Wollen Sie mehr über die Hintergründe der #Luxleaks erfahren, dann können Sie die Beiträge lesen, die forum zum Thema in den letzten Jahren veröffentlicht hat.
forum 328: Steuerlandschaft Luxemburg
Das Dossier von April 2013 können Sie hier integral als PDF herunterladen. Darin sind folgende Artikel lesenswert:
- forum, Das verlorene Paradies: „Wenn US-amerikanische Unternehmen regime shopping3 betreiben, dann steht Luxemburg im Moment oben auf der Liste. Etwas mehr als 10 % der gesamten Auslandsgewinne von US-Unternehmen wurden 2005 in Luxemburg besteuert, was ca. 34 Milliarden Dollar entsprach (nur die Niederlande bekamen ein noch größeres Stück des Kuchens ab). Der Transit ihrer Gewinne via Luxemburg lohnte sich für diese Unternehmen, denn der effektive Steuersatz lag im Durchschnitt bei gerade mal 0,9 %. Der Unterschied zwischen dem maximalen Steuersatz, wie er gesetzlich festgelegt ist (taux nominal), und dem Steuersatz, den multinationale Unternehmen tatsächlich zahlen (taux effectif ), ist in Luxemburg mit am höchsten.“
- Interview mit dem damaligen Finanzminister Luc Frieden u.a. zur Steueroptimierung. Seine Antwort 2013: „Wir müssen uns grundsätzlich fragen, wovon wir leben. Firmen, die in Luxemburg ansässig sind, agieren in einer globalen Welt. Sie suchen nach dem Ort, wo die Bedingungen am günstigsten sind. Wenn wir in Zukunft keine internationalen Aktivitäten mehr wollen, wenn wir uns auf Handwerksbetriebe beschränken – die ich schätze – dann kann Luxemburg nicht weiter die Ausgaben tätigen, wie wir es im Moment tun.“
- Mike Mathias, Luxemburg und der große Steuerraub: „Das europäische Sozialmodell kann nur dann gerettet werden können, wenn die Steuerschlupflöcher für transnationale Konzerne geschlossen und diese an der Finanzierung der Gesellschaft beteiligt werden.“
- Roger Molitor, Le blanc, le gris et le noir: „Il n’existe pas d’harmonisation fiscale à l’intérieur de l’UE. Les entreprises opérant sur une base internationale doivent jongler les droits fiscaux des différents États membres.“
- Alain Steichen, À la croisée des chemins: „Cet avantage concurrentiel basé sur la culture du pays ne doit pas être sacrifié sur l’autel des envieux, nombreux, mais doit au contraire être développé et renforcé dans la mesure du possible.“
Weitere Beiträge in forum
Nico Fehlen, Bringschuld: „Denn eines ist klar: Auch wenn Luxemburg nicht Zypern ist, so wird der Druck auf Luxemburg nicht ab-, sondern weiter zunehmen. Die Frage ist also nicht so sehr, ob der Wandel kommt, sondern vielmehr, ob er die Form eines zu bewältigenden graduellen Wandels oder eines desaströsen Schocks annimmt.“
public forum – Spar- und/oder Steuerpolitik: Mike Mathias (43 min., 55 MB) (Mitglied der Action solidarité Tiers Monde) über die Steuervermeidungsstrategien großer Unternehmen und welchen Schaden „attraktive Steuerlandschaften“ in Entwicklungsländern anrichten.
Jürgen Stoldt, Friss oder stirb: Über die Verlegung des Firmensitzes des griechischen Unternehmens FAGE nach Luxemburg
Unsere aktuellste Analyse der Situation
(veröffentlicht im Septemberheft 2014/343 von forum) :
„Luxemburg bediente in den letzten 20 Jahren ja nicht nur die französischen Medien und Politiker mit einem sehr attraktiven Feindbild: das einer gigantischen Waschmaschine für schmutziges oder graues Geld. Die immer wieder erhobenen Vorwürfe sind zwar in Luxemburg an den Verantwortlichen abgeperlt, haben den Ruf des Landes im Ausland aber nachhaltig geprägt. Nachdem das Private Banking in Luxemburg durch die endlich erzwungene Aufgabe des Bankgeheimnisses auf dem Rückzug ist, fällt die internationale Aufmerksamkeit auf ein anderes, ebenso unschönes Phänomen: das einer völlig legalen, global vernetzten Steuerverhinderungsindustrie, bei der der hiesige Finanzplatz offenbar eine nicht unwesentliche Rolle spielt.
