Der Stellenwert des Lokalradios

Wie positionieren sich die Lokalradios in der Öffentlichkeit?

Als Anfang der 90er Jahre das nationale Mediengesetz in Kraft trat, war die Euphorie bei den Akteuren der damaligen Radioszene groß und auch wir dachten, dass die Leute uns die Bude einrennen würden, um Radio zu machen. Dass dem nicht so war, mussten wir recht schnell feststellen. Nichtsdestotrotz können wir nach mehr als 25 Jahren Sendebetrieb eine überwiegend positive Bilanz ziehen, wenn auch die Situation, wie wir sie heute in der Radiolandschaft vorfinden, der vor der Radioliberalisierung von 1991 ähnelt, da das RTL-Monopol faktisch wiederhergestellt ist.

Aufgaben der Lokalradios

Die Aktivitäten unseres Lokalradios und die der Lokalradios generell verschreiben sich der sozialen Kommunikation mit dem direkten Umfeld, also mit dem lokalen und regionalen Milieu und seinen Einwohnern. Ziel ist es, die kulturelle und kommunikative Struktur (vor allem im ruralen Bereich) zu fördern, zu stärken und voranzutreiben. Wir sprechen von der Region und lassen die Akteure sprechen!

Durch die Motivation, die Kompetenz und Expertise der ehrenamtlichen Mitarbeiter erweitern sich die Aktivitäten auch auf andere Bereiche: Sei es ein Konzert für den lokalen Musikverein aufzunehmen und dieses in der Post-Produktion nachzubearbeiten oder das Dorftheater mit technischem Material und „Know-how“ zu unterstützen. Die öffentliche Arbeit eines Lokalradios kann sehr vielseitig sein. Meist unbemerkt von der Mehrheit der Mitbürger trifft man sie regelmäßig als Animateure auf den Sommerschlussverkäufen an (Radio Aktiv 106,5 Echternach) oder bei sonstigen Veranstaltungen wie beispielsweise der Marche internationale de Diekirch (ehemals Marche de l’Armée), wo sie von den Essens- und Getränkeständen aus die müden Wanderer unterhalten und motivieren. All dies trägt zu einer lebendigen Gemeinde bei. Die Zusammenarbeit mit den lokalen Vereinen und Akteuren steht deshalb immer im Vordergrund und hat bei den meisten Lokalradios äußerste Priorität. Das Betreiben eines Lokalradios ist deswegen auch mit viel Zeitaufwand und Engagement verbunden, was schnell zum Problem für engagierte Radio­macher werden kann, die ja zumeist auch berufliche und familiäre Verpflichtungen haben. Radio R.O.M. hat deshalb bereits früh in Automatisierungssysteme inves­tiert, um den Sendebetrieb rund um die Uhr zu gewährleisten und die Moderatoren während den Sendungen optimal zu unterstützen. Bereits Ende der 90er Jahre zählten wir unter den Lokalradios zu den Vorreitern auf diesem Gebiet, nicht zuletzt, weil wir aktiv an der Entwicklung von Playout-Systemen beteiligt waren.

Ohne Moos, nix los

Aber auch die finanzielle Leistung, die erbracht werden muss, ist nicht zu unterschätzen, summieren sich doch alleine die Stromkosten für die Sendeanlage auf die eines kleinen Haushalts. Weiterhin muss laufend in die Studiotechnik investiert werden, und die Fixkosten für das Streaming des Programms oder den Einkauf der stündlich ausgestrahlten Nachrichten müssen aufgebracht werden. Ungeplante Ausfälle der Technik (die leider die Regel sind) und die dadurch anfallenden Reparaturkosten oder Belastungen für Neubeschaffungen tragen nicht zur Verbesserung der Finanzlage bei. Ohne die Unterstützung der Gemeinde und Werbepartner wäre die Finanzierung des Projektes gefährdet.

