
Brigitte Ley
Ben Becker: Ich, Judas (DVD)
In Zeiten, wo sich die Frage vermeintlicher Schuld entfaltet und nichts mehr so ist wie zuvor, trifft dieser Film uns ins Mark: Ich, Judas, kongenial auf die Bühne gebracht von Ben Becker und als Film inszeniert vom Regisseur Serdar Dogan, bringt Ihnen das „enfant terrible der deutschen Schauspielszene“, der mit diesem Projekt den Nerv der Zeit trifft und uns nachhaltig zum Nachdenken anregt, auf den Bildschirm. Für Zuschauer, die gerne in die Tiefe gehen, liefert Becker eine Apologie, „eine Verteidigungsrede des Judas Ischariot“, basierend auf faszinierenden Texten des deutschen Schriftstellers, Kritikers, Übersetzers und Gelehrten Walter Jens sowie des israelischen Autors und Intellektuellen Amos Oz. Der Film lässt uns zweifeln an der 2000 Jahre alten Geschichte und Überzeugung, ob der bekannteste Verräter der Religionsgeschichte wirklich als schuldig angesehen werden kann. Becker streut diese Zweifel mit subtilen Andeutungen zu den Geschehnissen aus einer dunklen Vergangenheit. Das Multitalent mit seiner rauen und kratzigen Stimme verkörpert fulminant die Rolle des Judas und klärt uns über das größte Missverständnis der Glaubensgeschichte auf. „Was war denn zu verraten? Judas ist nichts ohne Jesus… Aber Jesus ist auch nichts ohne Judas.“ Becker sagte dazu: „Es ist mehr als eine Rolle …, Judas ist eine Kampfzone, ein Schlacht- Kraftfeld, aufgeladen mit der Verachtung und Feindseligkeit der Jahrtausende, einem mörderischen Hass, wie die Zeit immer wieder zeigt.“ Kulisse des Films ist der Ort, wo Glauben und Zweifel, Erlösung und Verdammnis ihre Wirkstätte haben, gespielt in Gottes Haus, im Berliner Dom.
Dieses bild- und wortgewaltige Filmwerk bietet in meinen Augen Potenzial für vielfältige, tiefgründige und existenzielle Diskussionen. Die DVD kann man sich immer wieder ansehen und jedes Mal neue Perspektiven entdecken.
Gitty Ley ist Lehrerin und Präsidentin des Daachverband vun de Lëtzebuerger Jugendstrukturen (DLJ). Von ihr erschien zuletzt in forum „Ehrenamtliche Jugendarbeit auf lokaler Ebene. Ein Multiplikator für soziale Kohäsion in der Gesellschaft?“, in: forum 404, März 2020, S. 42-45.

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