Denkmalschutzgesetz auf der Zielgeraden?

Es ist nun beinahe zwanzig Jahre her, dass Kulturministerin Erna Hennicot-Schoepges (CSV) am 5. Juni 2000 der Abgeordnetenkammer ein Projekt zur Novellierung des Denkmalschutzgesetzes von 1983 vorlegte. Über den hindernisreichen Werdegang des Gesetzesprojekts 4715 und seine sukzessiven Fassungen hat forum seit Januar 2001 mehrmals ausführlich berichtet.1 Immer wieder gab es Einwände des Staatsrats, neue Vorschläge der parlamentarischen Kulturkommission, Bedenken von Vereinigungen, die sich für den Erhalt der historischen Bausubstanz einsetzen, Kopfschütteln der Beamten in der Denkmalschutzbehörde, die wegen der Unzulänglichkeiten des 1983er Gesetzes in ihrer Arbeit behindert wurden. Im Auftrag von Kulturministerin Octavie Modert (CSV) fertigte der belgische Kulturjurist François Desseilles 2012/13 eine 655 Seiten umfassende Studie an, in der er die Schwächen der Luxemburger Gesetzgebung im Vergleich zu vielen ausländischen Modellen und zum internationalen Recht (UNESCO, Europarat) offenlegte und klare Empfehlungen aussprach. Nach der Regierungsbildung von 2013 berief Kulturministerin Maggy Nagel (DP) im November 2014 die Assises du patrimoine in der Abtei Neumünster ein und setzte eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Ersten Regierungsrats Bob Krieps ein, der auch der Verfasser dieses Textes als Vertreter der Universität Luxemburg angehörte. Das Ergebnis war eine ausführliche Stellungnahme mit klaren legislativen Wünschen, wie der Denkmalschutz in Zukunft besser strukturiert und klarer begründet werden sollte. Allein der Vertreter des Innenministeriums verweigerte seine Zustimmung auf ausdrückliche Anweisung von Minister Dan Kersch (LSAP), der behauptete, die vorgeschlagene Prozedur zur Präventivarchäologie würde den Bürgermeistern neue Aufgaben auferlegen, und damit könne er nicht einverstanden sein. Dabei ging es darum, die Archäologen frühzeitig von Bauvorhaben an sensiblen Plätzen in Kenntnis zu setzen, um zu verhindern, dass es erst nach Beginn der Ausschachtungsarbeiten wegen möglicher Aufdeckung archäologischer Strukturen zu einem Baustopp kommen müsse. In der letzten Sitzung der Arbeitsgruppe hieß es, die beiden Minister müssten die Frage auf politischer Ebene klären. Unter Kulturmister Xavier Bettel und Staatssekretär Guy Arendt geschah nichts, außer dass die baldige Vorlage der Gesetzesentwurfs mehrmals angekündigt wurde.

Tanson drückt aufs Gas

Was den sukzessiven Kulturministerinnen und -ministern Hennicot-Schoepges, Biltgen, Modert, Nagel, Bettel/Arendt nicht gelang, bewerkstelligte die grüne Kulturministerin Sam Tanson bereits acht Monate nach ihrem Amtsantritt: Am 30. August 2019 deponierte sie den Projet de loi relatif au patrimoine culturel Nr. 7473, der die Schutzmaßnahmen zur Bewahrung des archäologischen, architektonischen, mobilen und immateriellen Erbes neu regeln soll. Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) muss also auch ihren Segen dazu gegeben haben. Sicher ist diese schnelle Fertigstellung der Gesetzesvorlage auf die vielen genannten Vorarbeiten, nicht zuletzt die verschiedenen Gutachten des Staatsrats zum Projekt 4715 zurückzuführen, aber die lagen auch schon der vorigen Regierung vor. Unverkennbar ist hingegen, dass endlich eine Ministerin und die Regierung den politischen Willen aufbringen, Nägel mit Köpfen zu machen.

