Pressehilfe im Zeitalter der Medienkonvergenz

Die angekündigte Reform der Pressehilfe ist noch nicht in trockenen Tüchern.

Als die 100komma7-Redaktion vor einigen Wochen versuchte in Erfahrung zu bringen, wie es denn um die Reform der Pressehilfe bestellt ist, biss sie auf Granit. Dabei hielten sich nicht nur die Beamten des Staatsministers — der auch die Verantwortung für die Medienpolitik der Regierung trägt — in Schweigen. Auch die Vertreter der Medienhäuser gaben sich bis auf wenige Ausnahmen zugeknöpft. Das kann allerdings auch daran liegen, dass es bislang wenig Greifbares in Sachen Pressehilfe-Reform gibt.

Bekannt ist, dass der Staatsminister zwei Unterredungen mit Vertretern der Medienhäuser hatte, die bislang von den Maßnahmen zur „promotion de la presse écrite“ profitieren. Doch ein Diskussionspapier lag dabei nicht vor. Eine erste Sitzung im November 2014 war einberufen worden, weil die Ankündigung des Finanzministers während der Vorstellung des „Zukunftspak“ auch im Pressemilieu zu einigen Aufregungen geführt hatte: Ab dem 1. Januar 2015 sollten die staatlichen Stellen die Publikation sogenannter „Avis“ in den Printmedien stark und einige Ministerien sogar gänzlich einstellen.

Schon unter der Vorgängerregierung hatte es zu dieser Frage Unterredungen gegeben, die allerdings nicht weitergeführt worden waren, nachdem der zuständige Medienminister Francois Biltgen der Politik den Rücken gekehrt hatte und ein Mandat als Richter beim Europäischen Gerichtshof angenommen hatte. Dabei ging es um die Umschichtung der staatlichen Aufwendungen für die „Avis“ — die der frühere Premier Jacques Santer in der Chamber auch schon mal unverhohlen „indirekte Pressehilfe“ genannt hatte — in Richtung direkte Zuwendungen an die Presse. Tatsächlich macht die Publikation ellenlanger Spezifikationen für irgendwelche Straßenbeleuchtungen im Zeitalter von Internet und europaweiten Ausschreibungen kaum noch Sinn. Doch Biltgen war bewusst, dass es nur einen progressiven Ausstieg aus dem „Avis“-Geschäft geben konnte, flankiert von finanziellen Zuwendungen, die das Geschäftsmodell des Luxemburger Pressewesens retten sollten.

In ihrem Eifer hatte die aktuelle Regierung in vielen Bereichen den Rotstift ansetzen wollen, ohne so recht die Konsequenzen abzuschätzen. Der unabhängige Journalistenverband SJL rechnete aus, dass der Verzicht auf die Publikation der „Avis“ zu teilweise zweistelligen Stellenverlusten in den betroffenen Medien führen würde. Und das zu einem Zeitpunkt, als durch Umstrukturierung und Titelaufgabe bereits etliche Journalisten ihre Jobs verloren hatten.

Die Regierung sah schnell ein, dass zumindest dieser Punkt im „Zukunftspak“ kaum haltbar war. Als Xavier Bettel Ende November letzten Jahres die Chefs der Pressehäuser zu sich lud, war schnell von einem Aufschub die Rede, bis die Konsequenzen einer solchen Maßnahme genau bekannt seien und gegebenenfalls gegengesteuert werden könne. Neben Ali Ruckert war es ironischerweise der Verwaltungsratspräsident des Letzebuerger Journal, Norbert Becker, der seinem Parteifreund Xavier Bettel vorrechnen musste, dass solche Sparmodelle das Aus der DP-nahen Tageszeitung bedeuten würden.

Trotzdem ist das Thema nicht ganz vom Tisch, denn die Ministerien haben jedes für sich begonnen, ihre „Avis“ einzuschränken oder zumindest drastisch kürzer zu halten mit Verweis auf ein Internetportal, das die gesamten Informationen der Ausschreibungen zur Verfügung stellt.

Doch Hauptpunkt der Sitzung im November waren nicht die „Avis“, sondern die Aussagen des Premiers zur Reform der Pressehilfe anlässlich der Budgetvorstellung: Der bestehende Pressehilfe-Kuchen sollte, so war angekündigt, in zwei geteilt und 20 Prozent davon „Web-Zeitungen“ zu Gute kommen. Der Premierminister berief sich dabei auf das Koalitionsabkommen, das sich allerdings recht vage mit dem Ausbau des Internetjournalismus befasst: „Le secteur des mèdias se trouve actuellement engagé dans une profonde mutation. Les medias traditionnels doivent s’adapter à l´ère du numèrique et ceci dans un contexte conjoncturel difficile. Dans ce cadre, le Gouvernement privilégie une information de qualité, complète et pluraliste. A cet effet, il importe tout d’abord de favoriser le professionnalisme du traitement de l’information par la protection adéquate du titre de journaliste. (…) Le régime actuel de l’aide à la presse écrite, garant de médias pluralistes réalisés par des éditeurs professionnels, sera optimisé en concertation étroite avec les éditeurs luxembourgeois. Son évolution à long terme dans le contexte de l’internet et de l’ère numérique sera étudiée.“

