Der Mensch arbeitet für andere, unterrichtet andere, bedient andere, massiert andere, operiert andere, versorgt Kinder anderer, baut Autos für andere, kocht für andere, organisiert Veranstaltungen für andere, plant Häuser für andere, putzt für andere… Heutzutage gibt es kaum noch Selbstversorger, ernährungstechnisch wäre dies noch machbar, die alltäglichen Gebrauchsgegenstände wie Kleider oder etwa Küchenutensilien werden aber schon seit etlicher Zeit im System der Arbeitsteilung hergestellt.
In ihrer ursprünglichen Form kommt die Arbeit dem Gemeinwohl zu Gute. Oder richtiger, es müsste diesem zu Gute kommen. Doch es gibt Ausnahmen: Einige Firmen produzieren unter Bedingungen, die der Umwelt schaden und somit auch den Menschen. Es gibt berufliche Tätigkeiten, die den Menschen kaputt machen, ihn auslaugen, körperlich extremst anstrengend und oft am schlechtesten bezahlt sind. Einige gehen tagtäglich einer bezahlten Arbeit nach, obwohl sie diese weder inspiriert noch erfüllt, vielleicht können sie diese nicht einmal moralisch vertreten. Sie dient jedoch als Einnahmequelle und viele Familien müssen aus demselben Grund ihre Kinder fremd versorgen lassen, obwohl sie sich lieber selbst um sie kümmern würden. Die große Mehrheit der Menschen ist auf Einkommen angewiesen, um sich die Existenz zu sichern. Der Druck, der durch diese Kopplung von Einkommen und Arbeit ausgelöst wird, hat negative Effekte auf den Einzelnen und unsere Gesellschaft. Es bleibt den meisten Menschen schlichtweg keine Zeit, über den Sinn und Zweck ihrer Arbeit nachzudenken, weil sie im Hamsterrad von Konsum und Einkommenssicherung weiterlaufen und die Muße nicht haben, dieses Konzept in Frage zu stellen. Wären Existenz und Grundbedürfnisse gesichert, hätten diese Menschen die Wahl, weniger zu arbeiten…
Von der Bedeutung der Arbeit
Wer seine Arbeit mag, macht sie gut. Wer sie als sinnvoll betrachtet, engagiert sich auch über den im Arbeitsvertrag festgehaltenen Arbeitsaufwand hinaus. Dadurch, dass die Arbeit für den Einzelnen Sinn macht, macht sie auch Sinn für die Gesellschaft. Auf die Frage, was sie im Falle eines Grundeinkommens arbeiten würden, antworten viele, dass sie weiterhin der gleichen Beschäftigung nachgehen würden. Es mag sein, dass einige weniger „arbeiten“ würden, das heißt aber nicht, dass sie während der Zeit, in der sie angeblich nicht „arbeiten“, nur auf dem Sofa sitzen, wobei Letzteres auch als Teil eines kreativen Prozesses angesehen werden kann, denn Kreativität verlangt Muße.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das auf jeden Fall reichen müsste, um unsere Grundbedürfnisse zu sichern und am gesellschaftlichen Leben Teil zu nehmen, befreit den Menschen vom Zwang, genauer gesagt dem Zwang eine Arbeit anzunehmen, die den eigenen Überzeugungen widerspricht und nicht im Sinne des Gemeinwohls ist.
Der Mythos der Arbeitsknappheit
Arbeit gibt es genug, jedoch gibt es nicht immer jemand, der die Arbeit bezahlen möchte. Dies ist der Fall insbesondere im Sozialbereich: Versorgung und Pflege der Schwächsten unserer Gesellschaft, sprich der Alten, Kranken und der ganz Jungen. Gesellschaftlich gesehen sind es relevante Arbeiten, sie erbringen aber nicht unbedingt einen wirtschaftlichen Ertrag. Oft handelt es sich dabei um „ungetane“, nicht erledigte Arbeiten, denn es mangelt in diesen Bereichen überall an Mitarbeitern. Kunst, Kultur und Umwelt bieten ebenfalls zahllose Möglichkeiten zur Beschäftigung. In ONGs und Vereinen ohne Erwerbszweck werden jederzeit ehrenamtliche Mitarbeiter gebraucht und gesucht. Wieviele Menschen haben sich in den letzten Monaten für Flüchtlinge eingesetzt? Wird ihre Arbeit gebraucht? Wird sie bezahlt? Wer wird dafür bezahlt, dass er/sie zu Hause bleibt und den Haushalt schmeißt, die Kinder „versorgt“ und unzählige andere Dinge erledigt?
