„Es gibt keinen Besitz, der Nachlässigkeit vertrüge. Selbst physische Dinge sterben ab, gehen ein, kommen abhanden, wenn man sich nicht um sie kümmert. Wenn sie Blick und Hand des Besitzers nicht mehr spüren und er sie aus den Augen verliert, weil ihr Besitz ihn allzu selbstverständlich dünkt.“ – Dies gelte auch für die Demokratie, so Thomas Mann in einem Vortrag über den „Zukünftigen Sieg der Demokratie“ 1938. Ist sie heute für uns zu einer bequemen und abstrakten Selbstverständlichkeit geworden, die unsere Freiheiten in natürlicher Weise sichert und uns alle paar Jahre durch die Pflicht des Wählens an unsere eigene Verantwortung erinnert?

Demokratie braucht Partizipation, ist Arbeit und verlangt Energie. Denn sie beruht auf Pluralismus und Dialog und muss den Konflikt nicht nur aushalten, sondern produktiv nutzen. Wo Menschen zusammenkommen, prallen Interessen aufeinander – die Kunst und der Seiltanz zugleich der demokratischen Strategie ist, Konflikte in friedlicher und konstruktiver Weise zu lösen, und zwar so, dass dadurch im besten Fall die Gemeinschaft gestärkt wird. Dies klingt zurecht nicht nur nach Politik: Demokratie ist mehr als eine Regierungsform, sie ist eine Denkform und in den Worten John Deweys „in erster Linie eine Form des Zusammenlebens, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrung“.

In diesem Sinne fordert die Philosophin Rahel Jaeggi: „Gegen die Krise der Demokratie hilft nur mehr Demokratie.“ Sie ist ein Prozess, der überall stattfinden kann und muss – damit sie im Großen funktioniert, muss sie bereits im Kleinen gelebt werden, sodass wir ihre Prozesse, die die Freiheit unserer Mitbestimmung garantieren, als wirksam erfahren.1 Und hier kommt wieder unsere Verantwortung mit ins Spiel: Was sind wir bereit zu geben, um nicht nur uns zu sehen, sondern das große Ganze, damit unsere Freiheiten, die Menschenrechte und gesellschaftliche Vielfalt nicht zu verhandelbaren Begriffen werden?

Wie Sie bereits am Volumen sehen, hält unser Heft nach der Sommerpause einiges für Sie bereit. Auch haben wir uns diesmal dazu entschlossen, direkt ins Dossier-Thema einzusteigen, ohne Umschweife.

An dieser Stelle möchte ich Sie auf einige Veranstaltungen hinweisen, die wir in den kommenden Wochen und Monaten für Sie planen. Am 17. September empfängt das Luxembourg Center for Architecture (LUCA), in Zusammenarbeit mit der Young Architects Association (YAA) und forum, den Architekten Arnaud De Meyer zu einem Vortrag über seine Arbeit am Luxemburger Pavillon bei der Weltausstellung in Osaka, der nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft entworfen wurde. Am 9. Oktober laden das Zentrum fir politesch Bildung (ZpB) und wir Sie ein, im Gebäude des Europäischen Parlaments dem Vortrag von Viviane Thill zu folgen mit dem Titel Democracy Dies in Darkness. Demokratesch Institutiounen an Europa am Film an a Serien (siehe auch den Beitrag in dieser Nummer). Als inhaltliche Ergänzung zum Dossier dieser Ausgabe organisieren wir in Zusammen­arbeit mit der Chambre des salariés (CSL) am 14. ­November ein public forum mit der Politologin und Rechtsextremismusforscherin Léonie de Jonge und dem Schweizer Zeithistoriker Damir Skenderovic, bei dem wir historische und aktuelle Strategien der autoritären Rechten unter die Lupe nehmen und einen Blick in die Zukunft wagen.

Eine gute Rentrée wünscht,

Anke Reitz


1 Die Zitate von Thomas Mann und Rahel Jaeggi stammen aus den Beiträgen von Rainer Forst und Rahel Jaeggi aus der empfehlenswerten Video-Reihe 55 Voices for Democracy des Thomas Mann House, Los Angeles. https://www.vatmh.org/en/video-series-55-voices-for-democracy.html (letzter Aufruf: 26. August 2025)

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