- Politik
31 Vorschläge für eine Politik der Resilienz (Reaktion auf Vorschlag 31: Gilles Mertz)
Vorschlag 31 der forum-Redaktion: Die gestiegene Bedeutung der Wissenschaft als Grundlage politischer Entscheidungen ist absolut zu begrüßen. In den Prozess der Entscheidungsfindung sollten jedoch nicht nur Virologie und Ökonomie integriert sein, sondern z. B. auch Psychologie, Anthropologie und Soziologie. Selbst die Linguistik könnte einen Beitrag dazu leisten, etwa wenn es darum geht, eine Sprache zu verwenden, die niemanden von vorneherein aus der demokratischen Debatte ausschließt.
Vorschlag 31 von Gilles Mertz:
Mit der Ausbreitung des Coronavirus hat die Virologie ein wichtiges Sprachrohr im politischen Diskurs erhalten, das politische Entscheidungen maßgeblich beeinflusst hat und auch in Zukunft beeinflussen wird. Nun darf es aber nicht so sein, dass politische Entscheidungen ausschließlich auf einer unidisziplinären Analyse beruhen. Auch wenn es aus einer epidemiologischen Perspektive richtig ist, die Ausbreitung eines Erregers anhand virologisch-wissenschaftlich erwiesener Fakten einzudämmen, so wurde doch im Falle des Coronavirus die psychologische Dimension dieser Entscheidung stark vernachlässigt. In diesem speziellen Fall war es aufgrund des Zeitdrucks notwendig, anhand der vorhandenen virologischen Daten schnell Entscheidungen zu treffen.
Nun ist es aber nicht das erste Mal in der Geschichte, dass politische Entscheidungen aufgrund von unidisziplinären Daten getroffen wurden. Man blicke nur auf die Wirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte. Politik und Wirtschaft kreisen seit Jahrzehnten um Theorien und Modelle, die rein auf Wirtschaftswachstum und Arbeitslosenbekämpfung ausgerichtet sind und die ihre Wurzeln in der neoklassischen Wirtschaftstheorie des 20. Jahrhunderts haben, in der von „perfekten“ freien Märkten und dem Homo oeconomicus die Rede ist. Wir leben aber im Jahr 2020 und das Bild, das an den Universitäten vermittelt und in der Politik verankert wird, ist mehr als fraglich. Auf diesen „perfekten“ Märkten kaufen Konsumentinnen und Konsumenten nicht immer, was sie brauchen, sondern auch, was sie denken zu brauchen. Arbeitslosigkeit erweist sich eher als ein strukturelles als ein konjunkturelles Problem.
Man sieht also, dass die Wirtschaftstheorie alleine an ihre Grenzen stößt, was wiederum auf den Punkt zurückführt, dass politische Entscheidungen nicht alleine auf der Analyse einer einzigen Disziplin fußen sollten. Wir brauchen ein ganzheitliches Denken, welches verschiedene Akteurinnen und Akteure um ein Thema zusammenbringt und sich nicht davor verschließt, Paradigmen zu verschieben.
Es ist die Pflicht unserer Politikerinnen und Politiker, „outside the box“ zu denken und keine Scheu vor Veränderung zu zeigen. Dafür brauchen wir Politikerinnen und Politiker mit Mut, Charakter und Verstand, die selbstbewusst politische Entscheidungen infrage stellen und auch die Zivilgesellschaft in die Debatten einbinden. Natürlich spielt die Linguistik als Wissenschaft hier auch eine Rolle. Die Jonk Piraten sehen allerdings die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger an der politischen Debatte als bessere Lösung, weil es in der Politik nicht nur darum geht, die Menschen zu informieren, sondern sie an der Gestaltung der politischen Entscheidungen teilhaben zu lassen.
Gilles Mertz ist seit 2013 Mitglied bei der Piratenpartei und den Jonk Piraten, arbeitet als parlamentarischer Berater bei der Sensibilité Politique Piraten und studiert aktuell Wirtschaftswissenschaften in Belgien. Er ist verheiratet und hat ein Kind. Sein Hauptanliegen in der Politik ist es, für mehr Bürgerbeteiligung zu sorgen.
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