Dass Luxemburg in diesem Zusammenhang tatsächlich als Ärgernis wahrgenommen wird, hat sich auf europäischen Gipfeln, Berichten u. a. der OECD und in Auslassungen nicht nur französischer Politiker niedergeschlagen. Ein Höhepunkt öffentlicher Kritik war die Ende 2013 publizierte Streitschrift des ansonsten sehr ernstzunehmenden Ökonomen Gabriel Zucman: Er forderte kurzerhand den Ausschluss Luxemburgs aus der EU und anderer internationaler Organisationen aufgrund der wenig kooperativen Haltung des Großherzogtums in Fragen der Besteuerung internationaler Unternehmen und vermögender Privatpersonen. Zucman deutet an, was auch in Luxemburg unter Intellektuellen, Wissenschaftlern und Journalisten ein beliebter Topos ist, dass das Land nämlich schon längst eine Kolonie des „internationalen Finanzkapitals“ sei, eine Art failed state inmitten Europas. Vom vorherigen Finanzminister war ohne Zögern bestätigt worden, dass die den Finanzplatz betreffenden Gesetze von den interessierten Unternehmen praktisch selber geschrieben werden (an erster Stelle die Big 4 des Audits, die in Luxemburg nicht von ungefähr einige ihrer weltweit größten Standorte unterhalten). Die luxemburgischen Regierungsstellen verstecken keineswegs, dass sie ihre Kompetenzen im Steuer- und Finanzbereich weitgehend an die international tätigen Finanzdienstleister outgesourct haben.
Luxemburg hat sich dadurch zum wichtigsten, vielleicht sogar einzigen wirklich international aufgestellten Finanzplatz innerhalb der Eurozone entwickelt. Mitten in Euroland wird hier ein internationaler Finanzplatz betrieben, der (spätestens seit der Abwicklung der Arbed) auf keinerlei nationale, binnenwirtschaftliche Interessen Rücksicht nehmen muss – und damit gegenüber Paris oder Frankfurt einen schönen Vorteil genießt.
Im Sprachgebrauch der Finanzwirtschaft ist unser beschauliches Land eine jurisdiction, ein Rechtsraum, der über eine vielleicht beschränkte aber nichtsdestotrotz wertvolle Zuständigkeit im Steuer-, Finanz- und Unternehmensrecht verfügt. Der US-amerikanische Bundesstaat Delaware, die Virgin-Islands, Jersey, der Schweizer Kanton Zug, Großbritannien, die Niederlande usw. sind für die Finanzwirtschaft auch nur Jurisdiktionen, die in interner Konkurrenz zueinander zwar ihre Vorteile zu maximieren versuchen, aber bei konkreten Finanzmontagen immer im Verbund spielen. Sie dienen allesamt letztlich einer im globalen Umfeld zumeist legalen Umgehung der verschiedenen nationalen Steuerregelungen.
Double-no-imposition, Auslagerung von Patentrechten und anderen „immateriellen“ Werten, Tax-Ruling (Vorentscheidungen der Steuerbehörden hinsichtlich der zukünftigen Besteuerungsgrundlage), Niederlassung von Headquarter-Funktionen bis hin zur Etablierung des Wohnortes vermögender Privatpersonen zur Umgehung etwa von Erbschaftssteuern sind einige der Stichworte, die den Erfolg nicht nur unseres Standortes ausmachen. Diese oftmals gar nicht so komplexen Steuervermeidungsstrategien führen auf direktem Wege zu einer Ausdünnung der Steuereinnahmen der mit uns befreundeten Nationalstaaten. Im Visier dieses professionell organisierten Raubzuges stehen, so scheint mir, in erster Linie nicht Petro-Monarchien oder russische Oligarchen, sondern die immer noch sehr vermögenden westeuropäischen Nationalstaaten, deren Gesellschaftsmodelle auf einer hohen Staatsquote, entwickelten Sozialsystemen und einer demensprechend starken innergesellschaftlichen Solidarität basieren.
Die Frage stellt sich natürlich, ob dieses Geschäftsfeld auf Dauer mit der europäischen Ausrichtung Luxemburgs im Einklang steht, und ob die Finanzfestung nicht doch aus gutbegründetem Eigeninteresse zum Teil geschleift werden sollte. Der von dieser Regierung angestrebte Wandel zu einer auf Innovation, Forschung und unternehmerischer Dynamik basierenden Wirtschaft, weg von den Souveränitätsnischen der Vergangenheit ist sicherlich ein wichtiger Schritt.“
Aus Welches Fundament für Staat und Nation? Luxemburgs Selbstverortung im 21. Jahrhundert, Jürgen Stoldt, forum Nr 343, September 2014
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