- Politik
31 Vorschläge für eine Politik der Resilienz (Reaktion auf Vorschlag 11: Tania Mousel)
Vorschlag 11 der forum-Redaktion: Im Hinblick auf die angespannte Finanzlage unserer europäischen Partner muss Luxemburg seine Kooperation auf europäischer und OECD-Ebene bei den Themen Unternehmensbesteuerung, Besteuerung digitaler Unternehmen und Kapitaltransaktionssteuer weiter verstärken. Die eingeschlagene Politik des luxemburgischen Finanzministeriums, das Land aus der Blockadehaltung in diesen Fragen herauszuholen und zum Teil der Lösung zu machen, muss unbedingt fortgeführt werden.
Reaktion 11 von Tania Mousel:
Einige Wochen nach Beginn des Lockdowns im März war in den sozialen Medien immer öfter zu lesen, dass unser aktuelles System ganz offensichtlich nicht mehr funktioniert und wir nach dem Ende der Pandemie eine neue, gerechtere Welt anstreben sollten. Selten konnte man so viel Kapitalismuskritisches lesen wie in den letzten Monaten. Doch von alledem ist inzwischen kaum mehr die Rede. Die Krise hat noch einmal verdeutlicht, dass wir alle zwar denselben Planeten bewohnen, der Unterschied zwischen Kapital- und Arbeiterklasse aber nicht größer sein könnte. Der Hashtag #guillotine2020 verwies auf Twitter auf Aussagen wie die folgende: „Under capitalism, it’s normal to let children go hungry, let banks force people out of their homes, let sick people die for lack of access to healthcare. But the idea that billionaires could just be less rich – not poor, not struggling, just less rich, is considered insane.“
Einer der wichtigsten politischen Mechanismen, um Ungleichheiten einzuebnen, ist die Erhebung von Steuern. Nachdem dieses Jahr sowohl in Luxemburg als auch in der EU Rettungspakete in Milliardenhöhe bewilligt worden sind, werden die Regierungen bestrebt sein, die Staatskassen wieder zu füllen. Steuergerechtigkeit wird somit zu einem zentralen Thema. Auf keinen Fall darf, wie nach 2008, den arbeitenden Menschen eine Krisensteuer aufgebrummt und deren Kaufkraft noch weiter reduziert werden.
Zu den Steuern, die vor allem in Luxemburg angehoben bzw. eingeführt und EU-weit harmonisiert werden müssen, zählen Kapitaltransaktions-, Unternehmens- und Digitalsteuern (genauso wie eine Vermögenssteuer, auf die ich aber in diesem Text nicht eingehen werde). In Luxemburg sind diese Steuern nämlich nach wie vor lächerlich niedrig und das Land hat sich bisher immer gegen eine EU-Regelung gewehrt (siehe z. B. die Chamber-Resolution vom 22. Dezember 2016, in der fast alle Luxemburger Parteien eine EU-weite Bemessungsgrundlage für Körperschaftssteuern ablehnen). Derweil kann man auf der Internetseite der EU-Kommission zum Thema Steuerumgehung Folgendes lesen: „Riesige Summen gehen aufgrund von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung verloren. Schätzungen belaufen sich auf bis zu 1 Billion Euro.“ Das ist genau das Geld, das in der EU fehlt, um auch nach der Krise die Mittel zu haben, um soziale Programme und öffentlichen Wohnungsbau zu finanzieren, Renten zu sichern, Job-Programme aufzubauen, in Infrastruktur zu investieren usw.
Auch in Luxemburg kann der Anteil anderer Einnahmen gegenüber der Einkommenssteuer vergrößert werden. Wie in einem Tageblatt-Editorial im Januar 2020 zu lesen war: „Im Jahr 2018 stand allein die auf persönlichen Gehältern bezahlte Steuer für satte 33 Prozent aller Einnahmen des Zentralstaates. Die Steuern der Unternehmen standen hingegen, trotz rezenter Zuwächse, nur bei 21 Prozent der Einnahmen.“
Die Linken fordern schon lange die Betriebssteuer zu erhöhen und zu dieser Forderung gab es bereits vor den Wahlen 2018 eine Auseinandersetzung auf Radio 100,7 zwischen Laurent Mosar (CSV) und Michel Erpelding (Déi Lénk). Schon lange vor der COVID-Krise hat nämlich die ungerechte Verteilung der Steuerlast dazu geführt, dass die sozialen Ungleichheiten zunahmen.
Michel Erpelding betonte, dass viele Ausgaben in den Bereichen Klimaschutz, Infrastruktur usw. auf uns zukommen werden und wir, statt wie bisher Betriebssteuersenkungen vorzunehmen, diese Steuern erhöhen sollten, um die unumgänglichen Investitionen zu finanzieren. Das Argument der Wettbewerbsfähigkeit galt für ihn nicht, da wir ja angeblich in einer solidarischen EU leben und die Mitglieder sich durch eine Steuersenkungsspirale nur gegenseitig die Steuereinnahmen abspenstig machen (wie die Kommission ja auch feststellt). „Wa mir eise soziale Modell wëlle retten, musse mir eng Rei Ressourcen hunn an dat geet net wa mir ëmmer nëmmen d’Steierlaascht vun den Entreprisen no ënnen drécken“, so Erpelding. Auch zur Finanztransaktionssteuer bezog er klare Stellung: „Mir si fir eng EU-Transaktiounssteier, well ee kucke muss, wiem déi aktuell Possibilitéite fir ze spekuléieren a fir Suen a Steierparadäiser ze verlagere beneficiéieren. Déi, di am meeschten dobäi verléieren, dat sinn d’Europäer, déi, di am meeschten dobäi gewannen, dat sinn amerikanesch Multinationalen. Wa mir als EU eis Intérêtë wëlle verdeedegen, hu mir all Intérêt hei am gréisste Wirtschaftsraum vun der Welt eng Finanztransaktiounssteier anzeféieren, dann hu mir Leverage, fir kënne mat anere Leit ze schwätzen, dass déi dat och maachen“. Diese Aussage ist aktueller denn je.
Zahlreiche Menschen sind durch die Krise in finanzielle Schwierigkeiten geraten: Angestellte, die ihre Arbeit verloren haben, kleine Unternehmer*innen, die pleite gingen, und Unabhängige ohne Einnahmen, viele mussten leiden. Es ist abzusehen, dass Jeff Bezos demnächst zum ersten Billionär der Erde aufsteigt, während Luxemburg sich weiterhin weigert, angemessene Steuern von Amazon zu kassieren. Wie sagte eine frühere Luxemburger Ministerin? „Dat kann net sinn“.
Tania Mousel ist Fachreferentin für Jura, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften in der Luxemburger Nationalbibliothek und seit 2018 bei den Linken aktiv.
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