Anfang des Jahres berichtete forum, dass das neue Denkmalschutzgesetz auf der Zielgeraden ist.1 Inzwischen sind alle Stellungnahmen von Berufskammern, Staatsrat, Gemeindenverband (Syvicol), Denkmalschutzkommission u. a. auf der Homepage der Abgeordnetenkammer veröffentlicht.2 Erschreckend ist, wie die Handwerks- und Handelskammern sowie Syvicol an die Gesetzesvorlage herangingen und sie fast schon bösartig falsch interpretierten. Unisono begrüßen sie zunächst die Aktualisierung der Gesetzgebung zum Denkmalschutz, um dann in der Folge die substanziellen Neuerungen infrage zu stellen. So unterstellen sie der geplanten Gesetzgebung, die Prozeduren zum Erlangen einer Baugenehmigung in die Länge zu ziehen und zu verteuern – und damit der allseits geforderten Intensivierung des Wohnungsbaus entgegenzuwirken. Die Argumentation ist an Zynismus und Hypokrisie kaum zu überbieten. Wer hindert denn die Gemeindepolitiker in der aktuellen Gesetzeslage daran, in Sachen Wohnungsbau aktiv zu werden? Doch wohl nicht der lasche Denkmalschutz.

Natürlich ist die Klassierung eines Gebäudes oder einer Bodenparzelle ein Eingriff ins Privateigentum. In der Logik der Immobilienhaie geschieht durch die Zuerkennung des Denkmalcharakters eine Wertminderung. Wenn die Regierung jedoch ihre Bemühungen um „logements à prix abordable“ ernst nimmt, sollte sie sich darüber freuen: Alte, denkmalgeschützte Bauten werden dann leichter zu kaufen sein und der Schaffung von Wohnungen zugeführt werden können. Mit dem Ziel haben doch Syvicol und Berufskammern sich durchaus identifiziert, oder nicht?

Demgegenüber weist die Denkmalschutzkommission (Cosimo) in ihrem Gutachten darauf hin, dass die Präventivarchäologie, die mit dem neuen Gesetz eine legale Basis erhalten soll, die Genehmigungsprozedur vereinfacht, da nunmehr jeder Bauherr, der Bauabsichten hegt, sich sofort an das Kulturministerium wenden und ein archäologisches Gutachten erbitten kann, sodass das CNRA (Centre national de recherche archéologique) innerhalb von sechs Monaten, also schon während der Ausarbeitung der Pläne und den administrativen Prozeduren, den Ort untersuchen und gegebenenfalls für das Bauprojekt freigeben kann. Ein an keine Fristen gebundener Baustopp, wie er allzu häufig unter der aktuellen Gesetzgebung vorkommt, kann dann nicht mehr verhängt werden.

Insofern muss man sich freuen, dass die Facebook-Gruppe Luxembourg under destruction, die bezeichnenderweise von in Luxemburg lebenden Ausländern initiiert wurde, die nicht verstehen können, dass die Luxemburger so wenig stolz sind auf ihre historische Bausubstanz, eine öffentliche Petition lanciert hat, die in 42 Tagen 5327 elektronische Unterschriften vereint hat und nun in der Abgeordnetenkammer debattiert werden muss.3 Die Befürworter des neuen Denkmalschutzgesetzes werden sich also bei der Abstimmung auf eine breite öffentliche Zustimmung berufen können. Die Petition rennt allerdings zum Teil offene Türen ein, denn sie hat dasselbe Ziel wie die Gesetzesvorlage, die sich auf dem Instanzenweg befindet, die sie aber mit keiner Silbe erwähnt. Zum anderen enthält sie leider unrealistische Forderungen. So war schon in einer früheren Gesetzesvorlage vorgesehen, wie in Italien alle Bauten, die vor einem bestimmten Datum (in der Petition: 1955) errichtet wurden, prinzipiell zu schützen, sodass die Freigabe zum Abriss beim Kulturministerium beantragt werden müsste und nicht die Unter-Schutz-Stellung. Abgesehen davon, dass dann ein mobiles Datum (alle Bauten, die älter als 30 Jahre sind) sinnvoller wäre, da jedes feste Datum rein willkürlich ist, hat der Staatsrat diese Definition stets abgelehnt mit dem Argument, sie verletze das Eigentumsrecht unverhältnismäßig und auf ungleiche Weise. Die Petition verkennt auch den Unterschied zwischen kommunalem und nationalem Schutz, den Jochen Zenthöfer vor fünf Jahren in forum erklärt hatte.4 Der kommunale Schutz ist in der Tat rein ästhetischer Natur und betrifft nur die Fassaden – die Stadt Luxemburg ist Champion darin – auf Kosten der inneren Struktur historischer Gebäude. Die Petition verlangt zudem ausführlichere Informationen über Maßnahmen zum Erhalt historischer Bausubstanz und zu staatlichen Beihilfen: entsprechende Broschüren sind aber seit längerem kostenlos beim Service des Sites et Monuments nationaux erhältlich.5 Wichtig ist hingegen die Forderung, dass jeder, „der ein denkmalgeschütztes Gebäude absichtlich beschädigt, zerstört oder verfallen lässt, bestraft werden (sollte)“. Strafen sind nämlich im aktuellen wie im zukünftigen Gesetz vorgesehen, nur scheuten sich die Kulturminister bislang meistens davor, Strafantrag zu stellen, wie forum am Beispiel Bürmeringen gezeigt hat.6 Wie die Petitionäre verlangt auch die Cosimo, dass bis zur Fertigstellung der Inventare, die der SSMN in den nächsten zehn Jahren Gemeinde für Gemeinde erstellen wird, weiterhin individuelle Schutzanträge eingereicht bzw. vom SSMN veranlasst werden dürfen, da sonst in diesem Zeitraum die Abrisswut um sich zu greifen droht. Andererseits sollten auch (u. a. jüngere) Bauten nachträglich als schutzwürdig erklärt werden dürfen. Insofern sollten alle Denkmalschützer aus der Zivilgesellschaft systematisch Klassierungsanträge ans Ministerium schicken statt sich nur nachträglich zu ärgern, denn die SSMN-Beamten können auch nicht immer rechtzeitig erfahren, dass hier oder dort mal wieder ein Abriss bevorsteht.

