- Politik
31 Vorschläge für eine Politik der Resilienz (Reaktion auf Vorschlag 27: Ines Kurschat)
Vorschlag 27 der forum-Redaktion: Eigentlich profitable, privatwirtschaftliche Medienunternehmen benötigen in Luxemburg keine zusätzliche staatliche Alimentierung, sondern vernünftige Rahmenbedingungen, um ihre Arbeit professionell ausführen zu können, insbesondere ein Informationszugangsgesetz, um die Arbeit der Verwaltungen gerade auch in Krisenzeiten für die Öffentlichkeit transparent zu machen. Staatliche Hilfen dürfen hingegen nur ein Ziel verfolgen: die Konzentration im Medienmarkt aufzuhalten und Diversität zu fördern. Daneben gilt es, ein starkes öffentlich-rechtliches Radio und audiovisuelles Programm zu etablieren, das den anderen Medien als Benchmark dienen kann.
Reaktion 27 von Ines Kurschat:
Im Corona-Lockdown haben mehr Menschen als zuvor klassische Medien konsumiert – auf der Suche nach verlässlichen Informationen zur Pandemie; ein Hoffnungsschimmer für den Profi-Journalismus, der sich seit Aufkommen des Internets und dem damit einhergehenden Verlust des Informationsmonopols in einer Krise befindet. Was vielversprechend erscheint, übertüncht jedoch nicht die strukturellen Schwächen, die die Säulen des Journalismus, wie wir ihn kennen, erschüttern.
Zum einen hat das Notstandsszenario vor Augen geführt, dass ohne gesetzlich verbrieften Informationszugang eine Regierung leichtes Spiel hat, der Öffentlichkeit und der politischen Opposition Informationen vorzuenthalten. Ein unabhängiger Journalismus braucht die Verpflichtung der Behörden, Medienanfragen zu beantworten. Positiv ist, dass sich Medien und Opposition zusammentaten und so die Abschottung teils aufgebrochen werden konnte. Es gibt ein neues Bewusstsein unter Journalist/innen und Politiker/innen dafür, dass Transparenz und Auskunftsrecht für eine wirksame Kontrolle demokratischer Prozesse und Institutionen unverzichtbar sind.
Das war es aber auch schon. Nicht gelungen ist es, der Bevölkerung zu vermitteln, dass Analysen und Recherchen Geld kosten. Die Gratis-Mentalität ist tief verankert. Darüber kann der zwischenzeitliche Run auf klassische Medien nicht hinwegtäuschen. Die Zukunft eines vielfältigen und seriösen Journalismus sieht düster aus. Der Auflagen- und Leser/innenschwund, den die Verlage schon vor Corona spürten, droht sich fortzusetzen, und es ist zu befürchten, dass im nächsten Jahr weitere Titel verschwinden.
Mit Corona ist ein durchs Internet sich rasant wandelnder analoger Anzeigenmarkt komplett zusammengebrochen und der Einnahmenausfall drückt selbst Medien, die zuvor einigermaßen gut über die Runden gekommen sind, an die Grenzen ihres Geschäftsmodells. Es ist anzunehmen, dass der Trend anhält, ohne dass die Online-Produkte die weggebrochenen analogen Einnahmen ersetzen, daran ändern Paywalls, Premium-Angebote oder andere Modelle des Paid Content nichts.
Neue Lesegewohnheiten und Produktionstechnologien setzen dem Profi-Journalismus zu. Jede/r kann heute einen Blog betreiben und eigene Nachrichten generieren. Die Gratis-Mentalität wird durch soziale Netzwerke befeuert. Sie dienen Nutzer/innen als Informationsorte, an denen sie Inhalte nach Gusto zusammenstellen und vertreiben, ohne dass die eigentlichen Produzenten, die Verlage, davon gleichermaßen profitierten. Während Google, Facebook, Instagram usw. ihre Gefolgschaft ausbauen, werden sie als Broker von Nachrichten immer wichtiger. Zugleich verlieren klassische Medien den direkten Zugang zu den Verbraucher/innen. Ihren Versuch, Internet und Digitalisierung zunächst quasi auszusitzen, und ihre Arroganz, die Verbraucher/innen statt als partizipative Subjekte als passive Konsument/innen zu sehen, bezahlen Verlage heute teuer.
