Luxfilmfest 4 – „The Return“ von Uberto Pasolini

Der italienische Regisseur Uberto Pasolini wartet in The Return (Carte blanche BGL BNP Paribas) mit einem Update der Odyssee auf. Der Film, der im Herbst/Winter 2025 anlaufen soll, wurde mit Spannung erwartet, nicht zuletzt wegen Juliette Binoche und Ralph Fiennes, die schon einmal in The English Patient (1996) in einer Geschichte um Krieg, Liebe und Rückkehr glänzten.

(c) The Searchers

Am Anfang von Uberto Pasolinis The Return wird ein Schiffbrüchiger nackt an einer Küste angespült. Fast zwangsläufig denkt man an das Drama der Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge, das sich seit Jahren im Mittelmeer und an den Küsten Südeuropas abspielt. Doch der Mann ist Odysseus (Ralph Fiennes), die Zeit das mythische Zeitalter der Heroen aus Homers Odyssee. Nach 20 Jahren Krieg vor Troja und einer Irrfahrt durch den Mittelmeerraum ist der König von Ithaka zurückgekehrt. Aber die Insel hat sich verändert, seit Odysseus in den Trojanischen Krieg gezogen ist. Und er hat sich verändert. Dermaßen, dass selbst diejenigen Untertanen, die ihm die Treue halten, ihn nicht wiedererkennen. Fast wirkt es dann wie ein augenzwinkernder Bezug zum Heute, wenn die Hirten sich fragen, weshalb sie einen Fremden in ihrer Heimat willkommen heißen und ihm zu essen geben sollten. Zudem drohe ihnen Strafe, wenn man das im Palast erfahre.

Dort freit eine Horde Adliger, deren Charakterzüge zusammengenommen eine mustergültige Definition von “toxischer Männlichkeit” abgeben würde, um Königin Penelope (Juliette Binoche). Man kann auch sagen, sie belagern sie. Ihr Wert reduziert sich in den Augen der Freier auf ihren Besitz. Sie wollen die Witwe heiraten/erobern, um sich das Königreich Ithaka anzueignen. In der Zwischenzeit verprassen sie den Reichtum der Königin und ziehen plündernd, vergewaltigend und genauso sinnlos wie beiläufig mordend um die Insel.

(c) The Searchers

Penelope hält sich die mal schleimigen, mal aggressiven Schmarotzer vom Leibe, indem sie behauptet, erst ein Totentuch für den alten König, Odysseus’ Vater, weben zu müssen. In der Nacht löst sie die roten Fäden dann wieder, weil sie immer noch an die Rückkehr ihres Mannes glaubt… oder vielleicht, wie sie später selbst einmal ironisch andeutet, weil sie die in ihrem Palast versammelten, selbstherrlichen Exemplare Männlichkeit als armselig und unter ihrer Würde ansieht. Eine Ausnahme bildet vielleicht Antinoos (Marwan Kenzari), der in Penelope verliebt zu sein scheint und sie tatsächlich um ihretwillen heiraten will. Bei Homer gilt er als einer der aggressivsten und eingebildetsten Freier. Im Film weiß Kenzari seiner Figur eine gewisse Zweideutigkeit zu verleihen, die mal Empathie und echte Gefühle zu zeigen scheint, mal droht, mal im Hintergrund intrigiert, indem er z.B. Odysseus Sohn Telemachos zu schützen verspricht, falls er für ihn bei Penelope interveniere. Eigentlich aber fühlt Antinoos sich gefangen und von Todesahnungen heimgesucht auf dieser Insel und in dieser stagnierenden Nicht-Beziehung zu Penelope. Diese ist um so frustrierender, als eine gewisse gegenseitige Anziehung zu bestehen scheint. Ob dem so ist, bleibt aber in der Schwebe und ihre Beziehung wird auch zweideutig von Pasolini inszeniert. Nachts streift Penelope durch den Palast, sieht die Freier (auch Antinoos), die mit den Sklavinnen ins Bett steigen und man weiß nicht: Ist die Königin angeekelt von ihrem Verhalten oder sehnt sie sich selbst nach einem Bettgefährten.

Denn auch Penelope, das wird klar, fühlt sich im Palast und in ihrer Rolle gefangen. Die Männer Ithakas seien mit Odysseus in die Fremde gezogen, sagt sie, um Krieg zu führen… und ebenfalls zu plündern und zu vergewaltigen, halt nur woanders. Sie aber habe die Wahl zwischen zwei Rollen, sagt sie: Treu wartende und keusche Königin oder Hure. Der Begriff wird ihr dann auch mehrmals an den Kopf geworfen, sogar vom sonst schwächlich auftretenden Telemachos, als dieser denkt, seine Mutter habe eine Affaire mit Antinoos.

