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Climate Diary 1

20. September (Freitag)
(Ich habe einen Fuchs gesehen, als ich in der Stadt ankam)
Die Megaphone sind geladen, die Banner getrocknet. Ich beobachte die aufgehende Sonne. Die Luft ist kalt, und langsam erwacht die Stadt. Heute ist ein neuer Tag, heute geht es los.
Seit Monaten schon haben wir für diesen Tag gearbeitet und geplant. Seit Wochen schlafe ich nur kurz, besonders in den letzten Nächten, in denen es nie mehr als zwei, drei Stunden waren. Aber irgendwie fühlt sich alles locker, gut und sehr richtig an. Endlich…, endlich ist heute Heute. Die Meetings waren allesamt schön, spannend und produktiv, aber es waren halt Meetings. Vorbereitungen. Heute kommt das nun alles zusammen. In der Hoffnung, dass alles so läuft wie geplant. Der Plan: Der Auftakt der „Week for Future“ wird in Luxemburg von Youth for Climate organisiert, das erste Event auf der Agenda dieser Woche. Die angemeldete Demo verläuft vom Hauptbahnhof (unglaublich, dass man uns das genehmigt hat) bis zur „Kinnegswiss“, wo eine Kundgebung und Konzerte stattfinden werden.
Es ist 8 Uhr, die ersten vom Orga-Team kommen an. Stickers und Flyers werden eingepackt, Fahnen gehisst, letzte Details geklärt, und „viel Glück“ rufend verlässt jeder unseren Treffpunkt in verschiedene Richtungen. In einer Bewegung wie unserer ist es jedem überlassen, das zu machen was sie/er am besten kann oder am liebsten machen will.
Um kurz nach 9 bin ich mit meinen Vorbereitungen fertig. Die Bühnenbauer arbeiteten an der Bühne für die große Kundgebung, Strom und Wasser waren parat, und auch meine „Justice Climatique”-Fahne hing am hohen Lautsprecherturm. Die Demo kann kommen, dachte ich.
Weil ich aber nicht einfach an der Bühne warten wollte und immer nervöser wurde, begab ich mich auf Motivationstour. Erstes Ziel, meine alte Schule auf dem Limpertsberg. Nach einem kurzen Gespräch mit dem neuen Direktor, der mir sagte, „Ich kann dich nicht auf dem Schulhof mit dem Megafon die Schüler zur Demo aufrufen lassen, das lässt das Ministerium nicht zu”, war mir klar, dass dieser Satz nicht von ihm stammte. Er sah so aus, als würde er ganz genau verstehen, wie dringlich die Situation ist, wie wichtig unsere Aktionen. In seinem Blick und in seiner Wortwahl las ich, dass er am liebsten selbst jeden Schüler hier aus dem Gebäude überzeugen würde, mit zur Demo zu gehen.
Kurz dachte ich nach, dann beschloss ich, es trotzdem zu machen. „GOOD MORNING LUXEMBOURG…”, ertönte es über dem ganzen Schulhof. Ich hielt meinen Speech. Als ich fertig war, bewegte sich keiner, die Reaktionen blieben gemäßigt. Immer wieder die gleichen Ausreden, „aber wir müssen zur Schule“, „ich muss lernen“. Als der Direktor in schnellen Schritten aus dem Gebäude auf mich zu kam, dachte ich, „ah, Monsieur le directeur, kommen Sie auch mit?”, ich wollte ihn aber nicht zu sehr aufziehen und verließ das Gelände. Mit acht Leuten im Schlepptau ging es zur nächsten Schule.
„GOOD MORNING LGL“…, Robert Schuman, Vauban, etc. – und jedesmal das gleiche Bild. Eine Hand voll, die sich uns anschloss. Um am Ende auf 31 zu kommen. Es wundert mich, dass mich das enttäuschte, schließlich sind wir in Luxemburg.
Gegen 10.30 Uhr bestiegen wir einen Bus zum Bahnhof, alle waren gut gelaunt und gespannt, was passieren würde. Kurze Zeit später erblickten wir die Masse, Hunderte, lautstark und grün bemalt. Ein erfreulicheres Bild als vor den Schulen. Es war eine super Stimmung, die Menschen vom „Energy-Team“ (das sind die mit den Megafonen) leisteten gute Arbeit, um die Masse zu motivieren. Nach einer kleinen Rede meinerseits traf ich die Musiker an der Bühne.
Der Marsch ging um kurz nach 11 los, in Begleitung von Polizei und sehr viel Presse kamen wir um 12.50 Uhr an der „Kinnegswiss“ an, wo die Kundgebung stattfinden würde. Von weiten konnte man immer mehr Leute hören, die zu uns stießen. Der Sound von einigen Tausend Jugendlichen, die eine lebbare Zukunft fordern.
Vor einer Woche ungefähr hat Youth for Climate Luxembourg konkrete Forderungen aufgestellt. Diese wurden heute öffentlich vorgetragen und von der Presse verbreitet. Sehr lange litt die Bewegung darunter, dass wir zwar auf die Straße gingen für eine besser Zukunft, ohne aber wirklich zu kommunizieren, wie das gemacht werden sollte. Wir begründeten: Wir sind nicht die Experten, die Wissenschaftler sind die Experten, und ihnen müsst ihr zuhören. Um dem aus dem Weg zu gehen, wurden nun unsere eigenen Forderungen aufgestellt: Wir fordern von der luxemburgischen Regierung, erstens, Klimaneutralität bis 2030 und die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2040, zweitens, ein Ende der Investitionen in fossile Energien, und drittens, internationale Solidarität mit den Opfern der Klimakrise. Und eines ist klar: We want System Change, not Climate Change.
Die Demo war ein voller Erfolg, 3000 Menschen haben teilgenommen, das Konzert war echt gut, mit Musikern, die sich zur Klimakrise geäußert haben und mit uns standen, nicht vor uns. Die Stimmung war großartig. Was mich heute am meisten beeindruckt hat, ist, wie viele Menschen das Thema verinnerlicht haben und wissen, wie es um uns steht. Hoffentlich werden bald mehr Leute erwachen und sehen, dass es so nicht weiter gehen kann. Hoffentlich eher früher als später.
Aber: C’est ne qu’un début! Am 27. September wird mit dem „Earth Strike Day“ Geschichte geschrieben. Und auch morgen, Samstag, geht die „Climate Action Week“ weiter.
Falls es dich interessiert, kannst du auf climatejustice.lu die ganze Agenda für die kommenden Aktionen finden. Morgen wird es sich um das Thema Plastik drehen – mit dem „Clean Up Day“ in Esch-sur-Alzette.
Fuchs.
Luxemburg, 20. September 2019

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