den letzten verbliebenen Wald zu betreuen, an die intelligenten Roboter überträgt. Der Outdoor Life Conservation Pledge spielt im Film eine prominente Rolle. Der Schwur, der in den USA seit 1946 existiert, interpretiert die Hauptfigur dahingehend, dass nur der ein echter Amerikaner ist, der die Natur schützt. Die Menschheit ist ohne Kontakt zur Natur jedoch dermaßen abgestumpft, dass sie keinen Wert mehr darin sieht.
Gleich zwei andere SF-Filme setzen sich mit Überbevölkerung auseinander: ZPG (Michael Campus, 1972) und Soylent Green (Richard Fleischer, 1973). Letzterer ist ein Klassiker des dystopischen Genres und man spoilert wohl kaum noch, wenn man darauf hinweist, dass die Menschen in diesem Zukunftsszenario dermaßen an den Grenzen ihrer Ressourcen angelangt sind, dass sie die Verstorbenen kannibalisieren – wenn auch unwissend und in stark industriell verarbeiteter Form.

ZPG, ein Kürzel für das oben erwähnte Zero Population Growth, versucht sich eine Zukunft vorzustellen, die nach den Prinzipien dieser Bewegung zu funktionieren versucht. Der Film ist heute wohl größtenteils und zu Recht vergessen, denn er ist weder von der Story her noch kinematographisch überzeugend, er wartet trotzdem mit einigen guten (oder skurrilen) Einfällen auf. In einem futuristischen urbanen Setting unter Dauersmog angesiedelt, wird den mit Atemmasken ausgestatteten Menschenmassen von einer Weltregierung mitgeteilt, dass das Kinderkriegen fortan verboten ist, damit die Natur und die Ressourcen sich erholen können. Als emotionale Stütze können junge Paare sich eine Roboterpuppe kaufen, ein Ersatz-Kind, das geradewegs aus einem Horrorfilm entlaufen scheint. Die Story folgt dann zwei Paaren, die trotzdem ihren Kinderwunsch erfüllen wollen. Zu den interessanteren Szenen in diesem doch langatmigen Film gehört jene, in der ein Museumbesuch zeigt, wie die Gesellschaft vor der ökologischen Katastrophe funktionierte. Den mit Rationierungen lebenden Bürgern wird dort gezeigt, wie ihre Vorfahren die Ressourcen der Erde verprassten. Man bekommt vorgeführt, wie ein Auto betankt wurde oder dass die Menschen früher in Supermärkten alles mögliche kaufen konnten und mit Flugzeugen verreisten. Und vor allem, dass sie hemmungslos, drei Mal am Tag und sogar in größeren Gesellschaften fraßen: Berge von Fleisch. Die Bilder sind mit belehrendem Kommentar versehen und mit Grunz- und Rülpsgeräuschen unterlegt.
Essgewohnheiten als zentraler Bestandteil des Zusammenlebens und als Identitätsmarker werden in zahlreichen dystopischen Filmen prominent thematisiert. Nach dem Motto: Man ist, was man isst. Ein Gespräch im Cyberpunk-Film Matrix (die Wachowskis, 1999), in dem es um den Geschmack von Hühnchen geht, erinnert an das Streitgespräch ums Essen in Silent Running. Wenn ich Hühnchen nur aus der Matrix kenne und die Matrix von Maschinenwesen regiert wird, woher weiß ich dann, dass ich überhaupt etwas esse, das wie Hühnchen schmeckt? Und wenn ich es mir in der Matrix gut eingerichtet habe, muss ich dann wissen wollen, wie echtes Hühnchen schmeckt?
Neue Themen im Vordergrund
In dystopischen Filmen spielt Überbevölkerung in den Jahrzehnten danach und bis heute eigentlich nur noch eine untergeordnete Rolle. Die frühen Filme sind zu einem Zeitpunkt entstanden, als das weltweite Bevölkerungswachstum einen Höhepunkt erreicht hatte (ca. 1969-1970) und einige Wissenschaftler, wie der prominente Paul Ehrlich, von einer exponentiell ansteigenden Erdbevölkerungskurve ausgingen. Man kann ihm anrechnen, dass er das Problem der finiten Ressourcen popularisiert und in Gesellschaft und Politik hineingetragen hat. Die von ihm vorhergesagten Hungerkatastrophen traten allerdings nie ein. Auch die Weltbevölkerung entwickelte sich aus diversen Gründen, wie Fortschritte bei der Bekämpfung der extremen Armut und der Kindersterblichkeit, bessere Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, mehr Frauenrechte und besserer Zugang zu Verhütungsmitteln nicht in diese Richtung. Das Nicht-Eintreten der vorhergesagten Bevölkerungskatastrophe mag erklären, wieso andere Themen, wie Umweltverschmutzung, Klimaerhitzung und Artensterben in den Vordergrund rücken. Terminator (James Cameron 1984) oder Mad Max (George Miller 1979) spielen auch in einer Zukunft mit zerstörten Ökosystemen, aber man kann sie hier ausklammern. Sie spiegeln die damalige Angst vor einem atomaren Weltenbrand wider.

