Der Kampf gegen Diskriminierung und für gleiche Rechte
Ein wesentlicher Bestandteil der gewerkschaftlichen Aktion
Als forum mich kontaktierte, um einen Beitrag über die tagtägliche gewerkschaftliche Behandlung von Fällen von Diskriminierung am Arbeitsplatz anzufragen, war ich ehrlich gesagt zunächst geneigt abzusagen, da mir die Materie als zu dünn erschien, um einen Artikel damit zu füllen.
Eine Anfrage bei unserem Informations- und Beratungsdienst (SICA) bestätigte meine Annahme. Es kommt nur selten vor, dass unsere Dienste von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kontaktiert werden, die um Beratung, konkrete Hilfe oder gar Rechtsschutz bitten, weil sie aufgrund ihrer Nationalität, ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religion oder Weltanschauung usw. Opfer einer Benachteiligung oder Diskriminierung am Arbeitsplatz wurden.1
Dies soll jedoch nicht zur Schlussfolgerung führen, dass es in Luxemburg keine Diskriminierung am Arbeitsplatz gibt. Sie ist aber schwer nachzuweisen. Es ist durchaus nicht unüblich, dass Arbeitnehmerinnen und -nehmer den Verdacht äußern, dass z. B. ihre Entlassung, eine Sanktionierung oder Situationen von Mobbing etwa ihrer Herkunft oder ihrem Aussehen geschuldet sind. Nachweisen lässt sich dies fast nie. Auch fehlt es an einer gesetzlichen Handhabe, um eine solche Diskriminierung anzugehen (etwa ein Mobbinggesetz), abgesehen von krassen Beispielen direkter Diskriminierung, beispielsweise einem manifesten Unterschied bei der Besoldung für exakt die gleiche Arbeit.
Aber in gewisser Weise verstecken die Bäume hier den Wald: Auch wenn Fälle individueller Klagen aufgrund von empfundener oder nachweisbarer Diskriminierung die Ausnahme sind, so ist doch der Kampf gegen Diskriminierung, für Gleichbehandlung, für gleiche Rechte aller Lohnabhängigen ein derart wesentlicher Teil der gewerkschaftlichen Aktion, dass er eigentlich fast alle Positionierungen der Gewerkschaft durchzieht. Vielleicht ist gerade deswegen dieser Aspekt der gewerkschaftlichen Arbeit nicht unmittelbar sichtbar, da er nahezu alle ihre Tätigkeitsfelder umfasst.
Tatsächlich ist die Forderung der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmerinnen und -nehmer ein wesentlicher Bestandteil der Zielsetzung und des Selbstverständnisses des OGBL. Der Gewerkschaftsbund wurde 1979 gerade als Ansatz zu einer „Einheitsgewerkschaft“ gegründet, in der sich alle arbeitenden Menschen (inklusive der zukünftigen und ehemaligen), ungeachtet ihres Statuts (Arbeiterinnen und Arbeiter, Privatbeamte und -beamtinnen oder öffentliche Angestellte), ihrer Nationalität, ihres Wohnsitzes, ihres Geschlechts usw. in einer einzigen Gewerkschaft wiederfinden. Dies war im Wesentlichen ein Bruch mit der Vergangenheit, in der die Arbeitnehmerinnen und -nehmer sich je nach Statut in unterschiedlichen Verbänden zusammenschlossen – Arbeiterinnen und Arbeiter im LAV oder im LCGB, Privatbeamte und -beamtinnen in der FEP, Staatsbeamte und -beamtinnen in der CGFP usw.
Die Organisation aller Schaffenden ungeachtet ihres Statuts bedeutete zwangsläufig auch die Überwindung der Vertretung von egoistischen Sonderinteressen einzelner Berufsgruppen auf Kosten von anderen sowie die Forderung des einheitlichen Statuts und die Beseitigung aller bestehenden Ungleichbehandlungen zwischen Arbeiterinnen und Arbeitern und Privatangestellten. Die Umsetzung des Einheitsstatuts aller Arbeitnehmerinnen und -nehmer privatrechtlichen Statuts zum 1. Januar 2009 und die damit einhergehende Schaffung einer einheitlichen Berufskammer, Krankenkasse, Rentenkasse und Unfallversicherung war somit die Umsetzung eines ursprünglichen Ziels des OGBL und zugleich ein wesentlicher Schritt zu mehr Gleichberechtigung zwischen allen Arbeitnehmerinnen und -nehmern im Privatsektor. Historische Diskriminierung aufgrund von „Standes“-Unterschieden bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der Entschädigung für geleistete Überstunden oder auch bei Abgangsentschädigungen gehörten endgültig der Vergangenheit an.
Trotz der gemeinsamen, übersektoriellen Herangehensweise war aber auch von Anfang an vorgesehen, neben den geografischen Strukturen (Lokalsektionen) und den sektoriellen Strukturen (Berufssyndikate) spezifische Abteilungen für die Vertretung der Sonderinteressen von einzelnen Gruppen der Bevölkerung einzurichten, gerade auch in Anbetracht der Erkenntnis, dass diese Gruppen stärker von Ungleichbehandlungen betroffen waren als andere. So entstanden etwa 1981 die Frauenabteilung, 1985 die Immigriertenabteilung und 2003 die Abteilung Behinderte Arbeitnehmer.
