
Susanne Jaspers
Auf, Matrosen, ohé!
Fernando Aramburu: Patria
„Keep Calm and Carry On“ lautete einst, in ebenfalls unschönen Zeiten, ein Slogan der wie so häufig wunderbar besonnenen Briten. Derzeit müsste es heißen: „Keep Calm and Stay at Home“. Das mag für uns schlechtwettergewöhnte Westeuropäer gar so tragisch nicht sein, für die sonnenverwöhnten Spanier hingegen, die sich nicht nur wegen ihrer in der Regel recht beengten Wohnverhältnisse am liebsten draußen aufhalten, ist die staatlich verordnete Ausgangssperre der reine Horror. Das gilt auch für die Basken, denen die Verfasserin dieser Zeilen inniglich verbunden ist. Deswegen, und um in diesen Zeiten, da mal wieder ein wenig der Eindruck entsteht, dass jeder nur an sich denkt, daran zu erinnern, was unsere europäischen Nachbarn und Freunde alles Schönes und Gutes zu bieten haben, hier ein paar Tipps zur (nord)spanisch geprägten Freizeitgestaltung in der heimischen Kultur-Klausur:
Lesen Sie Patria von Fernando Aramburu (mittlerweile in zig Sprachen erhältlich, und bei vielen Buchhändlern können Sie online bestellen. Nein, nicht bei Amazon!). Der gefeierte Jahrhundertroman über die Basken, das Baskenland und die ETA steht nicht nur exemplarisch für das böse Übel, das nationalistische und separatistische Strömungen im Mikrokosmos des Familien-, Freundes- und Bekanntenkreises auslösen, sondern auch für die zerstörerische Wirkung von Misstrauen, Neid und Hass auf Politik und Gesellschaft – ein anderes fieses, ansteckendes Virus. Genehmigen Sie sich dazu ein Glas (oder in diesen Zeiten zwei) Rueda, am besten der Rebsorte Verdejo, ein trockener Weißwein mit einer leicht fruchtigen Note, der ebenfalls aus dem Norden Spaniens stammt und den die Basken sehr gern gemeinsam trinken, wenn sie nicht wie jetzt zuhause bleiben müssen. (Wenn Sie keinen da haben, tut’s zur Not auch ein Riesling.) Dazu hören Sie La Playa von La Oreja de Van Gogh aus San Sebastián und träumen sich an all die schönen Strände, an die Sie derzeit nicht kommen. Wenn Sie darüber den Blues kriegen, ziehen Sie sich noch La Paloma rein. Jawoll, die berühmteste aller Meeresschnulzen hat nämlich weder Hans Albers noch Freddy Quinn erfunden, sondern der Baske Sebastián de Yradier. Dann schmettern Sie voller Überzeugung die Liedzeilen (der deutschen Albers-Version) „Auf, Matrosen, ohé! Einmal muss es vorbei sein …“ Das gilt nämlich nicht nur für Matrosen, sondern auch für Krisen. Und zum Abschluss gönnen Sie sich ein wenig Filmunterhaltung: Die Kultkomödie Acht Namen für die Liebe um einen Andalusier, der sich in eine Baskin verliebt, dürfte Sie selbst in diesen Zeiten zum Lachen bringen (wer’s kann: am besten im Original gucken). Die Fortsetzung ist zwar noch lustiger, aber da geht es um Katalonien – womit wir wieder beim Separatismus wären. Doch derzeit hat die Welt wohl andere Sorgen. In diesem Sinne: Passen Sie auf sich auf, lesen Sie Patria und bleiben Sie gesund!
Fernando Aramburu, Patria, Reinbek, Rowohlt, 2018, 768 S., € 14,70.
Aus dem Spanischen von Willi Zurbrüggen.
Das Taschenbuch der deutschen Übersetzung können Sie zum Beispiel hier bestellen, das eBook zum Beispiel hier.
Susanne Jaspers ist Verlegerin, Autorin, Übersetzerin und Lektorin. Zuletzt erschien von ihr und Georges Hausemer, Wir sehen uns in Venedig, Luxemburg, capybarabooks, 2019.

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