Vor der Novembersitzung hatte es jedoch keinerlei „concertation étroite“ gegeben. Es gab nicht einmal ein Papier Bettels zu seinem 20/80-Modell. Zwar wurden in der Sitzung Zahlen genannt, wer wie viel je nach Modell gewinnen oder verlieren würde, doch irgend etwas Greifbares gab es nicht. Die großen wie die kleinen Medien waren sich allerdings einig: Jede einseitige Kürzung der Pressehilfe würde in der Summe zum gleichen Effekt führen wie Kürzungen bei den „Avis“ und die Zahl professionell tätiger Journalisten nach unten drücken — also genau das Gegenteil erreichen von der in der Regierungserklärung angeführten Zielsetzung.

Am Ende war auch der 80/20-Vorschlag des Premiers vom Tisch. In ein paar Monaten wollte man sich wieder treffen, bis dahin würde die Regierung einen neuen Vorschlag unterbreiten. Anfang Juli 2015 fand dann die zweite Unterredung statt. Wieder gab es offenbar weder im Vorfeld noch in der Sitzung irgendein Papier. Der neue Vorschlag Bettels lautete: Durch eine Plafonierung der Pressehilfe auf 9 000 Seiten solle der Zuwachs, den die Pressehilfe in den letzten 15 Jahren erfahren hatte, gestoppt werden. Tatsächlich hatte Jean-Claude Juncker Ende der 1990er ein Prinzip der seit 1976 bestehenden Pressehilfe aufgehoben: Die großen Tageszeitungen konnten bis 1991 nur 3000 und danach 5000 redaktionelle Seiten für die Berechnung der ihnen zustehenden Pressehilfe geltend machen. Diese Begrenzung wurde 1999 ganz aufgehoben und hat die Kosten der Pressebeihilfe für das Staatsbudget schlagartig ansteigen lassen.

Die beiden großen Verlagshäuser Editpress und Saint Paul brachten zudem neue Titel auf den Markt (Le Jeudi, Quotidien, La Voix), die jetzt ebenfalls von der Pressehilfe profitierten. Verteilte sich in den 1990er Jahren die Pressehilfe noch zu 40 % auf die kleinen Publikationen und zu 60 % auf die beiden großen Verlagshäuser, vergrößerte sich der Abstand in den drauffolgenden Jahren beständig. In den letzten Jahren erhielten die kleinen, unabhängigen Titel nur noch etwa ein Sechstel der Pressehilfe. Bettels Vorstoß die Plafonierung wieder einzuführen, wäre also an sich ein richtiger Ansatz. Allerdings hat er das eingangs erwähnte Niveau von 9 000 Seiten — immerhin das Dreifache dessen, was bei der „Erfindung“ der Pressehilfe gegolten hatte — im Verlauf der Diskussion von sich aus auf 11 000 Seiten anschwellen lassen. Dieser Wert entspricht ungefähr dem Volumen, welches das Tageblatt und das Wort in den letzten Jahren produziert hatten, so dass die Zustimmung der beiden großen Medienhäuser jetzt gewährleistet ist.

Der Status quo soll also lediglich eingefroren werden — ein Zurück zur Situation von vor 1999, als die „part fondamentale“ noch ein Drittel der Pressehilfe ausmachte, ist demnach nicht geplant. Doch es geht wahrscheinlich gar nicht darum, die alte Situation wieder herzustellen, die allen Medienhäusern in etwa gleiche Startchancen garantierte. Xavier Bettel will die Pressehilfe lediglich auf dem für Tageblatt und Wort notwendigen Limit einfrieren und nur den theoretisch ausbleibenden Zuwachs in einer Höhe von etwa 300 000 € für neue Webmedien bereitstellen. Das ist zwar nicht ganz die Kostenneutralität, die er als Maßgabe am Anfang der Verhandlungen deklariert hatte, aber es lässt sich politisch trotzdem als Sparpolitik verkaufen.

Allerdings funktioniert das nur, wenn alle Printmedien auf eine Unterstützung ihrer jeweiligen Internetpräsenz verzichten. Tatsächlich will Xavier Bettel nur Web-Medien unterstützen von Herausgebern, die nicht bereits von der Pressehilfe für Printmedien profitieren. Das klingt nur auf den ersten Blick gerecht, denn wie es so schön im Text des Regierungsprogramms heißt, müssen sich auch die traditionellen Printmedien an die „ère numérique“ anpassen. Und hier liegt die Zukunft sicherlich in einer Komplementarität zwischen gedruckter und elektronischer Information, aber auch zwischen gratis und bezahltem Content. Es wäre also im gemeinsamen Interesse der elektronischen und der gedruckten Medien, wenn die Pressehilfe darauf ausgerichtet wäre, Komplementarität und Medienkonvergenz zu fördern, statt die „etablierten“ Printmedien mit neuen, rein elektronischen Wettbewerbern in Konkurrenz zu setzen.

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