Eine der erfolgreichsten Kampagnen der globalen Zivilgesellschaft in den 1970er und 80er Jahren richtete sich gegen das Artensterben, spezifisch gegen den kommerziellen Walfang. Auf dieser Save-the-Wales-Welle reitet Star Trek IV: The Voyage Home (1986) unter der Regie von Spock-Darsteller Leonard Nimoy.[1] Er wollte einen Zeitreisefilm ohne Bösewichte, ohne Gewalt und explodierende Photonentorpedos und verfiel nach der Lektüre eines Buches über das Artensterben der Idee, dass die Crew der Enterprise ein Problem in ihrer Gegenwart (22. Jahrhundert) nur beheben kann, indem sie ein Problem in der Vergangenheit löst. Nimoy hegte den Wunsch, das Publikum zu unterhalten, zum Lachen zu bringen und ihm dabei en passant ein paar Gedanken zum Umgang der Menschen mit Fauna und Flora mit auf den Weg zu geben. Im Film wird die Erde durch eine fremde Sonde bedroht, die scheinbar Kontakt aufnehmen will. Es braucht dann Spock, um auf den Gedanken zu kommen, dass die Sonde nicht unbedingt mit den Menschen, sondern mit anderen intelligenten Wesen kommunizieren möchte – nämlich mit Buckelwalen. Da diese jedoch ausgerottet wurden, muss die Crew der Enterprise ins San Francisco des Jahres 1985 reisen, um lebende Exemplare zurück in die Zukunft zu transportieren. Dies gelingt ihnen auch und die Wale landen samt einer Walforscherin, die sich in Captain Kirk verliebt hat, im 22. Jahrhundert. Für den Scriptwriter Nicholas Meyer war dieses von der Produktionsfirma aufgedrängte Happy End jedoch unbefriedigend. Es lenke davon ab, meinte er, wie wichtig es ist, dass die Menschen heute die Verantwortung für die Ökologie übernehmen und die Probleme der Zukunft verhindern, indem sie selbst jetzt etwas tun, anstatt den fantastischen Wunsch zu befriedigen, in eine fast utopische Zukunft reisen zu können.
Dass Druck aus der Zivilgesellschaft Einfluss auf Politik und Wirtschaft nehmen kann, erwies sich dann, als im Erscheinungsjahr des Films der industrielle Walfang durch die International Waling Comission (IWC) verboten wurde. Die Save-the-Wales-Kampagne war so beliebt, dass The Voyage Home sogar als erster Star Trek-Film überhaupt in der damaligen Sowjetunion gezeigt werden durfte, um das Moratorium der IWC zu feiern.
Allerdings bleibt dieser Star Trek-Film einer der wenigen Hoffnungsschimmer, weil in dieser utopischen Zukunft aktiv versucht wird, ein Problem anzugehen. In den meisten anderen Filmen erleiden die Protagonisten die Katastrophe oder erliegen deren Konsequenzen.
In Waterworld (Kevin Reynolds, 1995) wird uns eine Welt gezeigt, in der die Polkappen schon lange geschmolzen sind. Die Anfangsszene gilt als ein gelungenes Beispiel von visual storytelling.
So, wie uns die von Kevin Costner gespielte Hauptfigur in ihrer Umwelt gezeigt wird, braucht es keinerlei Worte, um die existenzielle Bedrohung der gesamten Menschheit zu verstehen. Ähnlich wie in The Day after Tomorrow wird übertrieben, wenn das Abschmelzen der Polarkappen gezeigt wird. In dem Fall würden riesige, stark besiedelte Küstengebiete auf allen Kontinenten im Meer verschwinden und Millionen von Menschen zur Flucht gezwungen werden. Das Ausmaß an Konsequenzen für Umwelt, Gesellschaften und Staaten wäre wohl schier unüberschaubar. Die Erde würde aber nicht so aussehen, wie im Film dargestellt. In Waterworld teilt sich die Restmenschheit in Drifter (Seefahrer), Menschen, die auf befestigten Atollen leben und Duster. Diese Antagonisten könnte man salopp als Ewiggestrige beschreiben, die an den letzten Ölreserven festhalten, die sie benötigen, um ihre luftverschmutzenden Fortbewegungsmittel am Laufen zu halten und der Piraterie nachzugehen. Ihr Lebensstil wird durch Öl ermöglicht und in ihrem Hauptquartier frönen sie dem hemmungslosen Konsum der letzten Produkte einer untergegangenen Zivilisation. Bezeichnenderweise befindet sich das Hauptquartier dieser gierigen Piratengesellschaft auf dem Öltanker Exxon Valdez. Dieses amerikanische Schiff lief 1989 vor Alaska auf Grund und löste eine der größten Umweltkatastrophen der Seefahrt aus. Hier eine ökologische Message herauszulesen, bietet sich geradezu an.
