- Energie, Gesellschaft, Klima, Natur, Politik, Schule, Wissenschaft
Climate Diary 4

23. September (Montag)
„Total, Aral, BP, Shell, take you oil and go to Hell“
Dass Geld die Welt regiert, ist leider Realität (zumindest noch). Die schlausten Köpfe, die von den besten Universitäten der Welt kommen, versklaven sich bei Banken und Consultingagenturen, um ihr Geld in perversem Ausmaß zu vermehren. Sie scheffeln fiktive elektronische Zahlen – je mehr du davon hast, desto besser bist du angesehen.
Dass CO2 und Methan und all die anderen Treibhausgase unsere Atmosphäre aufheizen, dürfte für uns keine Überraschung mehr sein, seit Joseph Fourier 1824 erstmals den Treibhauseffekt beschrieben hat. Doch die Industrielle Revolution ging ihren Weg, und wir haben alle davon profitiert. Spätestens aber als die Anzeichen der negativen Folgen immer sichtbarer, als die Naturkatastrophen immer stärker wurden, als Abertausende begannen, unter ihnen zu leiden, hätte man sich Fragen stellen können… Doch was ist passiert?
Anstatt Millionen in umweltfreundliche Alternativen zu investieren, wurde das Geld in Anti-Klima-Propaganda gesteckt. Genau wie die Zucker- oder Tabaklobby hat auch die Erdöllobby alles dafür getan, um die Wahrheit zu vertuschen. Viele Ölkonzerne haben zwar Forscher beauftragt, den Auswirkungen des Öl-Business-Models nachzuforschen. Und in diesen Reports stand schwarz auf weiß, dass der Ausstoß verbrannten CO2 das, was wir heute beobachten können, verursacht.
Nichtsdestotrotz werden heute, im Jahr 2019, Milliarden und Billionen in die Öl-, Kohle- und Gasindustrie gesteckt. Nicht nur von den Firmen selbst, sondern auch von Banken und Investoren. JP Morgan hat 2018 195 Milliarden Dollar, Citi 129 Milliarden Dollar und ING 25 Milliarden Dollar investiert, um nur einige Beispiele zu nennen. 33 der größten globalen Banken haben zusammen 1,9 Billionen Dollar in fossile Energien investiert, und das nach dem Pariser Klimaschutzabkommen.
Es ist uns klar, dass jeder, der heute noch Geld in fossile Energien steckt, sich absolut nicht um die Zukunft deiner oder meiner Kinder kümmert – nicht einmal um die der eigenen.
Es reicht! Es reicht, dass Profit vor Zukunftsperspektiven gestellt wird.
Wir haben heute mit Extinction Rebellion vor der ING in der „Groussgaass“ einen blutigen „Die-in“ veranstaltet, um darauf hinzuweisen.
Die Aktion selbst verlief eigentlich besser als erwartet. Wir hatten den ganzen Sonntagnachmittag damit verbracht, veganes und nachhaltiges Blut vorzubereiten und Plakate zu malen. Und dann kam der Montag.

Treffpunkt war um 11.45 Uhr nicht weit entfernt vom eigentlichen Ziel. Mit einer Kundgebung und der Erklärung des Ablaufs haben wir die 20 Teilnehmer darauf vorbereit, was dann passieren sollte.
Als wir uns um 12 Uhr wie geplant mit Transparenten, Musik, Menschen und Blut vor die Bank stellen wollten, stand dort ein Geldtransporter.
Oho…! Mit denen können wir uns nicht anlegen, dachten wir, nicht dass es später in der Anklage heißt: „Versuchter Überfall auf Geldtransporter, 5 Jahre Gefängnis für Extinction Rebellion!“
Eine Stunde haben wir gewartet. Eine Stunde, in der der Motor des Transporters aus Sicherheitsgründen lief. Es gab also zwei Optionen: absagen oder nachfragen.
Also sprachen wir mit einem der Sicherheitsleute von Brink’s: „Hallo, wir sind von Extinction Rebellion, wir würden gerne eine Aktion zivilen Ungehorsams hier vor der Bank veranstalten. Hätten sie damit ein Problem?“ Er musste lachen und gab zur Antwort: „Ich bin zwar bewaffnet, habe die Waffe aber noch nie benutzt. Ihr könnt machen, was ihr wollt, nur versperrt dem Wagen nicht die Ausfahrt.“
Das war unser Zeichen. Keine fünf Minuten später ertönte durch die ganze Straße laute und düstere Musik. Begleitet wurde dieses Szenario von 15 Menschen, die blutüberströmt vor der Bank lagen und sich tot stellten. Unsere Message: Hört doch auf, unsere Zukunft aufs Spiel zu setzen.
Der Boden war kalt, doch die Thermoskanne hatte ihren Zweck erfüllt und die rote Pampe war noch lauwarm. Als ich so auf dem Boden lag und die Augen öffnete (was man durch meine Sonnenbrille nicht erkennen konnte), sah ich hoch, und mir fiel auf, wie schön der Baum vor der Bank aussah. Die Vögel flogen durch den halbblauen Himmel, und für einen Moment vergaß ich, was um mich herum passierte, warum ich eigentlich hier war.
Ich vergaß wie drastisch, dramatisch und bedrohlich die Situation ist, in der wir leben. Dass wir nur wegen des Profits unser einziges Zuhause zerstören. Ich vergaß all die Menschen, die sich dafür und dagegen einsetzen.
Die heutige Aktion vor der ING war nicht nur gegen die ING gerichtet (vielen Dank an die Bank für den guten Standort, so prominent in der Fußgängerzone), sie war gegen die ganze Weltzerstörungs-Industrie gerichtet, egal mit was sie zerstören, egal für was sie zerstören, egal wie sie zerstören. Sie sollen aufhören mit der Zerstörung!
Fuchs.
Luxemburg, 23. September 2019
PS: Seltsamerweise ist der Geldtransporter fünf Minuten nach Beginn unserer Aktion weggefahren. ING hatte wohl Angst, und das berechtigt.

Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.
Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!