Frithjof Bergmann schreibt in seinem Buch Neue Arbeit, Neue Kultur, dass Arbeit unendlich ist und es kein Objekt auf der Welt gibt, das nicht zusätzliche Arbeit empfangen kann. „Die endlose Debatte über die so genannte Knappheit der Arbeit ist deshalb ein kulturelles Konstrukt.“1 In seinen Augen dürfte die Knappheit und die Arbeitslosigkeit nicht als eine Art Naturkatastrophe betrachtet werden, sondern als Resultat von Maßnahmen, die beeinflussbar sind. Das Lohnarbeitssystem ist änderbar, Lösungen hierfür gibt es einige.
Das Lohnarbeitssystem wird dennoch als alternativlos hingenommen, Bergmann schreibt sogar, dass es als fast gottgegeben betrachtet wird. Seine „Neue Arbeit“ geht in eine andere Richtung als das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens. „Neue Arbeit“ unterteilt Arbeit in drei Teile: ein Drittel macht die Erwerbsarbeit aus, ein Drittel „high end consumption“, eine Art technologisierte Selbstversorgung, und das letzte Drittel beinhaltet die Arbeit, der man sich wirklich widmen will.
Selbstbestimmung spielt aber bei beiden Modellen eine wichtige Rolle, denn für die Entwicklung des menschlichen Potentials bedarf es einer individuellen Freiheit, die es erlaubt, sich die Sinn-Frage zu stellen, sowie der Freiheit zwischen zwei Optionen zu wählen. Das bedingungslose Grundeinkommen ist nicht unbedingt ein kompletter Gesellschaftsentwurf, es hat aber Potential, die unendliche Arbeit, die es auf der Welt gibt, aufzufangen und durch die Entkopplung von Arbeit und Lohn dem Menschen das Recht auf ein würdiges Leben zu ermöglichen. Die Zeit ist reif, das Lohnarbeitssystem oder die Erwerbsarbeit als Normalmodell in Frage zu stellen.
Schutz der Gemeingüter
„Was für eine Welt könnte das sein, in der die Menschen dabei unterstützt werden, jene schönen Dinge zu tun, für die sie heute am stärksten gegen die Zwänge wirschaftlicher Notwendigkeit ankämpfen müssen?“2
Charles Eisenstein entwirft in seiner Ökonomie der Verbundenheit, wie das Grundeinkommen oder die soziale Dividende Teil einer solchen Welt sein könnten, neben der Veränderung der Zinswirtschaft, des Umgangs mit den Gemeingütern und dem Geld sowie der Einführung einer Kultur des Schenkens. Die aktuelle Funktionsweise der Wirtschaft trennt uns von der Natur und der Gemeinschaft, so seine These. Aus den unterschiedlichen aktuellen Krisen könnte eine neue Wirschaft der Verbundenheit entstehen, in der das Verlangen nach Besitz und Geld nicht mehr im Vordergrund steht.
Die quasi universelle Wertschätzung für Gemeinschaft, Natur und Kultur könnte sich mit einem bedingungslosen Grundeinkommen durchsetzen, da die Notwendigkeit zur Beschaffung eines existenzsicherenden Einkommens wegfällt. Ohne den Arbeitszwang würde die Mehrheit von uns weiter arbeiten: wegen des zusätzlichen Geldes, wegen der Arbeit an sich, aus vielen Gründen. Anders als im jetzigen System müssten sie aber die Verantwortung für ihre Arbeit und deren Folgen übernehmen. Sie hätten keine Ausrede mehr, keine Rechtfertigung für eine Tätigkeit, die weder ihnen selber noch dem Gemeinwohl dienen würde.
1 Bergmann,F. Neue Arbeit, Neue Kultur, S.104
2 Eisenstein, C. Ökonomie der Verbundenheit, S.299
Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.
Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!
