1952, 20 Uhr 15: David Tudor betritt den Konzertsaal in der Maverick Concert Hall in Woodstock. Er setzt sich ans Klavier, klappt es zu und betätigt eine Stoppuhr. 33 Sekunden vergehen, nach denen er den Flügeldeckel wieder öffnet. Er wiederholt diese Geste weitere zwei Mal, jeweils nach 2’40’’ und 1’20’’. Rascheln, Atmen, Husten. Applaus. Das stille Stück in drei Sätzen 4’33’’ von John Cage folgt seinem Grundsatz „everything is music“. Es besteht aus den zufälligen Umgebungsgeräuschen und verändert sich demgemäß mit jeder Aufführung. Es gibt keine absolute Stille – etwas zu hören ist ein absichtlicher Akt, gelenkte Aufmerksamkeit. Doch ab wann werden Töne zu Musik?
Musik ist eine Kunst, eine Wissenschaft, organisierter Klang, zugleich Ausdruck der Natur und menschliche Erfindung. Sie erfüllt unterschiedliche Funktionen, ist individuelle Empfindung und festigt soziale Strukturen im gemeinsamen Erleben. Ob im Vorder- oder Hintergrund, Musik hat eine nachweisbare Wirkung auf uns, mitunter auch auf Tiere und Pflanzen. Sie ist eine Art von Kommunikation, die mehr vermittelt als erzählt und ermöglicht Verständigung ohne Worte. Auf diesem Weg schafft sie, an unserem Verstand vorbei, einen direkten Zugang zu Emotionen und uralten Bedürfnissen. Doch weil sie einem anderen Register als der Sprache entspringt, fällt es zuweilen schwer, sie in Worte zu fassen.
Doch weil sie einem anderen Register als der Sprache entspringt, fällt es zuweilen schwer sie in Worte zu fassen.
In unserem vorliegenden Heft versuchen wir trotzdem (oder gerade deswegen), der Faszination für die Musik auf die Spur zu kommen und nähern uns ihr von verschiedenen Seiten. Heimlich hatten wir in der Redaktion gehofft, bei der Arbeit an diesem Dossier den Schlüssel dazu zu finden, warum z. B. Metal den einen beruhigt und ihm zur Konzentration verhilft, den anderen eher aggressiv stimmt. So viel kann ich verraten: Dieses Geheimnis wird bleiben. Unsere Autor*innen und Interviewpartner*innen haben wir gefragt, welche Musik sie bewegt: Diesen persönlichen Einblick erhalten Sie jeweils am Anfang der Beiträge, gekennzeichnet mit einem Kopfhörer.
Wir freuen uns, mit diesem Heft auch eine neue Kooperation einzuläuten, die zu einer Serie über das ganze nächste Jahr führen wird: Gemeinsam mit der Universität Luxemburg und der Fondation Sommer erkunden wir den Bereich der kulturellen Bildung und seinen Akteuren, die ihn in Luxemburg denken und gestalten unter dem Titel « L’éducation culturelle et artistique : (en)quête de sens ». forum fungiert dabei als Plattform, wo der Austausch zwischen Institutionen aus Kultur und Unterricht, Kunstvermittler*innen und Künstler*innen stattfinden kann in Form von Texten und komplementären Video-Interviews. Apropos Video … Wir haben unsere Webseite um eine Mediathek erweitert: Dort finden Sie alle Aufnahmen unserer Veranstaltungen, Diskussionsrunden und eben auch Interviews, die wir in den letzten Monaten vermehrt geführt haben.
Unser Sommer-Heft ist etwas voluminöser geraten als gewöhnlich. Wir hoffen, dass es Sie gut durch die langen Tage und die Ferienzeit begleiten wird.
Einen entspannten Sommer!
Anke Reitz
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