31 Vorschläge für eine Politik der Resilienz (Reaktion auf Vorschlag 12: Christina Fabian)

Vorschlag 12 der forum-Redaktion: Der Umbau der europäischen Wirtschaft und der internationalen Organisationen nach Chinas Maßgaben ist auch in Luxemburg kritisch zu hinterfragen. Luxemburg muss seine opportunistische Strategie gegenüber China, Russland und den Staaten am Golf endlich überdenken und die Zusammenarbeit konsequent an die Einhaltung der Menschenrechte koppeln.

Reaktion 12 von Christina Fabian:

Eigentlich können wir uns in Luxemburg glücklich schätzen, was den internationalen Einsatz für die Einhaltung der Menschenrechte angeht: Mit Jean Asselborn, dem dienstältesten Außenminister innerhalb der EU, haben wir im Prinzip einen mutigen und engagierten Anwalt, der sich weltweit für Menschenrechte einsetzt. Nun hat sich aber auch Luxemburgs Engagement für Menschenrechte daran zu messen, inwieweit bei allen wirtschaftlichen Beziehungen die Einhaltung der Menschenrechte mitverhandelt wird. Und da fällt die Bilanz, wie am Beispiel China zu zeigen ist, weniger positiv aus.

Mit Beginn der Corona-Epidemie sind die Beziehungen zu China, dem Land, in dem das Virus zuerst aufgetreten ist, international in besonderer Weise in den Mittelpunkt gerückt. Die USA und damit auch die EU positionieren sich neu zu China. Spätestens seit dem Amtsantritt von Xi Jinping 2013 trat China mit der Belt and Road Initiative (BRI) vehement auf den europäischen Plan. Seit einiger Zeit schon versucht China seinen Einfluss in internationalen Organisationen wie etwa der UN geltend zu machen, nicht nur um eigene Positionen umzusetzen, sondern auch, um chinesische Begriffe und Wertvorstellungen in wichtigen UN-Dokumenten unterzubringen, so Volker Stenzel von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Auf vielen Ebenen versucht China, internationale Beziehungen und Handel nach seinen Wertmaßstäben zu gestalten. Die neuesten Entwicklungen zeigen, dass diese Strategie an ihre Grenzen stößt. Es gibt Stimmen, die warnen, dass China seinen „Vorsprung“ in der Pandemie ausnutzen könnte, um etwa in Europa strategische Investitionen zu tätigen (vgl. SZ vom 30. April 2020, „Epochales Risiko“). Der Außenbeauftragte der EU Josep Borrel hat im Februar 2020 angemahnt, dass die EU u. a. gegenüber China eine „Sprache der Macht“ lernen müsse. Max J. Zenglein, Chefökonom des anerkannten Mercator Instituts für Chinastudien in Berlin, stellt am 10. Juli 2020 fest: „Europe should realize it has leverage to stand up to China. Beijing’s need for technologies and investments means Brussels can be bolder.“ Borrell sieht in der zu großen Erstarkung Chinas eine Gefahr für die westliche Weltordnung. Wenn wir davon ausgehen, dass es ihm auch ernst ist mit der Wahrung des westlichen Wertesystems, das auf den Universalen Menschenrechten basiert, dann wäre das ein positives und längst überfälliges Signal von Seiten der EU.

Zurück nach Luxemburg und zu den (Handels-)Beziehungen zwischen dem großen China und dem kleinen Luxemburg. Und die haben schon eine lange Geschichte. Da ist in einer Pressemitteilung von der Partei „déi gréng“ vom 13. Oktober 2010 Folgendes zu lesen: „Die Luxemburger Politik gegenüber China wird allein vom Wirtschaftsministerium vorgegeben. Eine an Menschenrechten ausgerichtete Außenpolitik hingegen scheint nicht auf der Tagesordnung zu stehen. Sowohl Premierminister Juncker wie auch Außenminister Asselborn halten sich in dieser Frage vornehm zurück.“ (Sam Tanson, Parteipräsidentin) Am 27. März 2019 wurde das Abkommen zur Zusammenarbeit im Rahmen BRI in Anwesenheit von Premierminister Xavier Bettel in Bo’ao (Hainan) unterschrieben. Damit ist Luxemburg nach Italien das zweite EU-Land, das der BRI beigetreten ist. Auf der Seite von OBOReurope, einer Organisation, die offensiv die Entwicklung der Seidenstraße in Europa propagiert, heißt es unter der Überschrift Luxembourg, a member of BRI: „Luxembourg has built its economic success on European integration and trade; Luxembourg shares with China the same motivation to build an open world.“ Es müsste an dieser Stelle wohl eher heißen, eine „offene Handelswelt“, denn China ist im Jahr 2020 mit zunehmender digitaler Überwachung der eigenen Bevölkerung, der massiven Unterdrückung der Freiheitsrechte in Hongkong und den sogenannten Umerziehungslagern in Xinjiang, wo nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen mehr als eine Million Uiguren festgehalten werden und Repressalien bis hin zu Folter ausgesetzt sind, wohl denkbar weit von einer offenen Welt entfernt.

Im Journal vom 12. April 2019 wurden die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen „ungleichen Ländern“ aufgezeigt. Ende 2013 etwa wurden drei Prozent der Cargolux an eine chinesische Investorengruppe verkauft. Sieben chinesische Banken gibt es mittlerweile in Luxemburg, die BIL und eine weitere Bank sind mehrheitlich im Besitz von chinesischen Aktionären, chinesische Anlageverwalter haben sich Luxemburg als Standort gewählt, Luxemburg ist führend bei der Renminbi-Abwicklung, und so geht es weiter. Offensichtlich ist das kleine Luxemburg für China als Sprungbrett in den EU-Markt attraktiv. Die Luxemburger Politik wäre gut beraten, die Beziehung zu China nicht allein dem Wirtschaftsministerium zu überlassen und auch in EU-Kreisen seinen Einfluss verstärkt für die Wahrung der Menschenrechte und die Vision einer „offenen Welt“ geltend zu machen.

Die chinesischen Zeichen für „Krise“ beinhalten bekanntlich die Begriffe Gefahr und Chance. Die Menschenrechtsorganisationen sind gehalten, die Chancen für die Menschenrechte zu sehen und zu ergreifen, die sich national und international in den Umstrukturierungen der Nach-Corona-Zeit auftun werden. Und so stellen wir direkt eine konkrete Frage an die Verantwortlichen in Luxemburg in Politik und Wirtschaft: Welchen Stellenwert wird in den sich rasant entwickelnden Wirtschaftsbeziehungen zu China die Frage der Menschenrechte haben? Wie deutlich werden schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, willkürliche Verhaftungen, Folter und systematische unmenschliche Behandlung in Zukunft angesprochen werden? Wann gibt es endlich eine gesetzlich verankerte Sorgfaltspflicht für die Wahrung der Menschenrechte im Bereich der Wirtschaft? Schon längst wird diese von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Gewerkschaften im Zusammenhang mit dem zweiten Aktionsplan Unternehmen und Menschenrechte (2020) propagiert und eingefordert.

 

Christina Fabian ist Präsidentin von ACAT Luxembourg.

 

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