Vor einigen Tagen kam es in Heiderscheid zu einem Scheunenbrand. Das Gebäude war zu diesem Zeitpunkt die Heimstatt von 600 Schweinen, ein vergleichsweise kleiner Stall. Ein Brand war offenbar im Handbuch des Bauern und der Gewerbe­inspektion nicht vorgesehen, denn sonst hätte die unverkleidete Dachisolation hier nicht aus leicht entzündlichem Styropor bestanden. Die Schweine bekamen, eingeklemmt in ihren Boxen, das siedende, flüssige Styro­por, das von der entflammten Decke tropfte, direkt auf die Haut gebrannt.

Es hat zu dem Vorfall keine journalistische Recherche gegeben, die gesamte luxemburgische Presse war gerade beschäftigt mit dem Schreiben von Kommentaren, Meinungsartikeln und Glossen über Esch 2022 oder besuchte die Pressekonferenz zum Gratis-ÖPV. Wir können also nur mutmaßen, wie sich die Szene abgespielt hat. Einige Tiere dürften erstickt sein bzw. haben giftige Dämpfe von den brennenden Stoffen eingeatmet, andere werden schwerste Verbrennungen erlitten haben. Man sollte sich das Geschrei der 600 Schweine besser nicht vorstellen. Die Tiere werden in Angst, Panik und Schmerz schier durchgedreht sein. Jedenfalls konnte man sie nach diesem Feuerbad offenbar nicht mehr am Leben halten. Die Veterinärinspektion musste anrücken, um noch in der Nacht alle 600 Tiere notschlachten zu lassen.

Was geschah mit den toten Tieren? Hat das Schlachthaus in Ettelbrück eine Sonderschicht eingelegt, damit Leben und Tod dieser Tiere nicht völlig sinnlos war? Hat man die Körperteile herausgeschnitten, die vom flüssigen Styropor verätzt waren und den Rest zur Wurst- und Fleischproduktion genutzt? Oder wurden die Kadaver zur SIDOR transportiert? Welche Brandwarn- und Feuerlöschsysteme sind in solchen Ställen vorgeschrieben (wenn überhaupt) und waren alle Vorsichtsmaßnahmen eingehalten worden? Wie geht es dem Bauern, der wahrscheinlich die schlimmste Nacht seines Lebens verbracht hat? Auf alle diese Fragen haben wir keine Antworten.

Was wir wissen, ist folgendes: Die Zahl 600 macht uns stumpf gegenüber dem Leiden des einzelnen Tieres, und dass Schweine (und andere „Nutz“-Tiere) aus unserer Lebenswelt völlig verschwunden sind und nur noch in Plastikfolie verpackt auftreten, führt dazu, dass keine Empathie auftreten kann. „Schwein“ ist kein Tier mehr, sondern ein Konzept. Der Bauer, als trauriger Hüter des düsteren Geheimnisses, bekommt von uns die Verantwortung für den Skandal zugeschoben. Im besten Fall hat auch er die Beaufsichtigung der industriellen Mast an Angestellte delegiert, die sich ähnlich wie die nach Akkord bezahlten Arbeiter im Schlachthof, den Luxus der Empathie nicht leisten können.

Eigentlich wissen wir aber doch mehr: Schweine sind enorm gesellige Wesen, die mit einem komplexen Gefühlsapparat ausgestattet sind, der dem unseren verblüffend ähnlich ist. Freude, Leiden, Angst usw. dürfen wir uns gern in der gleichen Intensität vorstellen wie bei uns Menschen, sie werden von analogen biologischen und chemischen Reaktionen gesteuert. Die Schmerzsensoren sind ähnlich gestaltet wie bei uns und die Teile des limbischen Systems im Gehirn, die auch bei uns Glücksgefühle, Angst und Schrecken steuern, sind in hohem Maße vergleichbar.

Und wir wissen: Das luxemburgische Gesetz hat den meisten Tieren auf der Grundlage der Erkenntnisse aus Biologie, Neurologie und Verhaltensforschung mittlerweile einen eigenständigen Wert und eine gewisse Würde zuerkannt. Das zuständige Landwirtschaftsministerium fasst das mit folgenden Worten schön zusammen: „Das (neue) Tierschutzgesetz sieht das Tier jetzt nicht mehr als Sache, sondern als Lebewesen an. Ziel des Gesetzes ist es nicht nur, die Tiere besser zu schützen, sondern auch ihre Würde, ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden zu garantieren (Hervorhebung durch das Ministerium). Der Respekt der Würde des Tieres ist also ein ganz neuer Aspekt in diesem Gesetz. Daneben wird dem Tier auch eine Empfindsamkeit zugesprochen. Es ist nun wissenschaftlich anerkannt, dass Tiere Gefühle wie Schmerz empfinden können.“

Uns ist auch Folgendes nicht entgangen: In den letzten zwei Jahrzehnten ist die traditionelle bäuerliche Fleisch- und Milchwirtschaft praktisch aufgegeben worden. Sie hält sich immer noch, auch in Luxemburg, und leistet große Verdienste für die Erhaltung von Kulturlandschaften und Biodiversität, doch fristet sie nur noch ein Nischendasein.

Stattdessen – so wissen wir – werden Tiere weltweit in industriellen Farmen aufgezogen, geschlachtet und verwertet. Ihre Lebensumstände, würden sie unserer eigenen Spezies zugemutet, würden als ausgeklügelte Grausamkeit gelten. Die Zahlen dazu sind atemberaubend: Jahr für Jahr werden 74 Milliarden Tiere weltweit zum Verzehr geschlachtet (also in einem Jahr zehn Mal mehr als Menschen auf der Erde leben). Würde man jedem dieser nicht-menschlichen Leben auch nur den allerkleinsten Wert zubilligen, wäre die Summe dieses Leidens absolut unvorstellbar.

Am Ende wissen wir doch ziemlich viel.

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