Diese Zeitschrift heißt nicht zufällig forum. Seit ihren Ursprüngen ist sie parteipolitisch neutral, aber gesellschaftspolitisch engagiert. Sie behandelt daher vorzugsweise Themen, die die heutige Gesellschaft und ihre Zukunft betreffen. Darin sollen alle Meinungen zu Wort kommen, sofern sie mit der allgemeinen Menschenrechtserklärung vereinbar sind, die Würde des Anderen nicht verletzen und die demokratische Verfasstheit unserer Gesellschaft nicht in Frage stellen. Die Unterzeichner sind daher der Meinung, dass man der ADR in Zukunft keine Bühne mehr geben sollte, weder im Heft noch im Rahmen eines public forum.

Die Partei war einst mit dem Anliegen einer Rentenreform zugunsten des Privatsektors angetreten; sie zählte ehrenwerte Gewerkschaftler in ihren Reihen. Sie hatte damit Erfolg und hat ihr Ziel erreicht. Seither ist die ADR durch ihre Fusion mit der Bewegung „Wee2050“ eindeutig in rechtsextremes Fahrwasser geraten, sowohl inhaltlich als auch von ihrer Vorgehensweise her. Eine Partei, 

  • die eine völkische Ideologie1 vertritt und den von Eric Zemmour verbreiteten Begriff vom „Bevölkerungsaustausch“2 aufgreift3;
  • die als Spitzenkandidaten einen Bewunderer des Dritten Reiches aufstellt, der der NS-Zeit nachtrauert, weil angeblich „d’Nazien […] d’Letzebuerger winnstens net erhongern geloos [hunn]“, und stolz auf die Besatzungszeit ist, weil „Net all Land huet die Eier kritt als deitschen Gau am eiwegen deitschen Reich derbei ze sinn als Volldeutsche! ;-)“4 (Anm. d. Red.: Recht­schreib­fehler im Original);
  • die das Posten von Hitler- und Holocaust-­Witzen und das Tragen von Nazi-Symbolen als „dumme Witze“ und Jugendstreiche (von Erwachsenen!) verharmlost5;
  • die ein Männlichkeitsbild verbreitet6, das dem Mussolinis und Putins mehr als nahekommt;
  • die immer wieder Hassreden auf Frauen7, LGBTQIA+-Personen8, Flüchtlinge, Muslime, Ausländer verbreitet und solchen „Minderheiten“ kriminelle Energien unterstellt9;
  • deren Jugendsektion ADRenalin für „e konsequent Recht op Selbstverdeedegung“ eintritt10, das deren Vorsitzender als Recht auf individuellen Schusswaffengebrauch auslegt11;
  • deren Abgeordneter die Morddrohungen gegen den Außenminister auf seinem Facebook-­Account stehen lässt12;
  • deren führende Vertreter Fotos veröffentlichen, auf denen sie zusammen mit rechtsradikalen und offen rassistischen Politikern wie dem US-amerikanischen Trump-Vertrauten Matt Schlapp und der Trump-Unterstützerin Candace Owens (USA)13 oder Eric Zemmour14 (Frankreich) posieren und zudem regelmäßig Viktor Orban (Ungarn) und Donald Trump (USA) verteidigen15;
  • die auf europäischer Ebene Mitglied der nationalkonservativen und in Teilen rechtsextremen Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) unter Präsidentin Giorgia Meloni ist, in der auch die Fratelli d’Italia16, die polnische PiS, die Schwedendemokraten, die spanische Vox mitwirken17;
  • die an der „Conservative Political Action Conference“ (CPAC) teilnimmt18, die maß­geblich von dem rechtsextremen Trump-Berater Steve Bannon gestaltet wird19. Bannon gründete das als rechtsradikal eingestufte Portal „Breitbart“, war am Sturm auf das US-Kapitol vom 6. Januar 2021 beteiligt und wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, aber von Donald Trump begnadigt;
  • die Presseorgane, die sich kritisch mit ihr auseinandersetzen – und das sind Gott sei Dank die meisten – regelmäßig als Lügenpresse beschimpft, um sich den Wähler:innen als einzige Wahrheitsinstanz anzubiedern,

hat die Grenzen zum Rechtspopulismus eindeutig überschritten und muss und darf als rechtsextrem eingestuft werden. Das bestätigt die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, die eine Klage des heutigen Parteivorsitzenden gegen unter anderen einen Historiker, der ihn als „rechtsextremistisch, rassistisch, ausländerfeindlich, antisemitisch und (neo-)faschistisch“ bezeichnet hatte, abgewiesen hat, da die Aussage keinen Rechtsverstoß darstelle. Der Ausschluss eines Mitglieds von einer Kandidatenliste, der auf Facebook-Fotos Nazisymbole an seiner Kleidung trug, ist kein Gegenbeweis. Es ist in unseren Augen eine Bestätigung, dass die Partei – wie von Josef Goebbels angekündigt – wie der Wolf im Schafspelz auftreten will.