Es stellt sich also auch die Frage nach der Förderung von Lokalradios auf nationaler Ebene, die wahrscheinlich längst überfällig ist. Zumindest aber wurde das Thema bereits in der Commission de la digitalisation, des médias et des communications diskutiert, und eine politische Debatte hierüber ist für April geplant. Es wäre wünschenswert, dass bei dieser Diskussion das (meiner Meinung nach doch nicht unwesentliche) Engagement der Lokalradios nicht vergessen oder unterbewertet wird. Auch wenn diese lokal oder regional agieren, so tragen sie doch indirekt zu einer diversifizierten nationalen Medienlandschaft bei. Nicht zuletzt ist eine ihrer Stärken, dass sie nahe am Bürger, den lokalen Vereinen und Institutionen sind und das rurale Umfeld bestens kennen. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet, ist ein Lokalradio das optimale Medium für lokale Entwicklungen in der ruralen Domäne und sollte eigentlich als Sprachrohr für die dort ansässige Gesellschaft dienen.

Schon vor der Radioliberalisierung von 1991 wurde versucht, eine Allianz unter den Lokalradios aufzubauen, um diese mit einer gemeinsamen Position gegenüber den offiziellen Stellen zu vertreten. Es blieb damals bei einigen Treffen, um einen solchen Zusammenschluss zu bilden, leider hat sich nie etwas Konkretes daraus ergeben.

Lokalradios im Aufwind?

Eine rezente Ausschreibung von weiteren Lokalfrequenzen durch die ALIA (Autorité luxembourgeoise indépendante de l’audiovisuel) hat erwiesen, dass das Interesse an Lokalradios doch noch recht ausgeprägt ist. Immerhin sind aus dieser Ausschreibung vier neue Lokalradios hervorgegangen. So konnten neue Spartensender wie etwa Country Radio Gilsdorf entstehen. Dieser steht für eine Musik­richtung, die in Luxemburg durchaus beliebt zu sein scheint. Sender wie Radio Lusitana aus Bettborn, die sich an die portugiesische Gemeinschaft richten, haben ebenfalls einen berechtigten Stellenwert. Immerhin beträgt der Anteil portugiesischer Einwohner 15,6 Prozent der Luxemburger Bevölkerung (Quelle: STATEC, 2019). Radio Lusitana war schon seit Jahren als Webradio aktiv, und es war nur eine Frage der Zeit, wann sich der Sender zum lokalen Radiosender weiterentwickeln würde. Auch Radio Péiteng On Air scheint den Gemeindevertretern wichtig zu sein. Immerhin wurden für den Lokalsender zwei Studios in Lamadelaine im „Audeo“ eingerichtet, und es wurden keine Kosten gescheut, um den Lokalfunk zu fördern und einen reibungslosen Sende­start zu gewährleisten.

Diese Aufwertung der Radioszene in Luxemburg ist durchaus begrüßenswert, zumal Lokalradios, wie andere Vereine auch, mit mangelndem Nachwuchs zu kämpfen haben. Eine Ausnahme bildet hier wahrscheinlich Radio LNW aus Wiltz. Das Lokalradio ist im Lyzeum ansässig und fest in den Lehrplan integriert. Die Schüler werden hier kompetent in Sachen Medien unterrichtet und optimal bei der Planung bis zur Durchführung oder Aufnahme einer Sendung betreut. Leider gelingt eine solche „Medienerziehung“ nicht immer. Radio LoRa aus Diekirch zum Beispiel hat immer eine ähnliche Position angestrebt und diese trotz seiner Nähe zum Diekircher Lyzeum verfehlt oder zumindest nicht erreichen können. Dabei wäre es durchaus denkbar, dass die Lokalradios ihre Strukturen tagsüber für Schulen bereitstellen, angesichts der Tatsache, dass die Studios während dieser Zeit aufgrund der Berufstätigkeit der Lokalfunkmoderatoren unbesetzt sind. Insgesamt kann man durchaus einen kontinuierlichen Rückgang der Jugendlichen im lokalen Vereinswesen feststellen. Vielleicht ist dies auch der Zunahme und der Omnipräsenz der digitalen Medien und sozialen Netzwerke geschuldet.

