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Climate Diary 7

26. September (Donnerstag)
Wie wird man zum Aktivisten?
Man hat mir in den letzten Monaten oft diese Frage gestellt, und ich habe verschiedene Antworten gefunden.
„Man wird in dem Moment Aktivisti, in dem man den Ernst der Lage begriffen hat.“
„Man wird Aktivisti, weil einem gar nichts anderes übrig bleibt, wenn man im Einklang mit seinem Gewissen leben möchte.“
„Man wird Aktivisti, weil man sich dafür schämt, was die Menschheit der Erde angetan hat – und weil man es wiedergutmachen will.“
„Man wird Aktivisti, weil man wütend, sogar sauer ist auf ein korruptes, zerstörerisches System, das uns seit jeher anlügt.“
Und das sind nur einige von vielen möglichen Antworten, die mir in den Kopf kamen. Ich würde in der heutigen Zeit aber eher eine andere Frage stellen. „Wie kann es geschehen, dass man NICHT zum Aktivisten wird?“
Mit Blick auf die existierenden und sich täglich verschärfenden ökologischen, klimatischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Krisen fällt mir keine Antwort ein, die man auf diese Frage geben könnte. Keine! Ich will nicht verstehen, dass man Fakten ignoriert oder gar verneint.
100 der größten Konzerne verursachen 71 Prozent der globalen Treibhausgase. Da kannst du noch so viel vegan mit dem Fahrrad durch die Gegend fahren – dieses Problem ist mit individuellem Aktivismus nicht zu lösen. Und auch wenn wir Hunderte oder sogar Tausende sind, die auf die Straße gehen, werden wir damit Exxon & BP, Nestlé & Danone, Mercedes & Rheinmetall nicht die Stirn bieten können. Und ihnen zu sagen, dass es doch um unser aller Zukunft geht, lässt sie kalt, wie sie tagtäglich beweisen.
Wir haben noch ein paar Jahre, um konsequent eine neue, CO2 freie Gesellschaft aufzubauen, bevor uns eine kriegerische, nahrungsarme, heiße Zukunft einen Strich durch die Rechnung macht. Und bis jetzt gab es noch zu wenige, die diese Analyse als Handlungsaufforderung verstanden haben. Doch JETZT werden es stündlich mehr.
Was tun?
Wir können diese Unternehmen und ihre „Shareholder“ nicht mit Geld beeinflussen. Aber jeder einzelne von uns hat eine Stimme, und jeder von uns hat Freunde und Bekannte. In meinen Augen müssen wir immer wieder und immer mehr miteinander reden, ans Gewissen appellieren, so lange, bis alle, die wir kennen, das Problem verstehen. Und dann müssen wir:
Auf die Straße!
Die Wirtschaft und die Politik haben Angst davor. Das sehen wir immer wieder. Wir sehen es bei den Gilets Jaunes, und wir sehen es in Hongkong. Eine unzufriedene Masse kann nicht durch Schönrederei von Staatsoberhäuptern oder Propaganda der Kultur-Industrie oder durch hübsche Elektroautos besänftigt, beseitigt, ruhiggestellt werden.
Die Zeit ist gekommen, dem Establishment und dem Mantra des unendlichen Wachstums etwas entgegenzusetzten.
Ja! Man wird Aktivist, wenn einen sonst nichts mehr treibt, weil die Aussichten auf eine glückliche Zukunft so schwarz sind, dass einem einfach nichts anderes übrig bleibt, als zu rebellieren.
Wenn du morgen (HEUTE, Anm. d. Red.), am 27. September 2019 in Luxemburg bist, dann sei um 15 Uhr am Hauptbahnhof, am Geeseknäppchen, am LGL (Limpertsberg) oder an der Place de L’Europe auf dem Kirchberg. Lass uns gemeinsam dafür eintreten, dass es so nicht weitergehen kann. Dass jetzt Schluss sein muss mit halbgaren Lösungen und dem immer gleichen Weiter-So. Es reicht! Jetzt reicht es! Jetzt reicht es! Es reicht!
Fuchs.
Luxemburg, 26. September 2019

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