31 Vorschläge für eine Politik der Resilienz (Reaktion auf Vorschlag 4: Daniela Noesen)

Vorschlag 4 der forum-Redaktion: Ausgehend von den Trinkwasserkarten sollte das Land in Schutzzonen eingeteilt werden, in denen schnell sowohl die Umweltauflagen als auch die Förderung so gestaltet werden, dass sich nur noch naturnahe Landwirtschaft rechnet.

Reaktion 4 von Daniela Noesen:

Eine resiliente Landwirtschaft, einhergehend mit einem resilienten Ernährungssystem, ist nur als ganzheitliches Konzept umsetzbar. Schutzzonen mit Auflagen greifen da zu kurz. Die konsequente Anwendung des „True Cost Accounting“, also die wahre Kostenberechnung von Produkten und Dienstleistungen, bestenfalls gekoppelt an ein dazu passendes Steuersystem, damit der Staat auch „steuernd“ wirken kann, ist transparent und wirksam. Die Idee des „True Cost Accounting“ ist übrigens nicht nur in der Landwirtschaft anwendbar, aber hier würde es wohl am meisten greifen, da es staatlich erwünscht ist, dass Lebensmittel billig sind, weshalb die industrielle Landwirtschaft gefördert wird – bei gleichzeitigem teilweise unfairem Wettbewerbsdruck aus dem globalen Handel. Dabei hat uns die Corona-Pandemie gezeigt, wie schnell die Grenzen schließen können und die Versorgung mit Lebensmitteln aber ein Grundbedürfnis der Menschen ist, welches in unserer Konsumgesellschaft bereits zur Selbstverständlichkeit geworden war. Die Subventionierung der Landwirtschaft hat zu einer „Entwertung“ der Lebensmittel geführt, was sich unter anderem in Schleuderpreisen und überdimensionaler Lebensmittelverschwendung niedergeschlagen hat. Hinzu kommen globale Marktverflechtungen und Abhängigkeiten der Industrienationen auf Kosten der Ärmsten. Diese Zusammenhänge sind hinlänglich bekannt, aber es fällt schwer, sich aus der Komfortzone heraus zu bewegen. Das „True Cost Accounting“ ist eine Möglichkeit, alle Produktionskosten transparent zu machen und sie zu internalisieren. D. h.: Die Kosten, die etwa aus Kollateralschäden entstehen, werden bewertet und dem jeweiligen Produkt zugeordnet. Das in Europa gültige Vorsorgeprinzip erhält dadurch mehr Gewicht.

Um beim Beispiel Wasser zu bleiben, einem Gut, das jedem Mensch zugänglich sein sollte: Eine Besteuerung von chemischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln einzuführen, wäre eine gute Lösung, sowohl im Hinblick auf die Kosten, die bei Herstellung und beim Transport dieser Chemikalien entstehen (fossile Brennstoffe, CO2-Bilanz etc.), als auch im Hinblick auf die Wasseraufbereitungskosten, die möglichen Kosten durch Gesundheitsprobleme bei den Anwendern (Landwirte) etc. Ein System aus Kosteneinberechnung und Steuerungsmodellen kann den gesellschaftlichen Wandel herbeiführen. Der Paradigmenwechsel wird nicht allein von der Landwirtschaft bewerkstelligt, sondern von der gesamten Gesellschaft, die eben ihr Konsumverhalten in Frage stellen muss.

Ebenfalls eine Überlegung wert, ist die Neugestaltung der Agrar-Umwelt-Klima-Maßnahmen in Luxemburg. Wenn Luxemburg bisher für jeden Euro aus Brüssel 4 Euro dazulegen konnte, um die Landwirtschaft umweltfreundlicher zu gestalten, warum dann nicht die Milchproduktion in Luxemburg dergestalt fördern, dass die Milch aus dem betriebseigenen Grundfutter, d. h. grünlandbasiert mit flächenangepassten Tierzahlen, ermolken werden kann? Gesunde Tiere, gesunde Betriebsgrößen, dazu passende Subventionierung = zufriedene Landwirte und Bevölkerung. Das Verursacherprinzip greift und jede(r) Verursachende trägt die Konsequenzen seines Handelns, im negativen wie im positiven Sinne.

Naturnahe Landbewirtschaftung und Ernährung hat übrigens bereits einen Namen – Biolandwirtschaft. Ein bestehendes System aus Richtlinien, Kontrollen, Zertifizierung und Landwirt*innen, die an der Idee des Gemeinwohles, der post growth economy, festhalten. Warum das Rad neu erfinden, wenn wir ein erfolgreiches System einfach anwenden können? Lëtz make Luxembourg organic!

Daniela Noesen ist Direktorin der Vereenegung fir Biolandwirtschaft Lëtzebuerg a.s.b.l.

 

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