Wegen der Berufstätigkeit der Moderatoren besteht natürlich die große Gefahr, dass das Programm eines Lokalradios tagsüber zum „Dudelfunk“ mutiert. Um dem entgegenzuwirken, greifen einige Lokalradios auf aufgezeichnete oder vorproduzierte Sendungen zurück, die so das Programm auflockern sollen. Moderne Automatisierungssysteme ermöglichen es per Voicetracking, die Anwesenheit eines Moderators im Studio „vorzutäuschen“. Die Entscheidung, inwieweit man sich dieser Techniken bedient, obliegt dem Ermessen der einzelnen Sender. Bei Radio R.O.M. kommt Voicetracking nur zur Zeitansage und der momentanen Wetterlage zum Einsatz. Wir waren uns des Problems eines unbesetzten Studios seit jeher bewusst und deshalb wurden schon vor einigen Jahren Kontakte zu Podcastern geknüpft, um deren Beiträge in die stündlichen Rotationslisten des Tagesprogamms zu integrieren. So werden aktuelle Podcasts wie Gesundheitstipps, Wirtschaftsnews, Automobilnachrichten oder aber der Podcast „Welt der Physik“ vom Deutschen Bundesforschungsministerium und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft automatisch in die Stundenplanung eingepflegt. Bei der Kontaktaufnahme zu diesen Beitragsproduzenten sind obendrein auch noch herzliche Bekanntschaften entstanden wie etwa die zu dem Rundfunk- und Fernsehjournalisten Michael Weyland aus dem Westerwald, der in seiner „Radiozeit“ als freier Mitarbeiter für das deutschsprachige RTL-Programm (die 4 fröhlichen Wellen) lange in der Villa Louvigny tätig war und Luxemburg sehr gut kennt und schätzt.

Radio gedruckt

Vor etwa zehn Jahren entstand die Idee, unsere Leistungen im Lokaljournalismus zu erweitern und halbjährlich ein Informationsblatt in Druckform herauszu­geben. Die Themen sollten überwiegend radiobezogen sein und über lokale Aktivitäten berichten. Zugegeben, die erste Ausgabe war etwas spartanisch, aber schon ab der dritten Ausgabe gab es ein festes Layoutkonzept. Mit dem Erscheinen der mittlerweile zwanzigsten Ausgabe wurde das Format geändert und das Layout nochmals überarbeitet. In De RadioMAG wird zuweilen auch mal negative Kritik geübt. Sei es, um Entscheidungen der ALIA zumindest in Frage zu stellen oder, um ein aktuelles Beispiel zu geben, den Konflikt zwischen Redaktion und Direktion bei Radio 100,7 zu kommentieren. Durch das wachsende Interesse am RadioMAG musste die Auflage bereits nach wenigen Ausgaben erhöht werden. Mittlerweile ist das Magazin auch in der Radioszene sehr beliebt. Ein Printmedium ist eigentlich die optimale Ergänzung zum Rundfunk. Es bietet den Vorteil, lokale Akteure und Organisationen noch ausführlicher der Öffentlichkeit vorzustellen und (als Nebeneffekt) die Mitglieder und Moderatoren des Lokalfunks bei seiner Zielgruppe bekannter zu machen.
Die Digitalisierung des Radios

In Deutschland ist man gerade dabei, den Rundfunk von analoger auf digitale Ausstrahlung umzustellen (DAB+). Zum Glück aber ist eine politisch angeordnete UKW-Zwangsabschaltung jetzt endgültig vom Tisch. Den Radiohörern in Deutschland bleibt die UKW-Verbreitung bis mindestens 2032 erhalten. Andere Länder wie Norwegen haben bereits UKW abgeschaltet. Die Schweizer werden demnächst folgen. Doch wie sieht es damit in Luxemburg aus? Eine klare Aussage hierzu gibt es von offizieller Seite leider nicht. Fest steht, dass eine UKW-Abschaltung in Luxemburg das Ende für die Lokalradios bedeuten würde. Die Kosten, um das Programm in einen regionalen oder nationalen Multiplex (MUX) aufzuschalten, wären exorbitant. Sollte man von staatlicher Seite aus den Erhalt der Lokalradios wünschen, so müssten entsprechende Fördermittel bereitgestellt werden, um den Sendebetrieb dieser kleinen lokalen Anstalten zu gewährleisten. Eine Überarbeitung des bestehenden Mediengesetzes wäre wahrscheinlich ebenfalls erforderlich, denn die zahlreichen Lokalradios würden bei der Aufschaltung in einen regionalen MUX größere Reichweiten erzielen.

Man darf also gespannt sein, welche Entwicklung den Lokalradios in nächster Zukunft bevorsteht und wie diese sich von einem sendetechnischen Standpunkt aus positionieren können. Der soziale Stellenwert der Lokalsender in der Gesellschaft scheint zumindest (momentan noch) gefes­tigt zu sein.

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