Ab in den Container

Wie sinnvoll sind Kleiderspenden?

Eine rote Jacke, ein Kinderrock, eine alte Gardine, zwei Paar Jeans, eine kaum getragene Bluse, ein zu klein gewordener Anzug … die Kleiderspenden sind so vielfältig wie der Inhalt der Kleiderschränke. Wer seine Textilien in einen Kleidercontainer wirft um ihnen ein zweites Leben zu schenken, denkt wohl meist, dass die Spenden sicher bald einen neuen Besitzer finden. Dass dabei aber unterwegs ordentlich Profit mit den alten Kleidern gemacht werden soll, das ahnen die Wenigsten. Gebrauchte Kleidung ist zum globalen Wirtschaftsgut geworden. Denn auch wenn größtenteils gemeinnützige Organisationen die Kleider in Mitteleuropa einsammeln, so sind es doch Privatunternehmen, die diese sortieren und gut verpackt zum Kilopreis auf ihre nächste Reise schicken. Beklagt wird unter anderem die mangelnde Transparenz der Container- und Tütensammlungen. An kaum einem Altkleidercontainer werden Informationen bezüglich des weiteren Verbleibs der Kleidung angebracht. Oft wird zwar ersichtlich, dass es sich um einen gemeinnützigen Verein handelt, wie zum Beispiel das Kolpingwerk, welches auch in Luxemburg aktiv ist. Doch wo die Kleider anschließend hinkommen, lässt sich meist nur durch eine mühsame Recherche eruieren. Eine Telefonnummer oder ein Logo einer karitativen Einrichtung ist zwar Standard, kann aber auch in die Irre führen, zumal die meisten Spender sich nicht bewusst sind, dass ihre Kleidung durch viele Hände gehen wird und zu unterschiedlichen Preisen weiterverkauft werden wird.

In Deutschland wird geschätzt, dass rund ein Drittel der Container illegall aufgestellt wird. Gängig ist außerdem das „Mieten von Logos“. Obschon auf karitative Einrichtungen hingewiesen wird, werden die Kleiderspenden von Unternehmen abgeholt, die wiederum nur eine Pauschale an die Organisationen zahlen.1 Auch in Luxemburg wurden bereits solche illegalen Container aufgestellt; im vergangenen Sommer beispielsweise in der Gegend um Grevenmacher. Der Direktor der „Jongenheem asbl“ Charles Meyers bedauert die große Konkurrenz, die im Altkleiderbereich entstanden ist. Die Kollekte der Kleidung ermöglichte es bisher dem „Jongenheem“ jungen Menschen eine berufliche Prespektive zu bieten — durch die zunehmende gewerbliche Konkurrenz sehen sich solche Initiativen jedoch in Gefahr. Meist werden nicht gekennzeichnete Container auf gewerblichen Flächen aufgestellt, Flächen, die keinem bestimmten Mieter oder Besitzer zuzuordnen sind. Oft wird auch durch das Anbringen von Symbolen, wie etwa einem roten Kreuz, der karititative Zweck vorgetäuscht.

Auch Initiativen von Gemeinden stellen eine Konkurrenz zum karitativen Altkleidermarkt dar. Im Osten hat das „Syndicat Intercommunale Sica“ einer niederländischen Firma den Auftrag für Plastiksortiercontainer gegeben. Die Bedingung der Firma, auch ein gewerbliches Altkleiderfach zu integrieren, konkurriert wiederum mit den karitativen Kollekten. Inzwischen bekommt „Texaid“, ein Zusammenschluss karitativer Einrichtungen die an Kleidersammlungen beteiligt sind, durch die sogenannte Logomiete 10% der Erträge aus zwei Containern. Eine weitere und ernst zu nehmende Konkurrenz ist die Aktion der Kleiderkette „H&M“. „Hennes und Mauritz“ bietet den Kunden in einigen Zweigstellen an, ihre gebrauchten Kleider beim Kauf von neuen abzugeben und dadurch einen Rabatt zu erhalten. Altkleider aus Luxemburg sind genauso wie die aus Deutschland bei den Händlern sehr begehrt, da der Anteil an Qualitätsware hoch ist.

Die Kleidersammlungen des „Jongenheem/Kolping“, d.h. die orangefarbenen Container und die jährlichen Sacksammlungen werden von „fws“, einem großen Unternehmen der „Boer-Gruppe“ in Bremen abgeholt und von der „Gebotex“, einem weiteren Unternehmen der Gruppe, in den Niederlanden weiterverarbeitet. Anders als die „Aide aux enfants handicapés“ hat das Jongenheem einen festen Partner. Die „fws“ nennt sich selbst auch gerne „die Platzimschrankmacher“.

Gebotex sortiert die Textilien und importiert sie nach Ost- und Westafrika, Südafrika, Indien, Pakistan, Osteuropa, Russland und Südamerika. Das Unternehmen schafft 85 Tonnen am Tag durch die Sortierung, in Luxemburg wurden im Jahr 2012 2007 Tonnen gesammelt (Kolping/Jongenheem). Die gebrauchte Kleidung wird nach unterschiedlichen Kriterien sortiert, ein Teil wird in großen Ballen von 45 bis zu 200 Kilo verschifft. Der Anteil an tragbarer Kleidung von guter Qualität wird größtenteils nach Osteuropa oder Russland exportiert. Ein geringer Teil wird recycled und etwa zu Dämmmaterial verarbeitet.

