Am 11. Januar 2017 meinte Kultur-Staatssekretär Guy Arendt auf Radio 100komma7, die Gemeinden müssten stärker in die Denkmalschutzpolitik eingebunden werden: „Et gëtt jo awer Historiker och an de Gemengen, et gëtt Geschichtsfrënn a verschiddene Gemengen. Natierlech muss ee sech op d’Bee setzen an déi méi eeler Leit aus enger Gemeng erunzéien a soen: ‚Hei verziel eis Mol e bëssen d’Geschichten‘.“1 Bei dieser rührenden Argumentation sprach wohl eher der ehemalige Bürgermeister von Walferdingen als das für Denkmalschutz verantwortliche Regierungsmitglied.
In forum Nr. 354 (Sept. 2015) erklärte Jochen Zenthöfer, warum kommunaler Schutz kein Denkmalschutz ist, sondern nach rein ästhetischen und urbanistischen Kriterien funktioniert: „Der kommunale Schutz in Form von Zone protégée, also Volumen-, Fassaden- und Schönheitsschutz, wird in anderen europäischen Ländern schlicht als Verunstaltungsverbot bezeichnet.“ Bei der Erstellung des neuen PAG macht die Stadt Luxemburg vor, wie alte Häuser darin (nicht) geschützt werden. Im Entwurf, den alle Bürger einsehen durften, sind viele zusammenhängende Häuserzeilen, z.B. die Rue Vauban in Pfaffenthal, als Zones d’Hab-1 deklariert. Das bedeutet, dass dort nur eine Wohneinheit pro Parzelle erlaubt sein wird. Dann würde sich ein Abriss von bestehenden Einfamilienhäusern nur in seltenen Fällen lohnen, und der systematischen Umwandlung in mehrstöckige Apartmenthäuser wäre ein Riegel vorgeschoben. Das hätte die Rettung für viele Häuser bedeutet, die es nie auf die Denkmalschutzliste geschafft hätten. Doch vor wenigen Tagen hat die Bürgermeisterin in einem Nebensatz erklärt, dass sie so viele Beschwerden von Eigentümern erhalten hat, die den Wert ihrer Häuser durch diese Maßnahme gemindert sahen, dass sie die Ausweitung der Hab 1-Zone zurücknehmen will. Sie hat damit wieder bewiesen, dass sie den kurzfristigen Interessen der Eigentümer den Vorzug gibt vor den Interessen der Allgemeinheit auf Erhaltung eines zusammenhängenden, gewachsenen (und historischen) Baubestandes. Beispiele, wie in der Stadt Luxemburg selbst bei Gebäuden in sogenannten Secteurs protégés oder sensibles ein Abriss oder radikale Umwandlung genehmigt wurde, gibt es zur Genüge.
Der Druck, der die Bürgermeisterin dazu brachte, die Maßnahme zugunsten von Hab1-Zonen zurückzunehmen, war wohl auch der Grund, warum der Bürgermeister von Esch-Sauer bei den Assises du Patrimoine im November 2014 vorsorglich eine starke nationale Kompetenz in Sachen Denkmalschutz verlangte. Auch in der noch von Ministerin Maggy Nagel eingesetzten Arbeitsgruppe zur Reform des Denkmalschutzgesetzes sprachen sich 2015 die Vertreter des Innenministeriums übrigens auf ausdrückliche Anweisung von Minister Dan Kersch beharrlich gegen jede neue Kompetenz der Bürgermeister in diesem Bereich aus.
In der Tat sind die Gemeinden nicht nur politisch erpressbar, sie sind mit einer wissenschaftlich begründeten Unterschutzstellung auch technisch überfordert. Selbst auf nationaler Ebene sind Politik und Verwaltungen dazu nicht in der Lage. Daher hatte die genannte Arbeitsgruppe vorgeschlagen, in der Neufassung des Gesetzes eine Behörde zu verankern, die aufgrund eines klar definierten Kriterienkataloges entscheidet, welche Gebäude (aber auch sonstige, mobile Kulturgüter) erhalten werden müssen. Dieser vom Service des sites et monuments erarbeitete Katalog von 16 Kriterien liegt längst vor.2 Die Commission des sites et monuments (Cosimo), deren Gutachten zur Zeit für jedes Objekt erforderlich ist (dann aber geheim bleibt und nur dem Kulturminister zugestellt wird), würde dann nur noch als Appellinstanz fungieren. Dadurch würde der Verwaltungsweg sehr vereinfacht werden und die Politiker kämen nicht mehr so schnell unter Druck. Die Einhaltung von Naturschutzregeln wird ja auch nicht vom Minister persönlich angeordnet.
Immerhin wurde 2016 die schon 1985 unterschriebene Konvention von Granada zum Erhalt des baugeschichtlichen Erbes Europas unterschrieben, die eine nationale Erfassung dieser Kulturgüter vorschreibt. Zwei Fachleute haben sechs Monate am entsprechenden Inventar der Gemeinde Fels gearbeitet. Angesichts der rund 100 Gemeinden, für die diese Arbeit noch zu tun bleibt, dürfte es also noch weitere 50 Jahre erfordern, bis das Inventar vollständig ist. Und dann muss ja noch die Klassierung folgen, denn das Inventar an sich bietet keinen Schutz. Bis wir soweit sind, müsste eigentlich prophylaktisch ein allgemeines Abrissverbot gelten …
Seit der Bürgeranhörung steht auch der Denkmalschutz als Staatsziel im Entwurf für eine neue Verfassung. Man muss allerdings fragen, warum in Sachen Kulturerbe der Staat den Schutz nur fördern soll (Art. 43: L’État promeut la protection du patrimoine culture), während er beim Naturerbe den Schutz garantiert (Art. 42: L’Etat garantit la protection de l’environnement humain et naturel). Tritt dieser Entwurf einmal in Kraft, wird es am Verwaltungsgericht liegen, ob es den Denkmalschutz gegebenenfalls über das Recht auf Privateigentum stellt oder nicht. Im deutschen Grundgesetz steht der bemerkenswerte Satz aus der katholischen Soziallehre: „Eigentum verpflichtet.“ In der Tat gehören historische Gebäude nicht nur dem jeweiligen Eigentümer, sondern sind ein kulturelles Erbe aller Menschen, die in diesem Land leben und sich mit ihm identifizieren. Sie gehören demnach genauso zur nationalen Identität wie die Luxemburger Sprache, nur scheint dies kaum jemanden zu bekümmern.
1. Siehe auch Beitrag von Jochen Zenthöfer in Lëtzebuerger Land, 17.2.2017.
2. http://www.ssmn.public.lu/content/dam/ssmn/fr/publicati- ons/Protec_PAG.pdf
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