Neu ist vor allem, dass, wie in der 2016 ratifizierten Konvention von Granada gefordert, nunmehr ein Inventar aller schützenswerten Gebäude und potenzieller archäologischer Fundstätten landesweit erstellt werden soll, die dann definitiv klassiert werden. Davon erhofft das Ministerium sich größere Kohärenz in der Schutzpolitik. Es dürfen auch Schutzzonen um geschützte Gebäude herum definiert werden, um die Sichtbarkeit des betroffenen Objektes sicherzustellen. Zur Umsetzung gewährt die Gesetzesvorlage dem Service des sites et monuments nationaux (SSMN), der in Institut national du patrimoine architectural (INPA) umgetauft wird, sowie dem Centre national de recherche archéologique (CNRA) zehn Jahre Zeit. (Bis dahin gilt die aktuelle Prozedur, außer dass kein Gebäude mehr ins inventaire supplémentaire – in der aktuellen Gesetzgebung eine Liste provisorisch geschützter Bauten – eingetragen wird.) Ein solches Inventar war mehrmals vom Staatsrat in seinen Gutachten gefordert worden. Damit sind alle Diskussionen vom Tisch, ob, wie in Italien, alle Gebäude, die älter als 30 Jahre sind, automatisch unter Schutz stehen sollen, oder, wie von der Kulturkommission der Chamber vorgeschlagen, alle ab 1914 erbauten, während der Mouvement écologique 2006 das Baujahr 1950 als Stichdatum gefordert hatte. Zur Erstellung einer entsprechenden Liste werden im Gesetz – und nicht wie heute in einer internen Liste des SSMN – 15 Kriterien aufgeführt, von denen ein Bauwerk zumindest einen Teil erfüllen muss, um als schützenswert klassiert zu werden. Das Kriterium der Authentizität muss allerdings in allen Fällen gegeben sein. Es geht also nicht – wie unter Direktor Calteux noch möglich –, dass ein abgerissenes und wieder aufgebautes Gebäude als historisches Baudenkmal unter Schutz gestellt wird.

Es bleiben viele Gefahren

Leider muss man sich fragen, ob dieses Vorgehen genug Sicherheit bietet. Das Beispiel der Stadtvilla von 1925 an der Lonkecher Strooss (Avenue du X Septembre), die nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Mai 2018 abgerissen werden darf (siehe Kasten), zeigt, dass auch die Aufführung der Kriterien, die zum Klassierungsbeschluss geführt hatten, vom Gericht angezweifelt werden können und die Klassierung rückgängig gemacht werden kann. Denn das Gericht geht immer noch davon aus, „qu’une décision de classement est généralement susceptible de porter gravement atteinte à la situation des propriétaires“2. Zum wiederholten Male sei erwähnt: Der Denkmalschutz muss gleichberechtigt neben Natur- und Umweltschutz und privatem Eigentumsrecht in die Verfassung eingeschrieben werden.

Die einmalige Erstellung eines Inventars aller schützenswerten Baudenkmäler scheint mir auch keine Garantie für die Zukunft zu sein. Wieso soll dieses Inventar nicht später erweitert werden können, sei es, weil sich neue Erkenntnisse zur Geschichte eines Bauwerks ergeben haben, sei es, weil neue Bauten errichtet wurden, die als Zeugen modernster Architektur auch ins Inventar gehören? Ein Gebäude muss nicht alt sein, um historisch wertvoll zu sein. Bei den aus archäologischen Gründen schützenswerten Flächen, für die aus offensichtlichen Gründen kein definitives Inventar erstellt werden kann, ist eine nachträgliche Erfassung durchaus vorgesehen. Die Möglichkeit sollte auch für Baudenkmäler und mobile Denkmäler (etwa alte Autos, antike Vasen oder Kinderspielzeug) vorgesehen werden.

Für das patrimoine mobile wäre es auch sinnvoll, eine kollektive Unterschutzstellung einzuführen, etwa für liturgische Geräte und Messgewänder, aber auch Gemälde, Predigtstühle, Beichtstühle, die nicht unbedingt, wie Altäre, als immeubles par destination eingestuft werden und somit bei der Klassierung einer Kirche nicht ipso facto unter Schutz kommen. Gerade diese Maßnahme eilt, da seit der Trennung von Kirche und Staat nunmehr viele Gemeinden für kirchliche Gebäude zuständig sind und ihre Unterschutzstellung beantragen, ohne dass man weiß, was mit der inneren Ausstattung geschieht. Nach der aktuellen und der geplanten Gesetzgebung müsste jedes einzelne Stück inventarisiert werden; für diese zeitaufwendige Arbeit fehlt aber (geschultes) Personal. In Bezug auf mobile Objekte ist auch vorgesehen, dass außergewöhnliche mobile Kulturgüter als trésor national deklariert werden können und damit einer Transport- und Ausfuhrsperre unterliegen.

Vom Denkmalschutz nicht mehr betroffen sind in Zukunft außergewöhnliche Bäume; ihr Schutz soll laut Kommentar zu Artikel 2 der Naturverwaltung übertragen werden. Allerdings ist nicht ganz klar, wer in Zukunft zuständig sein wird für Gärten und Parkanlagen, die häufig geschützte Denkmäler umgeben: die Denkmalschutz- oder die Naturschutzbehörden?