Unabhängig von der mangelnden Kennzeichnung stellt sich die Frage nach den Konsequenzen derartiger Exporte: Welchen Impakt haben die Gebrauchtkleider auf die lokalen Märkte in den unterschiedlichen afrikanischen Ländern? Der NDR-Film „Die Altkleiderlüge. Wie Spenden zum Geschäft werden“ aus dem Jahr 2011 hatte den Anspruch, der Sache auf den Grund zu gehen. „… Sie werden größstenteils nach Afrika verkauft. Die Armen haben nichts davon. Schlimmer noch, sie haben die Kleiderindustrie in Tansania zerstört …“, so ein Zitat aus dem Film. Eine Aussage, die es erst noch zu beweisen galt. Ein Jahr später strahlte das ZDF einen Beitrag zum gleichen Thema aus: „Die Masche mit den alten Kleidern.“ Hier war das Fazit ein ganz anderes: Altkleider schaffen Arbeitsplätze und Einkommen, versorgen arme Menschen mit Kleidung und schonen Ressourcen. Als einziges Problem sahen die Filmemacher die Tatsache, dass die Menschen in Deutschland nicht wissen, dass ihre Spenden zur Ware werden. Auch in Luxemburg hat RTL bereits eine Reportage zur Altkleiderthematik zusammengestellt, ohne aber die Frage nach dem Impakt zu stellen.

„FairWertung“ ist ein eingetragener Verein in Deutschland, ein Dachverband von kirchennahen und gemeinnützigen Organisationen. Der Dachverband hat sich der Thematik der Altkleidersammlung angenommen. Es geht ihnen dabei vor allem darum, unseriöse Sammlungen aufzudecken, Sammlungen, die zwar ein gemeinnütziges Ziel vortäuschen, aber auschließlich gewinnorientiert sind. Sie fordern mehr Transparenz bei jeglichen Altkleiderexporten. Die Frage nach dem Impakt der Altkleiderexporte stellt sich auch für sie. Da es bis vor kurzem keine oder nur wenige Studien zum Thema gab, haben sie diese in die Wege geleitet. Der pauschalen Aussage, dass die Importe die lokale Bekleidungsindustrie zerstört haben, können sie nicht mehr zustimmen. Sie verweisen vielmehr auf die Billigware der asiatischen Produzenten, die den Markt überschwemmt hat sowie auf globale Veränderungen und Abkommen.2 In Tansania gab die Regierung 1987 bereits das Importverbot für Secondhandkleider auf. Diese Tatsache war darauf zurückzuführen, dass die Weltbank und der Internationale Währungsfond darauf drängten, die Subventionen innerhalb der Textilproduktion einzustellen als Bedingung für Ent- und Umschuldungsprogramme. Somit hatte die Textilindustrie in Tansania bereits vor der Marktöffnung für Altkleider große Einschnitte verschmerzen müssen. Das Welttextilabkommen, welches eine Ausnahmeregel der Freihandelslogik bis 2005 darstellte, schützte die lokalen Textil- und Bekleidungsindustrien vor zu vielen Importen und regelte diese durch Quoten. Die Aufhebung des Abkommens brachte mit sich, dass die Produktion in verschiedenen Ländern eingedämmt wurde, während sie sich in anderen erstmals entfalten konnte. Die chinesische Industrie gewann an Auftrieb und exportierte vermehrt in afrikanische Länder. Sogar die Textilindustrie in Tansania litt unter dieser Tatsache. Nichtsdestotrotz konnte sich die Textil- und Bekleidungsindustrie in diesem Land wieder erholen, vor allem da sie sich auf Nischenprodukte wie Schuluniformen oder Berufskleidung spezialisierte. Die Stoffproduktion wurde zwischen 2000 und 2008 mehr als verdoppelt, von 65 Millionen Quadratmetern Stoff auf 136. In anderen afrikanischen Ländern bietet sich ein ähnliches Bild.3

Eine Studie von 2007 über Kenia hat ergeben, dass zu diesem Zeitpunkt weltweit 1,5 Millionen Menschen ein Einkommen über den Altkleidermarkt beziehen konnten, in Europa waren das 250 000 Arbeitsplätze. Ein Problem wurde in der Studie aufgegriffen, nämlich das Zurückgehen der Qualität der Gebrauchtkleidung in Großbritannien, was dazu führte, dass vermehrt Altkleider aus den USA und Kanada in Kenia gefragt waren und, dass mindere Qualitätsware unter Qualitätsware gemischt wurde, um höhere Preise zu erzielen.4

Es profitieren so einige im Kleiderkreislauf vom Verkauf von Altkleidern; der Markt schafft zudem Arbeitsplätze, sowohl in Europa wie auch in den Destinationsländern. Die Sorgen von „FairWertung” müssen aber ernstgenommen werden: Transparenz scheint ein reelles Problem zu sein. Außerdem können die Auswirkungen je nach Standort sehr unterschiedlich ausfallen.

  1. Deutschlandradio 27.11.2014: “Das Geschäft
  2. mit der guten Sache”.Magazin Brauchbar 2012: Textile Vielfalt
  3. Francesco Mari: Afrika braucht das Gebrauchte, welt-sichten 6/2009.
  4. Simone Field et al 2007: Who Benefits from the Second-Hand Clothing Trade? The Case of Kenya.

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