Für Intolerante kann es auch in einer Demokratie keine Toleranz geben. Mit dem Spruch: „Wehret den Anfängen!“ hat forum schon 2016 und 2018 vor einem Rechtsruck in der ADR gewarnt, der auch andere Parteien anstecken könnte20. Immer noch aktuell ist Erich Kästners Warnung von 1958: „Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat. […] Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben.“21

Da von anderen Parteien immer wieder Vorstöße ausgehen, die sich in Teilen an den Kommunikationsstrategien rechtspopulistischer Parteien orientieren, zitieren wir an dieser Stelle den CDU-Politiker Ruprecht Polenz: „Die Vor­stellung, durch Einbindung könne man eine Bewegung wie die AfD entzaubern, hatte der konservative ehemalige Reichskanzler Franz von Papen auch, als er Adolf Hitler und der NSDAP zur Macht verhalf. Und was daraus geworden ist, kann man besichtigen. Alle Erfahrungen, die zur Verfügung stehen, zeigen, dass Einbindungs­strategien gegenüber faschistischen Bewegungen nicht funktionieren, denn es geht diesen Bewe­gungen nicht um Argumente, Diskussion und Kompromiss. Faschismus ist eine Methode zur Machtergreifung. Deshalb kann man mit diesen Parteien nicht nur nicht paktieren, man muss sie ausgrenzen.“22

Das in forum Nr. 432 veröffentlichte Kurzinterview mit dem Präsidenten von ADRenalin zeigte dem Leser immerhin, wie er sich in seinen eigenen Widersprüchen verheddert hat. ADR-Bashing riskiert jedoch, die Partei noch bekannter zu machen. Den ADR-Politikern keine Tribüne mehr zu bieten, scheint uns die bessere Strategie. Der cordon sanitaire um die rechtsextreme Partei sollte unserer Meinung nach wie im belgischen Wallonien nicht nur von den Parteien23, sondern auch von den Medien angewandt werden (außer von jenen, die während des Wahlkampfs gesetzlich zur Gleich­behandlung aller Parteien verpflichtet sind). 

1 „Als völkisch bezeichnet man eine radikal-nationalistische Einstellung, die die Menschengruppe, zu der man sich zugehörig fühlt, das eigene ‚Volk‘ verabsolutiert und als (ethnisch) reine Gemeinschaft definiert. (…) die Völkische Bewegung […] war ein Wegbereiter des Nationalsozialismus.“ (Bundeszentrale für politische Bildung); https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/500819/voelkisch/ (Stand: 28. August 2023).

2 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Renaud_Camus (letzter Aufruf: 27.7.2023).

3 Siehe u. a.: Tom Weidig, Facebook, 8.2.2023; ebd. 30.5.2021; ADRenalin, Facebook, 13.2.2023; Fred Keup / Tom Weidig, Mir gi Lëtzebuerg net op, Luxemburg 2022, passim.

4 Tom Weidig, Facebook, 3.8.2017.

5 Luxemburger Wort vom 25.7.2023.

6 https://www.youtube.com/watch?v=j-4m3kdgJN8 (letzter Aufruf: 27.7.2023).

7 Siehe u. a.: https://www.reporter.lu/politikerinnen-erzaehlen-luxemburg-ueber-den-umgang-mit-hass-sexismus-und-morddrohungen/ (letzter Aufruf: 27.7.2023).

8 Woxx vom 14.7.2023; Luxemburger Wort vom 19.7.2023.

9 Siehe u. a. Question parlementaire 7373 von Fred Keup (13.12.2022).

10 ADRenalin, Facebook, 14.7.2023.

11 RTL, 19.5.2023.

12 https://www.tageblatt.lu/nachrichten/adr-anhanger-wunschen-asselborn-kennedy-tod-17653095/; https://www.wort.lu/politik/parteiausschluss-fuer-joe-thein/875307.html (letzter Aufruf: 31.8.2023).

13 d’Lëtzebuerger Land, 23.12.2022; der dort genannte Name Schapp wurde zu Schlapp korrigiert.

14 www.virgule.lu, 30.6.2023 (letzter Aufruf: 27.7.2023).

15 Woxx vom 2.7.2021.

16 Zur progressiven Faschisierung der italienischen Gesellschaft vgl. Georg Seeßlen, Gesellschaft als Beute. Italien als Lehrstück für Europa, in: Woxx Nr. 1749 vom 25. August 2023, S. 4-7.

17 d’Lëtzebuerger Land vom 23.12.2022; Luxemburger Wort vom 16.12.2022; Maks Woroszylo, Twitter, 12.8.2022.

18 Maks Woroszylo, Twitter, 5.5.2023; d’Lëtzebuerger Land vom 23.12.2022.

19 Wie Anm. 17.

20 Michel Pauly, „Wehret den Anfängen!“, in: forum 388 von Oktober 2018, S. 5-7; ders., „Wenn die Demokratie so dumm ist, …“, in: forum 361 von April 2016, S. 5-7.

21 Zitiert nach https://www.nsberatung.de/fileadmin/download/Wir-haben-ueberlebt.pdf (letzter Aufruf: 5. August 2023).

22 https://www.republik.ch/2020/02/12/die-faschisten-sind-nur-dort-an-die-macht-gekommen-wo-die-konservativen-ihnen-die-plattform-geboten-haben (letzter Aufruf: 30. Juli 2023).

23 Vgl. Stefan Kunzmann, „Von der Brandmauer zum Tabubruch“, in: Tageblatt vom 7. August 2023.


Aufgrund eines Fehlers sind die Verweise zu den Fußnoten in der gedruckten Fassung nicht vorhanden. Wir bitten dies zu entschuldigen.

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