Dornig, es heißt dornig

Anmerkungen zum Den Nol op den Kapp

„Und dass du dich nicht über den guten Marc Thoma lustig machst“, sagt meine innere Stimme, als ich ihr erzähle, dass ich einen Artikel über Den Nol op de Kapp plane. Als ob ich das vorgehabt hätte. Als Satiriker prangere ich Missstände an, indem ich mich darüber lustig mache, und eine Sendung, in der Bürgerinnen und Bürger sich über Missstände und Ungerechtigkeiten beschweren, macht ja im Prinzip dasselbe, bloß mit anderen Methoden. Das ist kein passendes Ziel für beißenden Spott.

Nachdem ich mir die Nol-Sendungen der letzten Wochen am Stück angesehen habe, ist mein Respekt vor Marc Thoma durchaus gewachsen. Müsste ich mich allwöchentlich mit dieser endlosen Reihe von kriddlechen Dossiers befassen und mir dazu das ganze Juristenlatein und Beamten-Luxemburgisch reinziehen, ich wäre wohl schnell reif für den Jakobsweg, oder Ettelbrück.

Die meisten Fälle, die da behandelt werden, erinnerten mich doch fatal an die sterbens-öden Droit-Civil-Kurse in der Schule, ein Fach, das ich noch weniger mochte als Physik, und das will was heißen.

„Jetzt komm endlich zum Thema, du redest mal wieder nur von dir selbst“, sagt meine innere Stimme und ich zucke
zusammen. Ich hatte mal wieder vergessen, dass sie ständig mitliest.
„Grad wollte ich schreiben, dass ich großen Respekt vor Marc Thoma und seiner Arbeit habe“, sage ich, „aber dann hast du mich unterbrochen.“

„Nur zu deinem Besten“, sagt die Stimme. „Für mein Gefühl hast du nämlich vor, ins andere Extrem zu verfallen, und aus dem Marc Thoma einen Robin Hood der Armen und Schwachen zu machen. Sowas will doch keiner lesen.“

„Gar nicht wahr“, sage ich, „und wenn du nicht aufhörst mir rein zu quatschen, wird das nie was mit diesem Text. Wo warst du denn, während ich mir stundenlang „Nol“-Sendungen angeschaut hab und dabei vor Langweile fast vergangen wäre?“

„Hatte zu tun“, sagt die Stimme kurz angebunden, „du vergisst, dass ich noch
andere Klienten hab. Obwohl du bei weitem der anstrengendste bist.“

„Ich lass mir halt ungern von imaginären Stimmen was sagen“,antworte ich.

„Jaja. Welche Erkenntnisse hast du denn aus deinem ach-so-anstrengenden Nol-Studium gewonnen?“, fragt die Stimme.

„Na, dass die Leute, die sich an den Nol wenden vor allem eines wollen: Von der Öffentlichkeit angehört und ernstgenommen werden. Viele waren mit ihrem Anliegen schon bei Autoritäten, Verwaltungen und so weiter und wurden abgeblockt und vermutlich auch verspottet. Und warum? Weil es kleine Leute sind, keine gewandten Akademiker, keine Reichen und Schönen.“

„Nicht vor allem notorische Querulanten und frustrierte Loser?“, provoziert mich die Stimme.

„Würd ich eigentlich nicht sagen. Kommt mir vor, als sortiere die Redaktion vorher ganz gut, welche Fälle sie in die Sendung nehmen.“
„Aber ernsthaft, das sind doch überwiegend Nichtigkeiten, um die es da geht: Kippen und leere Flaschen im Vorgärtchen, Nachbarstreitigkeiten … Hundekacke …“

„Also, erstmal sind da auch krassere Fälle dabei. Und dann hab ich das Gefühl, vielen Leuten, die sich da melden, bereitet die respektlose Art und Weise, wie sie mit ihren Beschwerden und Anliegen an öffentlicher Stelle abgefertigt werden, mehr Kummer als der Anlass der Beschwerde selbst.“

„Und da steigern die sich dann hinein, statt cool zu bleiben.“

„Nicht jeder ist cool. Und die wenden sich dann an den Nol, quasi um Satisfaktion zu bekommen. Wenn statt einer netten alten Dame eine streitbare öffentliche Figur wie der Marc Thoma Stunk macht, und dann sieht man, wie die Dinge sich auf einmal bewegen, das ist schon erhellend.“

„Erhellend, soso …“

„Der Bürgermeister von Sanem ist zum Beispiel einer der wenigen, die dem `Nol“ Rede und Antwort standen. Oft sind die Autoritäten ja zu feige dazu, vor die Kamera zu treten und lassen sich verleugnen.“

„Heißt der nicht Engel, der Bürgermeister von Sanem? Ich kannte mal einen Engel, aus Tetingen, oder war es Lamadelaine ?“

„Du lenkst ab“, sage ich streng. „Langweile ich dich?“

„Ich glaub, es war doch Tetingen …“

„Weißt du, was mir am besten gefiel an der Sendung? Dass das Monica-Wesen und das Spogen-Ding im „Nol“ nicht ganz so bescheuert aufgekratzt und teletubbie-mäßig rumplappern wie sonst immer. Die versuchen tatsächlich, so etwas wie eine ernstzunehmende Moderation hinzubekommen. Fast schon rührend, irgendwie …“

„Dass der Thoma denen ein wenig Haltung und Würde anerzieht, allein dafür gebührt ihm ein Journalistenpreis“, sagt die Stimme.
„Einen kleinen Fehler habe ich aber doch festgestellt,“ meine ich, „bei irgendeinem Fall haben sie einen Michael-Kohlhaas-Vergleich gemacht.“

„Und?“

„Na, Michael Kohlhaas ist doch jemand, der zwar in der Sache recht hat, sich aber so dermaßen reinsteigert, dass er am Ende vollkommen die Verhältnismäßigkeit aus den Augen verliert und sein Leben darüber zerstört. Also ein sehr ambivalenter Held, und eher ein abschreckendes Beispiel … ich frag mich, ob denen das bewusst war, als sie die eine streitbare Dame da mit
Michael Kohlhaas verglichen haben …?“
„Erbsenzählerei“, sagt die Stimme. „Hör mal, ich mach mich jetzt vom Acker. Und erwähne mich bloß nicht in dem Artikel. Die Leute würden dich für verrückt erklären…“

„Geht klar“, sage ich. „Ach, noch was, bevor du weg bist: Weißt du eigentlich was „daereg“ bedeutet, so wie in „eng daereg Affaire“? Ich habs gegoogelt und nichts gefunden.“

„Dornig“, sagt die Stimme in meinem Kopf, „es heißt dornig.“ u

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