Die Suche nach alternativen Geschäftsmodellen im digitalen Zeitalter bei gleichzeitigem Erhalt (Ausbau) der journalistischen Qualität ist kaum einem Medium in überzeugender Weise gelungen; die wenigen Online-Nachrichtenportale hierzulande sind zu jung (und ebenfalls subventioniert), um ihre Wirtschaftlichkeit verlässlich zu bewerten.
Unter diesen Vorzeichen mutet der Wunsch, Medien mögen ohne staatliche Unterstützung profitabel sein, utopisch an. Er verkennt die Dominanz der Internet-Monopolisten, er übersieht, wie stark die Machtungleichgewichte auf dem Anzeigenmarkt sind und wie schwierig es für klassische Medien ist, der wachsenden Konkurrenz auf dem Nachrichtenmarkt zu begegnen.
Guter Journalismus, ist zu befürchten, wird mehr denn je zum Nischenprodukt. Hochwertiger Journalismus war immer schon meritorisches Gut, also ein Gut, bei dem die private Nachfrage dem gesellschaftlich erwünschten Ausmaß hinterherhinkt. Das Problem ist, dass mit der in die sozialen Netzwerke abwandernden Information nicht nur das Gratis-Konsumverhalten durch Likes belohnt und verfestigt wird, sondern dazu kontraproduktive Lesegewohnheiten entstehen: kürzere Texte, Entertainment, Algorithmen, die Klicks provozierende Schlagzeilen begünstigen statt anspruchsvolle Inhalte. Kleinere Medien mögen sich dank einer zahlungsfähigen (elitären) Kundschaft in einer Nische einrichten. Aber sie haben meist die Ressourcen nicht, um große Recherchen zu stemmen. Zusammenschlüsse von Journalist/innen können dieses Manko teilweise auffangen, aber ersetzen keine kritische Berichterstattung auf lokaler Ebene. Gleichzeitig verliert der journalistische Beruf wegen schlechterer Zukunftsaussichten an Attraktivität.
In Luxemburg hat die Pressehilfe bisher dazu beigetragen, eine gewisse Medienvielfalt zu erhalten. Aber zum einen war sie nicht fair verteilt, weil nicht hauptsächlich bedürftige Medien Unterstützung erfahren hätten. Zum anderen setzt die geplante Reform den Wert der Journalist/innen so niedrig an, dass Medien (auch) in Zukunft riskieren, ein Dasein am Existenzminimum (oder leicht darüber) zu fristen. Die Pressehilfe hat zudem den Nachteil, dass sie direkt vom Staat bezahlt wird und somit zwangsläufig das Bild staatskonformer Medien stützt – dies in einer Zeit, in der anti-etatistische Verschwörungstheorien immer mehr Anhänger/innen finden und das Vertrauen in klassische Medien, vom Corona-Zwischenhoch abgesehen, auf einem Tiefpunkt ist.
Was tun? Journalist/innen und Verleger müssen sich gemeinsam mit den Verbraucher/innen Gedanken darüber machen, welche Berichterstattung und Informationen in einer funktionierenden Demokratie wichtig sind – und wie sie zu finanzieren wären. Die Debatte um andere Bezahlformen gehört in die breite Öffentlichkeit: seien dies gemeinschaftsfinanzierte Ansätze oder von Stiftungen fundierte Rechercheprojekte. Auch eine Gebühr, ähnlich wie in Deutschland für die Öffentlich-Rechtlichen, oder die komplette Steuerbefreiung, um die Gemeinnützigkeit zu unterstreichen, sind denkbar. Die Pressehilfereform wäre auf diesem Weg bestenfalls eine Etappe.
Ines Kurschat ist Journalistin beim Lëtzebuerger Land und Präsidentin der Association luxembourgeoise des journalistes professionnels (ALJP).
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