Odysseus indessen traut sich zunächst gar nicht in seinen Palast zurück. Er versteckt sich bei den Hirten und ist von Selbstzweifeln und Gewissensbissen zerfressen, gefangen im Krieg, der ihn zur Legende machte. Ralph Fiennes spielt ihn mit abwesendem, in die Vergangenheit gerichtetem Blick. Die epischen Geschichten um die Helden von Troja, die man sich am Lagerfeuer erzählt, relativiert er oder streitet sie gar ganz ab. Und wenn die Männer erzählen, Odysseus habe Troja für sie erobert und den Krieg für sie gewonnen, ist in seinem Blick nur Verständnislosigkeit zu erkennen. Was ist gewonnen? Was erobert? Und wer hat was davon? Troja ist abgebrannt, die Bevölkerung massakriert oder versklavt und auch die meisten griechischen Helden sind tot. Und was soll er den Witwen und Kindern auf Ithaka erzählen, wenn er als alleiniger Heimkehrer vor ihnen steht. Sie werden mich hassen, denkt er. Odysseus ist zwar aus dem Krieg zurück, den Weg zurück ins Leben findet er aber nicht.

(c) The Searchers

Der italienische Regisseur Pasolini versucht die literarische Vorlage upzudaten, ohne sie allzu sehr umzuschreiben. Sein Film unterscheidet sich von bisherigen Verfilmungen des Stoffes dadurch, dass das Element des Abenteuers ausgeklammert wird. Wir sehen kein trojanisches Pferd, keine lockenden, männerfressenden Sirenen, keine Seeungeheuer. Wir sehen nicht den gerissenen Helden, sondern den gebrochenen Heimkehrer. Nahezu alle Episoden dieser Rückkehr tauchen im Film auf. Der Tod des greisen Vaters, der Tod des treuen Jagdhundes, der als erster Odysseus wiedererkennt, Penelopes Tricks und schließlich natürlich die blutige Rache des Helden an den arroganten Prinzen. Dieser Moment bietet sich als Höhepunkt des Filmes an, irgendwie ersehnt man ihn als Zuschauer sogar fast, weil die Freier so verachtenswert sind. Erst die Bedrohung seines Sohnes durch die machtgierigen Freier zwingt Odysseus dazu, heimzukehren und gewaltsam aufzuräumen. Am Ende ist Penelope dann auch entsetzt über die Ereignisse. Sie wirft ihrem Mann vor, den Palast in ein Schlachthaus verwandelt zu haben. Wie John Rambo bringt er den Krieg, aus dem er zurückgekehrt ist mit nach Hause. Der Freier Antinoos ergibt sich in sein Schicksal, stellt Penelope aber die pertinente Frage: Sieht so die Liebe aus, auf die du so lange gewartet hast? Der Kampf wirkt wegen seiner Unausweichlichkeit dann auch eher tragisch. Pasolini lässt ihn nicht in einer dieser barock anmutenden Blutorgien à la Tarantino oder Zack Snyder (300) ausarten, die Gewalt im Film ästhetisieren. Das würde nicht zu diesem traumatisierten Odysseus passen, der eigentlich nichts mehr von Blutvergießen wissen will.

Insgesamt besticht der Film durch Zurückhaltung, erzählerisch wie visuell. Er konzentriert sich auf die Charaktere von Odysseus, Penelope und Antinoos. Es gibt keine unrealistisch großen CGI-Schlachten wie in Troy (2004), nicht einmal Rückblenden in den Trojanischen Krieg (außer in Dialogen). Es gibt auch keine (erkennbaren) Spezialeffekte, was Landschaft und Kulissen anbelangt. Der Palast ist eine alte, düstere Festung. Die Landschaften sind griechisch-mediterran, nicht ins Epische gesteigerte heroisch-romantische Fantasylandschaften, wie man sie aus 300 (2006) oder anderen Neuauflagen von Sandalenfilmen kennt.

The Return ist erkennbar keine big budget Hollywood-Verfilmung des homerischen Epos. Es ist ein solider Film, der dazu anregt, mittels Mythen über die Beziehungen zwischen den Geschlechtern sowie über die grundlegende Natur des Krieges nachzudenken.

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