Zwischen Pflichtabgabe und Sammelauftrag

Die Missionen der Nationalbibliothek

Die primäre Aufgabe der luxemburgischen Nationalbibliothek (BnL) ist das Sammeln, Dokumentieren und Archivieren aller auf luxemburgischem Staatsgebiet publizierten Schriften. Die diesbezüglichen juristischen Rahmenbedingungen sind im Règlement grand-ducal du 6 novembre 2009 relatif au dépôt légal festgehalten, das im Dezember 2017 noch einmal angepasst und erweitert wurde. Entgegen weitläufiger Meinungen sind von der Pflichtabgabe nicht nur Bücher betroffen, sondern jedwede gedruckte Veröffentlichung, die einen privaten Rezipientenkreis überschreitet – also auch Zeitungen, Magazine, Broschüren, Plakate, Kalender, Postkarten, geografische Karten, Partituren, Choreografien, Veranstaltungsprogramme, akademische Arbeiten, Drucke etc. Je nach Publikationsformat variiert die Anzahl an Belegexemplaren, die der Verleger abgeben muss. Bücher werden in vier, Periodika in drei und die Mehrheit1 aller weiteren Formate in zwei Exemplaren abgegeben. Bei literarischen Werken wird eines der vier Exemplare zu Archivzwecken an das Centre national de littérature in Mersch weitergereicht. Oft werden noch zusätzliche, für die Ausleihe bestimmte Exemplare gekauft, um einen optimalen Zugang zu den Publikationen zu gewährleisten.

Die Luxemburgensia-Sammlung der Nationalbibliothek setzt sich jedoch nicht nur aus den Dokumenten der Pflichtabgabe zusammen. Der Sammelauftrag der BnL umfasst ebenfalls im Ausland veröffentlichte Werke, die sich mit dem Großherzogtum beschäftigen, sowie die Arbeiten von im Ausland lebenden Luxemburgern. Auch Publikationen von Personen, die nur zeitweilig in Luxemburg gelebt oder gearbeitet haben, werden aufgenommen – allerdings wird sich dann auf Bücher beschränkt, die in dieser spezifischen Zeitspanne erschienen sind. 2019 waren etwa 32 % der neu erworbenen Luxemburgensia-Dokumente ausländische Werke. Hauptanliegen ist es, den Nutzern einen Panoramablick der im Einflussbereich Luxemburgs entstehenden Publikationen zu bieten – ohne inhaltliche Wertung. In der online einsehbaren Nationalbibliografie werden deshalb nicht nur die Werke der Pflichtabgabe verzeichnet, sondern sämtliche Werke der Luxemburgensia-Sammlung ab 1988.

Mit diesen Richtlinien folgt die Nationalbibliothek größtenteils dem Beispiel ihrer größeren Nachbarn, der französischen (BnF) und der deutschen Nationalbibliothek (DNB). Nur bei der Abgabeprozedur der Pflichtexemplare finden sich Unterschiede. In Deutschland müssen auf Bundesebene zwei Exemplare an die DNB gesendet werden und ein weiteres an die jeweilige regionale Landesbibliothek. Eine analoge Vorgehensweise ist auch in Frankreich üblich. 2015 wurde in Frankreich die Zahl der Belegexemplare für die BnF von zwei auf eins herabgesetzt.

Für den über die Pflichtabgabe hinausgehenden Sammelauftrag wird – anders als in Luxemburg – vor allem die Sprache als entscheidendes Kriterium angewandt. So ersteht die DNB im Ausland veröffentlichte deutschsprachige Medienwerke und Übersetzungen deutschsprachiger Publikationen. Nur bei Dokumenten über Deutschland und über Persönlichkeiten des deutschen Sprachgebietes ist die Sprache irrelevant. Die BnF ihrerseits verfolgt auch eine Erwerbsstrategie, die weit über die Pflichtabgabe hinausgeht, trennt beide Sammlungen jedoch klar voneinander: In der Bibliographie nationale française finden sich nur Titel, die im Rahmen des dépôt légal gesammelt wurden.

Gemeinsame Herausforderung aller Nationalbibliotheken ist die praktische Umsetzung der digitalen Pflichtabgabe. Wie auch die BnL mit ihrem jüngst vorgestellten webarchive.lu setzen die meisten Institute auf automatisierte Suchprogramme, sogenannte web crawler, um großflächig Web-Inhalte zu durchkämmen und zu archivieren. Die Selektionskriterien sind hier an jene der gedruckten Dokumente angelehnt und umfassen alles, was dem nationalen Erbe zugehörig ist: die gesamte Domain .lu sowie im Allgemeinen alle Seiten luxemburgischer Herkunft. Über die Pflichtabgabe hinaus werden auch spezifische Websites, die über das Land berichten oder von Luxemburgern betrieben werden, archiviert. Des Weiteren arbeitet die BnL an einem Web-Interface, das es Verlegern ermöglichen soll, individuelle digitale Inhalte wie E-books und E-journals als Pflichtabgabe online an die Nationalbibliothek zu senden. Bereits jetzt können Verleger ihre elektronischen Publikationen per Mail einschicken. In Anbetracht des stetigen Wandels im Bereich digitaler Datenformate und Speichermedien ist die Pflichtabgabe auch als Möglichkeit zu betrachten, die eigenen Daten langfristig und lückenlos zu sichern.

  1. Bei Drucken sowie Publikationen, die über 200 Euro kosten oder deren Auflage unter 200 Exemplaren liegt, reicht ein Belegexemplar.

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