Wenn der Denkmalschutz heute immer noch nicht durchsetzungsfähig ist, so liegt das z. T. weniger am fehlenden politischen Willen (außer auf Gemeindeebene, wo viele Bürgermeister lieber dem Profitstreben ihrer Bürger als den nationalen Interessen des Denkmalschutzes nachkommen), schon gar nicht am Willen der aktuellen Kulturministerin, als an den Gerichten. Wie dringend das neue Gesetz ist, demonstrierte Anfang Juli einmal mehr das Verwaltungsgericht. Durch Urteil vom 1. Juli 2020 wies es die Klage des Eigentümers des Lafontaine-Schlosses (Nachkommen des Baron von Hoiningen genannt Hüne, der sich als bekehrter Nazi um die Rettung etlicher Juden verdient gemacht hat und bis zu seinem Lebensende 1973 dort wohnte) mit großem Park auf Limpertsberg ab, der die Annullierung des Regierungsbeschlusses zu seiner Klassierung als historisches Denkmal beantragt hatte, da er auf dem Areal von 2,8 ha in bester Lage ein Immobilienprojekt realisieren wollte. Soweit so gut.7 Am selben Tag gab das Gericht der Klage eines Hauseigentümers in Gasperich Recht und verwarf die Argumente des Kulturministeriums und der Cosimo, dass das 1948 erbaute Haus ein schönes Beispiel für art moderne und insofern typisch für die Nachkriegszeit sei. Das Gericht befand wie im Falle der Villa Marx an der Rue du X Septembre in der Hauptstadt8, dass das Seltenheitskriterium nicht nachgewiesen sei. Müssen denn zuerst alle Bauten eines bestimmten Typs zerstört sein, bevor das letzte Exemplar unter Schutz gestellt werden darf?

Die Gesetzesvorlage sieht zwar nur mehr einen recours en annulation und keinen recours en réformation vor. Die Gerichte können demnach nur den Regierungsentscheid annullieren und keinen mehr selbst neu schreiben, was aber ohnehin in den letzten Jahrzehnten kaum vorkam. Damit können sie jedoch weiterhin, ohne über die entsprechende fachliche Kompetenz zu verfügen, die Begründung eines règlement grand-ducal de classement in Frage stellen. Eine Lösung dieses Problems schlägt auch die Petition nicht vor. Im Unterschied zum Verwaltungsgericht, das in seinem Gutachten zum Projekt 7473 diese formale Neuerung als régression de la protection juridique accordée aux propriétaires concernés bedauert, wird sie vom Staatsrat nicht beanstandet; er sieht die Bestimmung sogar als überflüssig an, da ein recours en annulation jedem Betroffenen gegen einen Verwaltungsakt zusteht. Gewinnt er vor Gericht, muss die Regierung ein neues règlement grand-ducal de classement erlassen, in dem sie die Klassierung besser begründet. Leider verzichtete in der Regel das Kulturministerium auf einen solchen zweiten Anlauf. Häufig war es auch zu spät dafür, das Gebäude schon abgerissen.

  1. Der Denkmalschutz muss wie der Natur- und Umweltschutz endlich Vorrang vor privaten Interessen bekommen. Daher stellt sich die Cosimo in ihrem Gutachten auch hinter die Forderung, den Denkmalschutz in der Verfassung zu verankern.
  2. Michel Pauly, „Denkmalschutzgesetz auf der Zielgeraden“, in: forum 403, Februar 2020, S. 10-14.
    www.chd.lu – Dossier 7473 (alle Internetseiten, auf die in diesem Beitrag verwiesen wird, wurden zuletzt am 18. August 2020 aufgerufen).
  3. Vgl. das Interview auf Radio 100,7 mit Peter Kleijnenburg und Eryn Zander: https://www.100komma7.lu/audio/115638.
  4. Jochen Zenthöfer, „Schützenswert? Was unterscheidet nationalen von kommunalem Schutz für Bauwerke?, in: forum 354, September 2015, S. 8-11.
  5. https://ssmn.public.lu/fr/ssmn.html
  6. Pauly, „Denkmalschutzgesetz auf der Zielgeraden“, a. a. O., S. 13f.
  7. Erfreuliches Detail: Das Gericht beruft sich u. a. auf den vor kurzem vom Historischen Institut der Uni Luxemburg online gestellten digitalen Stadtatlas auf www.luxatlas.lu, um die Existenz des Schlosses schon bei Anlage des Urkatasters im Jahr 1824 zu beweisen.
  8. Pauly, „Denkmalschutzgesetz auf der Zielgeraden“, a. a. O., S. 12f.

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