- Politik
31 Vorschläge für eine Politik der Resilienz (Reaktion auf Vorschlag 18: Luc Theisen)
Vorschlag 18 der forum-Redaktion: Andererseits müssen die personellen Ressourcen des Staates und der Kommunen ausgebaut werden, wenn die Aufgaben der öffentlichen Hand in Zukunft tendenziell zunehmen. Dazu werden weitere Lockerungen der Zugangsberechtigungen zum Staatsdienst, die Reduzierung der Sprachanforderungen und reelle Sanktionsmöglichkeiten bei individuellem Fehlverhalten notwendig sein.
Reaktion 18 von Luc Theisen:
Im Oktober 2019 stellte Marc Hansen (DP), Minister für den öffentlichen Dienst, die ersten Schlüsselzahlen des neuen Centre de gestion du personnel et de l’organisation de l’Etat vor. Insgesamt 28.326 Menschen arbeiten für die allgemeine Verwaltung, im Bildungswesen, der Polizei und Justiz (exklusiv Gemeinden und öffentliche Einrichtungen). Etwa zeitgleich, nämlich bei der Vorstellung des Staatsbudgets, verkündete Finanzminister Pierre Gramegna (DP), dass im Jahr 2020 1.830 zusätzliche Stellen beim Staat entstehen sollen.
Mit steigenden Bevölkerungs- und Pendlerzahlen werden die Aufgaben und Herausforderungen des Staates immer größer, und es gilt ständig, die personellen Ressourcen weiter auszubauen. Hier stellen sich aber mehrere Fragen: Wie soll der Staat als Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt agieren, um kompetentes Personal zu finden? Welche Kriterien soll oder muss ein*e Kandidat*in erfüllen, um beim Staat arbeiten zu dürfen? Wie schafft es der Staat, attraktiv und innovativ zu sein? All dies sind nur einige Fragen, die sich die Verantwortlichen des öffentlichen Dienstes und die Politik stellen müssen. Diese Fragen lassen sich aber nicht für jeden Bereich gleich beantworten, weshalb ich mich im Folgenden auf die Stellen der allgemeinen Verwaltung des Staates konzentrieren werde.
Fakt ist, dass der Staat kompetentes Fachpersonal braucht und im Gegenzug dafür auch eine gewisse Sicherheit, anspruchsvolle Aufgaben sowie eine attraktive Bezahlung bieten muss. Aktuell fällt es dem Staat allerdings nicht leicht, offene Stellen mit geeignetem Personal zu besetzen. Es gibt zu wenig Bewerber*innen, und dies ist auf drei Faktoren zurückzuführen:
Erstens ist der Staat als Arbeitgeber nicht sonderlich attraktiv. Mangelnde Flexibilität sowie ein veraltetes System hemmen die Innovation und halten potenzielle Bewerber*innen davon ab, sich beim Staat zu bewerben. Die Karrierewege sind starr und lassen kaum Freiraum für Selbstverwirklichung. Kandidat*innen wissen von Anfang an, wie ihre Karriere verlaufen wird, und es gibt wenig zusätzlich finanzielle oder extrinsische Motivation, sich zu engagieren. Einzig und allein die intrinsische Motivation der Mitarbeiter*innen zählt. Zusätzlich wirkt es nicht gerade fördernd, wenn Staatsbeamt*innen wissen, dass hohe Positionen, wie z. B. die des ersten Regierungsrates, nur selten mit bereits vorhandenem Personal aus dem öffentlichen Dienst besetzt werden. Problematisch ist dies für den Ansporn der „internen“ Staatsdiener*innen, wenn die Führungspositionen von „Externen“ besetzt werden. Hier kommt ein weiterer hemmender Faktor ins Spiel: Selbst bei einem sehr hohen Vergütungsniveau zahlt der Staat bei Führungspositionen oft weniger, als dies bei vergleichbaren Positionen in der Privatwirtschaft der Fall ist. Dies macht es für den Staat nicht gerade leichter, kompetente Kandidat*innen für Führungspositionen zu rekrutieren.
Zweitens muss der Staat als Arbeitgeber innovativer werden und neue Wege gehen. Er soll den internen Konkurrenzkampf fördern und auch allen die Möglichkeit geben, auf der Karriereleiter auf- aber auch abzusteigen. Reelle Sanktionsmöglichkeiten müssen geschaffen werden, um Fehlverhalten oder mangelnder Leistung und Motivation entgegenwirken zu können. Diese Sanktionsmöglichkeiten sollten allerdings im Einklang mit den Werten sowie der sozialen Verantwortung des Staates vollstreckt werden. Zusätzlich halte ich einen ständigen Wechsel der Kandidat*innen zwischen dem privaten sowie dem staatlichen Sektor für besonders bereichernd – dies sollte gefördert werden. Beide Sektoren müssen interagieren und zusammenarbeiten, damit es Luxemburg und der Wirtschaft weiterhin gut geht.
Drittens könnten beispielsweise die Zugangskriterien für den Staatsdienst gelockert werden, um die Anzahl an Bewerber*innen zu erhöhen. Aktuell besteht das Problem, dass es von rund 600.000 Einwohner*innen und 200.000 Grenzgänger*innen heute nur 260.000 Wahlberechtigte (Stand: 2018) und somit auch ungefähr die gleiche Anzahl an potenziellen Bewerber*innen für den öffentlichen Dienst gibt. Leider ist derzeit eine Öffnung des „echten“ öffentlichen Dienstes für Ausländer*innen noch immer ein Tabuthema. Die Zugangskriterien bezüglich Sprache und Nationalität sind veraltet und entsprechen nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten. Hier muss es endlich eine Anpassung geben. Nicht nur um mehr Kandidat*innen zuzulassen, sondern auch um die Zulassung gerechter zu gestalten und das Image loszuwerden, dass alle Luxemburger*innen früher oder später zum Staat wechseln werden. Eine angemessene Kenntnis der drei Verwaltungssprachen ist wichtig, aber nicht zwingend für jede Position nötig. Die Sprachkenntnis muss auch kein Einstellungskriterium sein, sondern könnte z. B. als Meilenstein für den erfolgreichen Abschluss des „Stage“ verlangt werden.
Die Sicherheit, die der Staat als Arbeitgeber bieten kann (finanziell sowie sozial und arbeitsrechtlich), ist für viele Kandidat*innen ausschlaggebend, um eine Karriere beim Staat anzustreben. Verständlich, bei den aktuell herrschenden Preisen am Immobilienmarkt und den Lebensunterhaltungskosten in Luxemburg. Dies soll aber nicht der einzige Grund für eine Karriere beim Staat sein. Die Aufgaben sind interessant, und die Attraktivität sollte nicht unter starren Strukturen sowie unflexiblen Karrierewegen leiden. Hier muss der Staat nicht nur tiefgreifende strukturelle Reformen angehen, sondern auch an seinem Image arbeiten und dabei auch gerne neue Schritte wagen.
Luc Theisen ist Bauingenieur und arbeitet beim Luxemburger Start-Up UFT SA. Er ist Mitglied im Gemeinderat von Esch/Alzette und stellvertretender Sekretär der CSJ.
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