Die Artikulation zwischen allgemeinen und spezifischen Interessen gestaltete sich nicht immer konfliktfrei2, insgesamt aber blieb das Prinzip der Gleichbehandlung und die Ablehnung jeglicher Form von Diskriminierung ein wesentliches Prinzip. Gerade im Bereich der zugewanderten Arbeitnehmerinnen und -nehmer fungierte die Gewerkschaft oft auch als Sprachrohr eines Teils der Bevölkerung, die vom Wahlrecht, und damit vom politischen Entscheidungsprozess ausgeschlossen war. Der OGBL konnte allerdings erreichen, dass 1993 das aktive und passive Wahlrecht für die Berufskammern auf alle unter luxemburgischem Arbeitsvertrag tätigen Arbeiterinnen und Arbeiter und Beamtinnen und Beamten ausgedehnt wurde, die sich somit zum ersten Mal an Wahlen auf nationaler Ebene beteiligen konnten. Die Wahlen zur Arbeitnehmerkammer sind heute mit Abstand diejenigen mit der höchsten Zahl an Wahlbeteiligten im Land.
Wahlbeteiligt sind auch diejenigen Arbeitnehmerinnen und -nehmer, die jenseits der Landesgrenzen wohnen. Die Gewerkschaften, und insbesondere der OGBL, sind denn auch nahezu die einzige „Lobby“, die die zahlreichen Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die tagtäglich nach Luxemburg strömen und unseren Wirtschaftsstandort am Laufen halten, auf nationalpolitischer Ebene haben. Die Vertretung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger in der Gewerkschaft findet aber nicht erst seit gestern statt. Im OGBL und seinen Vorgängerorganisationen gibt es Grenzgängersektionen bereits seit den 1950er Jahren.
Auch auf Ebene der Grenzgängerinnen und Grenzgänger ist ein wesentlicher Teil der Aktion dem Kampf gegen Diskriminierungen und für eine Gleichbehandlung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ungeachtet ihres Wohnsitzes, gewidmet. Gerade diesbezüglich hat der OGBL in den letzten Jahren mehrere schwere Kämpfe bestehen müssen. Denn die Tendenz der aufeinander folgenden Regierungen, statt auf Geld- lieber auf Sachleistungen zu setzen, hat dazu geführt, dass die Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die die gleichen Steuern und Beiträge bezahlen wie die in Luxemburg ansässigen Arbeitnehmerinnen und -nehmer, von diesen Leistungen oft ausgeschlossen werden – eine indirekte Sparmaßnahme auf ihre Kosten. Geradezu episch war insbesondere der langwierige Kampf gegen die Benachteiligung der Kinder der Grenzgängerinnen und Grenzgänger beim Kindergeld bzw. den Studienbeihilfen in Folge einer Reform von 2010. Obwohl die Regierung in der Folge gezwungen war, ihr Gesetz mehrmals nachzubessern, sind die Juristereien infolge dieser Entscheidung bis heute nicht ganz ausgestanden.
Schließlich trägt ein wesentlicher Teil des Alltagsgeschäfts der Gewerkschaft zu mehr Gleichbehandlung bei: die Verhandlung von Kollektivverträgen und damit die Sicherstellung gleicher Arbeits- und Lohnbedingungen für alle Arbeitnehmerinnen und -nehmer eines Betriebs oder einer Branche. Transparente Lohntabellen sind ein wesentlicher Bestandteil, um abzusichern, dass für gleiche Arbeit der gleiche Lohn bezahlt wird. Sie sind deswegen eine Garantie dafür, dass direkte Diskriminierung beim Lohn, aufgrund des Geschlechts, der Nationalität, der Hautfarbe, der sexuellen Orientierung usw. ausgeschlossen ist.
Dementsprechend ist es eine negative Entwicklung, dass in vielen Betrieben die Arbeitgeberinnen und -geber immer stärker auf variable Lohnsysteme, sprich eine Lohnentwicklung in Zusammenhang mit der Leistungsbewertung setzen. Gerade solche Systeme führen zu weniger transparenten Lohnsystemen, zu einer stärkeren Subjektivität und Willkür und öffnen damit eine Flanke für direkte oder indirekte, vielleicht sogar unbewusste Diskriminierung am Arbeitsplatz.
Daneben bleibt natürlich das Problem bestehen, dass nahezu die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und -nehmer nicht unter einen Kollektivvertrag fällt. Eine Erhöhung der Tarifvertragsdichte wäre also auch ein Element, um den Kampf gegen Diskriminierung bei Lohn und Arbeitsbedingungen zu verstärken. Es ist zu wünschen, dass dies ein wesentliches Element der im Regierungsprogramm von 2018 angekündigten Reform des Kollektivvertragsgesetzes wird. Ob die Regierung dies aber wirklich als Priorität sieht, ist fraglich, wenn man sich etwa den rezenten Plan positiver Aktionen in der Arbeitswelt der Gleichstellungsministerin anschaut, in der das Wort „Kollektivvertrag“ nicht einmal vorkommt.
- Eine Ausnahme stellen allerdings die Fälle von Diskriminierung von Arbeitnehmerinnen und -nehmern mit Behinderung dar, die von unserer Abteilung Behinderte Arbeitnehmer (DTH) betreut werden.
- So war die Frauenabteilung 1987 nach einem Konflikt mit Präsident John Castegnaro zeitweise aufgelöst.
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