- Geschichte, Gesellschaft
Das Dromedar von Mamer und der Urname von Wasserbillig
Am 12. August, mitten im Sommerloch, meldeten einige luxemburgische Medien, aber auch der SWR, dass die Archäologen in Mamer die fast kompletten Knochen-reste eines Dromedars aus einem 12 Meter tiefen Brunnen aus römischer Zeit geborgen hätten.1 Radio 100,7 und das Journal nannten eine dpa-Meldung als Quelle der Information. Hätten die Luxemburger Journalisten und Kulturredakteure die von Luxemburger Kultur- und Forschungsinstituten herausgegebenen Publikationen gelesen, hätten sie schon etliche Wochen früher vom Sensationsfund in Mamer gewusst. Carla Oelschlägel, eine Archäozoologin aus Halle (D), und Franziska Dövener vom CNRA haben ihren Fundbericht nämlich in Nr. 3/2016 von Archaeologia luxemburgensis, dem Bulletin du Centre
national de recherche archéologique, publiziert, der im Mai erschienen ist.
Der Band enthält weitere aktuelle Berichte aus der archäologischen Forschung. So gelang es Jean Krier, dank einer Weiheinschrift, die in Zweitverwendung in Mertert gefunden wurde, den Namen des römerzeitlichen Vicus am Zusammenfluss von Sauer und Mosel mit Suromagum zu identifizieren. Wasserbillig hieß also nicht Billiacum, wie bislang angenommen wurde. Catherine Gaeng und Jeannot Metzler berichten über die Eröffnung eines neuen Grabungsfeldes im nordwestlichen Bereich des Titelbergs, in dem sich offensichtlich schon vor 30 v. Chr. römisches Militär und Händler niedergelassen hatten: Eine so frühe römische Präsenz war bislang noch nie nachgewiesen worden. Erstmals werden von Véronique Biver und Alan Stead Details von der großen Axialvilla preisgegeben, die in Schieren beiderseits der Autobahn ausgegraben wird. Vom Gutshof, dessen Wände z. T. bis zu zwei Meter hoch erhalten sind, konnten 340 Kisten mit farbiger Wandmalerei nach Reims abtransportiert werden, wo das Puzzle von Spezialisten wieder zusammengesetzt werden wird. Obschon die Grabung nicht abgeschlossen ist, belegen die Funde „l’extrême richesse de cette demeure et de leurs propriétaires“. Forscher aus dem Naturmuseum und vom archäologischen Zentrum haben zusammen mit Paläogenetikern der Universität Mainz und einer Straßburger Archäologin, nach der international Aufsehen erregenden Genomanalyse des Mannes vom Loschbur, die es bis in die Zeitschrift Nature schaffte2, auch die mitochondriale DNA aus Zähnen von drei Individuen aus den Höhlen von Ötringen-Kakert entschlüsselt. Die drei Individuen, die vor etwas mehr als 6000 Jahren hier gelebt haben, entstammen drei unterschiedlichen ethnischen Gruppen, waren aber alle drei Bauern asiatischer Herkunft aus dem Neolithikum. Claude Wey präsentiert den Luxemburger Geologen François Majerus, der 1846-53 den amerikanischen Kontinent bereiste und u.a. eine Lanzen- und eine Pfeilspitze aus Obsidian mitbrachte. Foni Le Brun-Ricalens u.a. ließen beide Objekte aus der Familiensammlung nun mit einer Nuklearsonde petrographisch untersuchen und konnten ihre Fundorte in Mexiko bestimmen.
Den Anfang des 200 Seiten starken, reich bebilderten Heftes macht ein Beitrag von Heike Pöschner über die 2013 am CNRA geschaffene Dienststelle zur archäologischen Vorausberatung bei Immobilienprojekten. Sie kann erfreulicherweise vermelden, dass sowohl die Gemeindeverwaltungen als auch Promoteure und Architekten mittlerweile vermehrt auf das Angebot einer Präventivarchäologie zurückgreifen, um teure Baustopps zu vermeiden. Auch von einer Notgrabung in Capellen-Zolwerfeld, bei der eine Eisenschmiede aus dem 11.-13. Jahrhundert ausgegraben wurde, berichten die Archäologen, dass die Immobilienfirma die Kosten übernommen hat, damit es schneller gehe. Dieselbe Bereitschaft hatte schon zu Beginn der 2000er Jahre die Erforschung des landwirtschaftlichen Teils der Schierener Villa westlich der Autobahn ermöglicht, während nunmehr der Staat bereit ist, seine Pläne zur Verbreiterung der Umgehungsstraße dahingehend abzuändern, dass die Hauptgebäude auf der Ostseite erhalten bleiben. Beim Bau der Straße waren die Thermen noch geopfert worden.
Das Heft kann man für 20 € im Landesmuseum am Fischmarkt oder auf http://www.mnha-shop.lu kaufen.
michel pauly
1 https://www.swr.de/swraktuell/rp/trier/mamer-archaeologen-finden-dromedar-skelett-in-luxemburg/-/id=1672/did=20086658/ nid=1672/1d55ejv/index.html; http://www.rtl.lu/letzebuerg/lokal/ gemeng/mamer/news/260875.html; https://www.100komma7.lu/ program/episode/161107/201708120800-201708120812.
2 Lazaridis, J. et al., Ancient human genomes suggest three ancestral populations for present-day Europeans, in: Nature 513 (2014), S. 409-413(http://www.nature.com/nature/journal/v513/n7518/full/ nature13673.html).
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