Und auch Emmerichs oben erwähnter The Day after Tomorrow bietet eine politische Message. Am augenfälligsten ist das, wenn der Paläoklimatologe Jack Hall (Dennis Quaid) versucht die internationale Politik vor den Gefahren der Klimaerhitzung zu warnen. Die Politiker sehen die Dringlichkeit nicht, glauben der Wissenschaft nicht, halten Maßnahmen für zu kostspielig oder haben schlicht andere Prioritäten. Kurz: trotz aller Warnungen, bewegt sich politisch nichts.
Um mit den Politikern im Film fair zu sein: Die Klimakatastrophe ereignet sich dann so plötzlich und so allumfassend, dass wohl eh keine Maßnahme mehr gegriffen hätte. Ganz Kanada, ganz Europa, der Norden der USA und Russlands vereisen mittels arktischer Superstürme in Rekordgeschwindigkeit. Bei Emmerich ist dies eine Konsequenz des Zusammenbruchs der atlantischen Umwälzzirkulation. Das Klimawandelszenario, das der Film durchspielt, ist wissenschaftlich nicht haltbar. Und die Kritik an der Zögerlichkeit der politisch Verantwortlichen ist so überdeutlich, dass sie fast wieder karikatural wirkt … oder populistisch, nach dem Prinzip: Alle Politiker sind blind und inkompetent und Zauderer.
Lichtblicke?
The Day after Tomorrow endet trotzdem auf einer seltsam positiven Note. Die Hauptfiguren überleben (samt einem Hund!) den Eissturm in New York. Sie retten sogar noch eine Luther-Bibel. Die US-Regierung hat sich – Ironie des Schicksals – nach Mexiko-City geflüchtet und schickt massiv Rettungshelikopter in den Norden. Und der US-Präsident hält in einer Art Churchill-Moment eine Motivationsrede. Millionen Menschen sind gestorben und die Astronauten auf der ISS schauen auf die Erde hinunter und meinen, dass sie lange nicht mehr so sauber ausgesehen habe … Irgendwie gibt es da eine Diskrepanz. Irgendwie scheint suggeriert zu werden, dass die Menschheit so eine Katastrophe braucht, um geläutert daraus hervorzugehen. Die Katastrophe scheint unvermeidbar, politisches Handeln im Vorfeld wirkungslos. Der Film hat zwar ein Happy End, Blockbuster-Regeln verpflichten ja quasi dazu, aber so richtig durchdacht scheint das nicht zu sein. Der Überlebenskampf der Menschheit beginnt ja eigentlich erst. Und die politischen Konsequenzen? Der Katastrophe einen positiven Anstrich zu geben, fühlt sich nach Eskapismus an, der im Popcornkino halt ganz legitim ist. Ein Lichtblick ist es nicht. Ein Call-to-action auch nicht. Andere filmische Ökodystopien bieten kaum akzeptable Lösungen oder wünschenswerte Zukünfte an. Das liegt an der Natur des Genres: mit Dystopien will man mit Hilfe eines düsteren Zukunftsbildes auf bedenkliche Entwicklungen hinweisen. In Silent Running überlebt die Natur nur auf einem Raumkreuzer, der ins All abdriftet. In Waterworld gibt es zwar eine Art offenes Happy End, aber halt nur für eine Handvoll Menschen, die den Gipfel des Everest als tropisches Inselparadies vorfinden. In Logan’s Run (Michael Anderson, 1976) überlebt die Menschheit unterirdisch in einer computergesteuerten Diktatur, die Menschen nach ihrem 30. Geburtstag tötet und recycelt. Im rezenteren Interstellar (Christopher Nolan, 2014) muss die Menschheit den ausgelaugten Planeten Erde schließlich verlassen. „Mankind was born on Earth. It was never meant to die here“, heißt es dort. Klingt hoffnungsvoll. Dem Zitat könnte man die Aussage des Drehbuchautors von Star Trek IV entgegenhalten, nämlich dass es sinnlos ist, dem Publikum den „fantastischen Wunsch zu befriedigen, in eine fast utopische Zukunft reisen zu können“. Vielleicht bringen es Plakate von Jugendlichen bei Klimademos auf den Punkt: There is no planet B.
[1] In der Star Trek-Serie widmete sich bereits 1968 die Episode „The Mark of Gideon“ dem Thema Überbevölkerung. Es gibt so viele Humanoide auf dem Planeten Gideon, dass das ehemals grüne Paradies zerstört ist.
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