Archäologische Schutzzonen

Der Gesetzesvorschlag bringt weitere Neuerungen: So werden archäologische Schutzzonen ausgewiesen. Jedes Bau- oder Abrissvorhaben, das in einer solchen Zone liegt, muss spätestens beim Einreichen des Bauantrags beim Kulturministerium gemeldet werden, damit das CNRA das archäologische Potenzial genauer untersucht, bevor es das Areal gegebenenfalls freigibt. Damit wird die sogenannte Präventivarchäologie erstmals gesetzlich verankert. Die Kosten muss der Bauherr zur Hälfte tragen, doch dank kurzer Fristen wird sein Bauvorhaben kaum noch verzögert, da die Archäologen schon während der Planungsphase aktiv werden können. Warum diese Auflage nicht bei den PAP «nouveau quartier» von weniger als einem Hektar gelten soll, bleibt mir ein Rätsel; der Staatsrat hatte diese Einschränkung schon 2006 abgelehnt. Immerhin gilt auch auf solchen Flächen die Meldepflicht im Falle spontaner archäologischer Entdeckungen. Der damalige Vorschlag des Staatsrats, alle archäologischen Funde auf solchen Flächen zum Staatseigentum zu erklären, wird nunmehr auch ins Gesetz eingeschrieben. In Zukunft wird der Eigentümer nur für die bei den Ausgrabungen entstandenen Schäden entschädigt, außer er war schon vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes Besitzer der Bodenfläche; dann kann der Staat eine Enteignungsprozedur mit entsprechender Entschädigung in die Wege leiten. Bislang gehörte ein Fund dem Bodeneigentümer, dem der Staat den Fund abkaufen musste; im Falle des Mosaiks von Vichten soll es sich um eine Million Euro gehandelt haben.

Klar geregelt wird auch die Prozedur zur Klassierung einer archäologischen Schutzzone oder eines historischen Baudenkmals. Ab dem Tag, an dem der Antrag auf Klassierung eingegangen ist, dürfen die Beamten des CNRA bzw. des INPA die zu schützende Immobilie besichtigen. Falls der Eigentümer den Zugang verweigert, kann er durch Gerichtsbeschluss erzwungen werden. Entscheidet sich der Minister, die Klassierungsprozedur anlaufen zu lassen, treten, wie im bisherigen Gesetz, von dem Zeitpunkt an alle Schutzmaßnahmen in Kraft bis zur Veröffentlichung des entsprechenden Règlement grand-ducal (bzw. bis zum negativen Ausgang der Prozedur) oder des Arrêté ministériel im Fall von archäologischen Schutzzonen und mobilen Gegenständen. Im Staatsratsprojekt von 2007 sollten die Schutzmaßnahmen erst nach Zustellung des Regierungsbeschlusses gelten, was den unwilligen Eigentümern genug Zeit gelassen hätte, das historische Erbe noch zu verschandeln oder zu zerstören. Es steht zu hoffen, dass der Staatsrat etwas aus den Erfahrungen vom Frühsommer 2019 auf dem Limpertsberg gelernt hat. In Zukunft sollen Agenten des INPA und des CNRA als „officiers de police judiciaire“ ausgebildet und vereidigt werden und dann selbst Gesetzesübertretungen feststellen und zu Protokoll geben können.

Eigentum verpflichtet

Im neuen Gesetz ist weiterhin vorgesehen, dass Eigentümer geschützter Immobilien oder mobiler Gegenstände verpflichtet sind, für deren sachgemäßen Unterhalt und die Konservierung Sorge zu tragen. Zu diesem Zweck darf der Minister Besuche anordnen. Werden dabei Defizite festgestellt, kann der Staat notfalls Konservierungsmaßnahmen auf Kosten des Eigentümers anordnen. In Zukunft kann er sich sozusagen auf Zeit dem Eigentümer substituieren. Der Fall eines Bauernhofes mit Stall und Scheune mitten in Bürmeringen (22, rue Auguste Liesch), die auf dem inventaire supplémentaire der geschützten Immobilien standen, zeigt, dass der Staat dieser Pflicht allerdings nur ungern nachkommt. Als die Commission des sites et monuments nationaux (COSIMO) erfuhr, dass der Eigentümer das Gebäude offensichtlich bewusst hatte verfallen lassen, um auf der Parzelle einen Neubau zu errichten, schlug sie der Ministerin den höheren Schutz einer regelrechten Klassierung vor, gegebenenfalls mit der Auflage, das Gebäude auf Kosten des Eigentümers wiederherstellen zu lassen. Die Ministerin entschied sich leider für den einfacheren Weg einer Deklassierung. Man darf gespannt sein, wie sie sich im Fall des seit 2015 denkmalgeschützten, aber verfallen gelassenen Geburtshauses von Joseph Hackin in Boewingen/Attert positionieren wird.3

