- Geschichte, Gesellschaft, Kultur, Politik
Die Kirche im Dorf
Editorial (forum 366)
„Fir eng aarm Kierch an enger räicher Gesellschaft“ lautete der Titel einer programmatischen Schrift, die in den frühen 1970er Jahren von der gesellschaftspolitischen Arbeitsgruppe in der Jugendpor Lëtzebuerg veröffentlicht wurde. Nur der Verzicht auf staatliche Subventionen ermögliche es der katholischen Kirche in Luxemburg, ihre Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und die Frohbotschaft Christi in einer materialistischen Welt zu verkünden.
Das Credo wird heute auch vom Erzbischof geteilt, der daher die Konventionen vom Frühjahr 2014 mit dem Staat abschloss. Laut diesen soll die katholische Kirche mittelfristig auf die staatliche Finanzierung der Gehälter des Klerus und der Religionslehrer sowie auf die kommunale finanzielle Unterstützung der Kirchenfabriken verzichten. Letzteres fiel umso leichter, als die Beiträge aus der Gemeindekasse zum Unterhalt der Pfarrkirchen in den vergangenen Jahren sehr gering waren. Laut Expertenbericht von Oktober 2012 mussten im Jahr 2010 lediglich elf Gemeinden ein Defizit der Kirchenfabrik ausgleichen und der Gesamtbetrag belief sich auf 444238€. Davon entfielen allein fast 400000€ auf die Stadt Luxemburg, so dass die zehn anderen Gemeinden im Schnitt 4456,75€ aufbringen mussten. Dieser Ausgabe sind sie mittlerweile ganz enthoben, da diese Verpflichtung durch das Gesetz vom 17. März 2016 abgeschafft wurde. Für die Kathedrale und die Echternacher Basilika wird laut Gesetzesentwurf Nr. 7037 ein Sonderstatus vorgesehen, der staatliche und kommunale Subventionen ermöglichen soll. Dieser soll den tatsächlich höheren Defiziten der hauptstädtischen Kirchenfabriken, wobei jenes der Kathedrale wohl das höchste sein dürfte, Rechnung tragen. Obschon das Problem der finanziellen Beteiligung der Gemeinden aus der Welt geschafft ist, hat der von Innenminister Kersch vorgelegte Gesetzesentwurf 7073 zu heftigem Streit geführt. Dabei sind zwei Problemlagen zu unterscheiden, die auch zwei unterschiedliche Protagonisten betreffen:
1. Die Kirchenfabriken wehren sich gegen ihre Abschaffung und die Überführung ihres Besitzes in einen zentralen Fonds, der vom Erzbistum verwaltet werden soll. In diesem Streit stehen sich die Kirchenfabriken, die sich im Syfel (Syndicat des fabriques d’églises du Luxembourg) zusammengeschlossen haben, und die erzbischöfliche Kurie gegenüber. In der Tat haben die Vertreter des Erzbis-tums die Idee eines Fonds in die Verhandlungen zur Ausarbeitung der Konvention vom 26. Januar 2015 zwischen dem Staat und der katholischen Kirche eingebracht.
2. Das Syfel und die erzbischöfliche Kurie wehren sich gemeinsam gegen die im Gesetzesentwurf vorgesehene Regelung, die es den Zivilgemeinden verbietet, zu den Kosten der Pfarrgemeinden beizutragen, sowie es den Pfarrgemeinden untersagt, Geld von den Zivilgemeinden anzunehmen. Der heutige Generalvikar behauptet, diese Bestimmung, die schon in der Konvention vorgesehen war, sei nur „mit der Faust in der Tasche“ unterschrieben worden. Der sozialistische Innenminister macht diese Klausel jedoch zur conditio sine qua non. Da jedoch das Prinzip gelte, pacta sunt servanda, wie der Berater des Innenministers, der erfahrene Jurist Paul Schmit, in einem Beitrag im Lëtzebuerger Land vom 16. September 2016, voraussetzt, sei das Problem nur durch ein Entgegenkommen des Staates zu regeln.
Beim ersten Streit kann man nicht umhin festzustellen, dass die vom ehemaligen Generalvikar ins Gespräch gebrachte Lösung, welche die veraltete Struktur der Kirchenfabriken abschaffen sollte, in der Tat sehr zentralistisch klingt. Der Erzbischof betont zwar immer wieder, dass die einzelnen Pfarrgemeinden in der Verwaltung des Fonds ein Wort mitzureden haben werden. Das in der kirchlichen Soziallehre gut verankerte Prinzip der Subsidiarität wird hier jedoch nicht respektiert. Dagegen gerichtlich vorzugehen, wie vom Syfel angekündigt, macht allerdings wenig Sinn, da es ein von der Kirche selbst zu verantwortendes Problem ist. Zudem kann von einer Enteignung keine Rede sein, denn der Besitz der Kirchenfabrik wird ja nicht der öffentlichen Hand übertragen.
