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Climate Diary 3

22. September (Sonntag)
„… und was, wenn es zu spät ist?“
Das hat mich heute ein Passant gefragt. Wir haben heute Sensibilisierungs-Arbeit geleistet. Auf einem kleinen Naturfestival nicht weit von der Kockelscheuer hatte Youth for Climate einen Info-Stand, um für den „Earth Strike“ am 27. zu werben. Nur eine Handvoll Menschen (wie immer, wenn es nicht darum geht, mit dem Megafon vor der Presse zu stehen) verbrachte den Sonntag damit, Passanten anzusprechen und Flyer zu verteilen.
„Haben sie schon gehört? Am 27. September wird es die größte Klimademo geben, die Luxemburg je gesehen hat.“ Ich hab den Satz glaub ich hundertmal gesagt.
Und wie immer gibt es bei solchen Aktionen die Skeptiker (eine Spezies, die dank des Klimawandels immer seltener wird), die Verweigerer (diejenigen, die wissen, was kommt, es aber nicht einsehen wollen), die Besserwisser, die „Ich bin schon seit drei Jahren vegan, esse kein Fahrrad mehr und fahr nur noch mit dem Käse zur Arbeit“-Fraktion und schließlich die, die sagen: „Es ist die Schuld der andern und nicht meine“ (der Typ stand mit seinem iPhone in der Hand und den Nike-Schuhen an den Füßen vor mir mit dem Argument, es wären doch die Chinesen, die am meisten CO2 ausstoßen). Ja, und dann gibt es noch die Pessimisten.
Und es gibt solche Begegnungen: „Ich finde es total super, was ihr hier macht und dass ihr auf die Straße geht, aber ist es nicht schon zu spät?”, fragte ein Mann, seinen Sohn auf dem Arm haltend. Ich konnte ihm ansehen, dass er die Antwort kannte, sich große Sorgen um seinen Sohn machte und trotzdem auf meine positive Antwort wartete. Die aber kam nicht.
Die Klimakrise ist wie eine schlimme, lebensbedrohliche Krankheit. Sie hat sich aufgrund jahrzehntelanger Exzesse, eines übersteigerten Konsumverhaltens und des Ausstoßes schädlichster Stoffe entwickelt, und weil man die Vorwarnungen nicht wahrgenommen hat, sozusagen weiter geraucht hat, ist der Krebs jetzt da. Die Temperaturen steigen. 1, 1,1, 1,2. Die Wetterkatastrophen nehmen zu, das Eis schmilzt, die Pflanzenwelt leidet, weil die Insekten sterben, die Vögel finden nichts mehr zu fressen. Die Krise hat begonnen, und die Schneekugel rollt. Was bringen uns unsere Bemühungen heute denn, wenn die Katastrophe bereits eingetreten ist?
Was wir auf keinen Fall vergessen dürfen: Wenn der Krebs zuschlägt und die Patientin stirbt, ist es vorbei. In die Kiste mit ihr und: Feierabend. Beim Welt-Krebs sieht es so aus: 1,5, 2, 3, 4 Grad. Je mehr wir in die Atmosphäre blasen, umso schlimmer wird es werden, umso verheerender werden die Auswirkungen sein.
Deshalb ist es wichtig, die Zusammenhänge zu verstehen. Die Antwort auf die Frage, ob es zu spät ist, hängt davon ab, was man unter zu spät versteht.
Zu spät, um dem Klimawandel vorzubeugen? Ja, schon seit Jahrzehnten.
Zu spät, um Leben und Pflanzen auf der Welt zu schützen? Ja, seit Jahrhunderten.
Zu spät, um der Klimakrise etwas entgegen zu setzten? Nein, du kannst heute damit anfangen.
Zu spät, um deiner Regierung zu sagen, sie solle ihren Arsch bewegen, um etwas zu tun? Nein, du kannst am 27. September beim „Earth Strike“ dabei sein.
Zu spät, um deinen Impact und den der anderen auf das Ökosystem und die Umwelt zu minimieren? Nein, dein Handeln liegt in deiner Hand. Du musst einfach wissen, was für Auswirkungen deine Taten haben.
Wir werden so oder so von der Krise erwischt werden, unser Handeln heute bestimmt nur, wie schlimm sich diese Krise verstärken wird.
Denk an deine Kinder, denk an meine Kinder, denk an Vijays Kinder in Indien und an Juans Kinder in Chile.
Fuchs.
Luxemburg, 22. September 2019
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