Das Gesetzesprojekt sieht auch vor, dass private Vereinigungen ihre Anerkennung als archäologisch kompetent beantragen können (agrément) und dann unter Aufsicht des CNRA Ausgrabungen durchführen dürfen. Da beim CNRA immer wieder personelle Not am Manne ist, ist das sicherlich eine nützliche Bestimmung. Nicht geregelt scheint die Frage, ob auch Gemeindeverwaltungen einen archäologischen Grabungsdienst aufbauen dürfen, um unter denselben Auflagen auf kommunalem Gebiet archäologische Arbeiten durchzuführen. Die Stadt Luxemburg hatte vor 30 Jahren diese Absicht; das damals noch zuständige Landesmuseum verbot ihr aber derartige Aktivitäten und pochte auf sein Grabungsmonopol.

Privatpersonen sollen keine Klassierung einer Immobilie mehr beantragen dürfen, die ihnen nicht selbst gehört. Das Recht bleibt aber Vereinigungen, die sich dem Denkmalschutz verschrieben haben, erhalten. Das Argument, damit möchte man Missbräuchen vorbeugen, kann allerdings nicht überzeugen, da einerseits die Denkmalschutzkommission solche missbräuchlichen Anträge jederzeit abschmettern kann und der Minister ohnehin das letzte Wort behält. Während meiner Mitgliedschaft in der COSIMO ist mir noch kein Missbrauchsfall begegnet.

Vergessene Forschung

Vergessen wurde in der Gesetzesvorlage die in früheren forum-Beiträgen mehrfach erhobene Forderung, die Archäologen müssten ihre Grabungsberichte in angemessener Zeit veröffentlichen, um sie der weiteren Forschungswelt, also insbesondere den Historikern zugänglich zu machen. Diese auch in einem Staatsratsgutachten erwähnte Aufgabe müsste also bei den Missionen, mit denen der CNRA durch das neue Gesetz betraut wird, sowie in der fiche financière hinzugesetzt werden. Im betreffenden Artikel 129 vermisst man überhaupt eine wissenschaftliche Aufgabenstellung: Der CNRA, der endlich ein eigenständiges, nicht mehr vom Musée national d’histoire et d’art abhängiges Kulturinstitut wird, sollte nicht nur ausgraben und sammeln, überwachen und verwalten, sondern wie die anderen Kulturinstitute auch Forschung betreiben und zu dem Zweck z. B. mit der Universität zusammenarbeiten können, etwa in Bezug auf Promotionskandidaten, die bislang offiziell allein von der Uni betreut werden dürfen. Durch einen solchen Forschungsauftrag könnte das CNRA (wie Landesmuseum und Nationalarchiv) auch für programmierte Grabungskampagnen und ihre Auswertung in den Genuss von Forschungsgeldern von Seiten des Fonds National de la Recherche (FNR) kommen.

Zu hoffen bleibt, dass der Staatsrat das Projekt, an dem seit genau 20 Jahren gebastelt wird, nicht auf die lange Bank schiebt. Immerhin wurden viele seiner Forderungen aus früheren Jahren in den vorliegenden Text aufgenommen. Der DP-Abgeordnete André Bauler machte mir vor etlichen Monaten die Freude, im Luxemburger Wort (28./29. September 2019) folgenden Passus aus einem forum-Beitrag zu zitieren: „Es geht nicht darum, Denkmäler zu schützen, sondern Zeugen der Bau- und Lebensweise aus vergangenen Zeiten, die auch unser Stadt- und Dorfbild noch prägen.“4 Das vorliegende Gesetzesprojekt könnte ein hilfreicher Beitrag sein, diese Absicht in Recht umzusetzen.

  1. Insbesondere in forum 205, Januar 2001; 259, September 2006; 269, September 2007.
  2. Cour administrative, n° 40542C.
  3. Vgl. Marc Thill, „Stoppt den Hammer“, in: Luxembuger Wort vom 16. Januar 2020, S. 3.
  4. Michel Pauly, „Adieu Vauban! Zur Bedeutung von Geschichte beim Denkmalschutz“, in: forum 287, Juni 2009, S. 22-26, hier S. 25 (Dossier: Denkmalschutz in Luxemburg).

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