Der Streit zeigt allerdings auch, dass die Kirchenfabriken immer noch von lokalen Honoratioren besetzt sind, die sehr engagiert sind, aber nun um ihren Einfluss bangen. Diese Kreise werden sicher auch ihre testamentarischen Verfügungen zugunsten der Kirche einschränken. Da sie vor allem in den ruralen Gegenden des Landes sehr häufig gleichzeitig im Gemeinderat sitzen, könnte es sehr gut sein, dass sie ihren Besitz lieber der lokalen Gemeindeverwaltung als dem nationalen Fonds überschreiben, „fir dass d’Kierch am Duerf bleift“. Und dann wird die Zivilgemeinde weiterhin für den Unterhalt des ihr gehörenden Kirchengebäudes aufkommen müssen! Das LW berichtete am 23.9.2016, dass z.B. der Eller Gemeinderat der dortigen Kirchenfabrik einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten werde. Der Innenminister dürfte in dem Fall die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht haben.
Um die finanzielle Trennung der Kirche von kommunalen und staatlichen Instanzen zu erreichen, ein aus christlicher Sicht durchaus legitimes Anliegen, hätte es genügt, das napoleonische Dekret vom 30. Dezember 1809 abzuändern. Dieses verbietet den Kirchenfabriken nämlich, ihr Vermögen für andere Zwecke als für den Kultus, den Unterhalt der lokalen Kirchen sowie für Almosen einzusetzen. Ein zusätzlicher legitimer Ausgabezweck hätte zugunsten der Solidarität aller Kirchenfabriken der Diözese im Dekret (bzw. in eine modernere Fassung) hinzugefügt werden können. In Elsass und Lothringen wurde das Dekret schon in diesem Sinne geändert.
Man könnte sich sogar vorstellen, dass die Kirchenfabriken auch für die Zwecke der Weltkirche Ausgaben tätigen dürften, was ihnen in der aktuellen Gesetzeslage verboten ist. Das Gesetzesprojekt schränkt allerdings den Aufgabenbereich des Fonds noch weiter ein, indem sogar die Caritasfunktion nicht mehr erfüllt werden darf.
Beim zweiten Streit geht es auch um die Subsidiarität, aber vor allem auch um eine Frage der Gerechtigkeit: Warum soll eine Gemeindeverwaltung eine Pfarrgemeinde nicht finanziell unterstützen dürfen, so wie sie es bei Sport- und kulturellen Vereinigungen tut? Das Syfel hofft, dass der Staatsrat diese Klausel mit dem Verweis auf die Gemeindeautonomie streichen wird. In der Verfassung steht recht eindeutig: „Les communes forment des collectivités autonomes (…) gérant par leurs organes leur patrimoine et leurs intérêts propres“ (Art. 107; vgl. auch Gemeindegesetz, Art. 28). Doch in seinem betont sachlichen Land-Beitrag warnt der ehemalige Vizepräsident des Staatsrats vor falschen Hoffnungen, da der Staatsrat auch zu anderen Einschränkungen der Gemeindeautonomie seine Zustimmung gegeben hat. Doch auch wenn die Regelung juristisch unangefochten bliebe, bleibt sie politisch fragwürdig: Wenn die lokale Wählerschaft einen Gemeinderat wählt, der mehrheitlich den Unterhalt der auf Gemeindegebiet stehenden Kirchen als im Interesse der Gemeinde stehend bezuschussen will, mit welchen Argumenten könnte ihm das verboten werden, wenn die Gemeindekasse das zulässt? Hier scheint eher kulturkämpferischer Starrsinn als juristische Logik Vater des Gedankens gewesen zu sein.
Von den Wahlprogrammen der Regierungsparteien wird diese Klausel nicht gedeckt. Vielleicht wäre das geplante Bezuschussungsverbot dadurch zu umgehen, dass die Pfarrangehörigen sich zu einem Verein zusammenschließen, der nicht mehr Kirchenfabrik heißt, der aber als kulturelle Vereinigung für die Belange der Pfarrgemeinde einsteht und von der Zivilgemeinde bezuschusst werden darf. Doch christlicher wäre die Lösung, die von Paul Schmit im letzten Absatz seines Land-Beitrags angedeutet (und seit Jahrzehnten von forum angemahnt) wird: Wäre es nicht an der Zeit, dass sich die Katholiken Luxemburgs – wie in den allermeisten Ländern der Welt – darauf besinnen, selbst für ihre Belange aufzukommen, und damit ihrer Kirche neues Leben einflößen? Wenn sie dazu nicht imstande sind, verdienen sie eigentlich auch keine finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand. (25.09.2016)
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