Eine „grüne“ Luftfrachtchefin?

Mit dem leichten Abklingen der Corona­krise rückt endlich wieder die sich zuspitzende Klimakrise stärker ins Blickfeld der Öffentlichkeit und der Politik. Gegen diese Krise aber wird bekanntlich keine Impfung helfen. 

Seit 2018 wissen wir, dass der Meeresspiegel schneller steigt als bislang berechnet, nämlich um 0,08 mm pro Jahr. Bis 2100 könnte sich das auf 10 mm pro Jahr beschleunigen. Das würde an den Küsten einen Pegelstand von +65 cm im Vergleich zu 2005 bedeuten. Flache Inseln der Tropen wie der Inselstaat Malediven oder die Inselkette Tuvalu, die schon 2015 bei der Pariser Klimakonferenz auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam machten, würden vom Erdboden verschwinden. Aber es tut sich auch was. Das Bundesverfassungs­gericht hat das deutsche Klimaschutzgesetz für verfassungswidrig erklärt und ein niederländisches Gericht hat Shell verurteilt. Beide Gerichte halten die praktizierte Klima­politik für ungenügend, um die Klima­ziele zu erreichen und die Menschheit vor dem Kollaps zu retten.

Dieser Tage berieten die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel, wie sie ihre Entscheidung von Dezember 2020, dass Europa bis 2030 seine CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 55 % senken möchte und der Kontinent bis 2050 klima­neutral sein soll, konkret in die Tat umsetzen können. 2018 lag Luxemburg mit 16,86 Tonnen weltweit an 10. Stelle beim CO2-Ausstoß pro Kopf.1 Kein Grund, stolz zu sein. Die Anstrengungen, den EU-Zielvorgaben zu entsprechen, werden gewaltig sein müssen. Die Autolobby steht schon auf den Barrikaden, um dagegen zu halten.

Laut einer Studie, die von der Europäischen Umweltagentur beim Fraunhofer Institut in Delft in Auftrag gegeben worden war, entfiel 2018 ein Viertel der Treibhausgasemissionen in der Union auf den Verkehrssektor. Davon stammten 71,7 % aus dem Straßenverkehr, 13,9 % aus der zivilen Luftfahrt und 0,5 % von der Schiene.2 Erschreckend sind die Zahlen bezüglich der Effizienz der verschiedenen Verkehrsmittel. Dabei schneidet das Flugzeug bei weitem am schlechtesten ab. Passagierflugzeuge haben einen CO2-Ausstoß von 160 Gramm pro Person und Kilometer (gCO2e per pkm), der Güterverkehr in der Luft gar von 1036 gCO2e per tkm, also pro transportierter Tonne und Kilometer. Demgegenüber kommt die Bahn auf 33 gCO2e per pkm bzw. 24 gCO2e per tkm. Beide Verkehrsmittel können sich allerdings zugutehalten, dass sie im Zeitraum 2014-2018 ihre Effizienz um rund 12 % verbessert haben, während die Treibhausgaseffizienz bei Auto und Lastwagen stagnierte.

Nun ist es interessant zu hören, was die neue Verwaltungsratspräsidentin des viertgrößten Luftfrachtunternehmens der Welt, der Luxemburger Firma Cargolux, Frau Christianne Wickler, dazu zu sagen hat. Am 29. April 2021 stellte der Journalist Maurice Molitor ihr folgende Frage auf 100,7: „Kri Der elo kee Bauchwéi wann Der eng Airline dirigéiert. Et gi jo méi ëmweltfrëndlech Aktivitéiten, an och méi nohalteger, wat Iech jo dann erëm als Member vum Nohaltegkeetsrot misst interesséieren.“ Die Antwort war klar: „Et ginn awer och vill méi schlëmm Moyens de transport wéi de Fliger. Mir sëtzen allen zwéin hei ugedoen. Di Wuer, déi mer um Bockel ass vun iergendwou komm an déi ass vu wäit komm, well mir hunn hei jo weder Fabricken nach Schoule fir dat ze maachen. Also fannen ech de Fliger dat nohaltegst fir eis et eriwwer ze bréngen.“

Wo die Dame ihre Information hernimmt, dass andere Transportmittel eine noch schlimmere Umweltbelastung mit sich bringen, entzieht sich unserer Kenntnis. Vielleicht von ähnlich dubiosen Internetseiten, wie expressis-verbis eine ist, auf der irreführende und falsche Informationen zur Corona-Pandemie verbreitet werden und der sie bis kurz nach ihrer Ernennung zur Cargolux-Präsidentin vorstand? Über diese Nähe zu den Querdenkern und Corona-Leugnern wurde viel berichtet und Transportminister François Bausch vorgeworfen, Wickler nur an die Spitze der Cargolux gesetzt zu haben, weil sie eine Parteifreundin ist. Bausch musste mittlerweile zugeben, dass ihm diese Seite der Persönlichkeit seiner Bekannten nicht bewusst gewesen war. Offenbar aber hatte er auch ihr Fachwissen in Sachen grüne Umweltpolitik und Klimawandel nicht erforscht. Dazu war allerdings auch weder vor noch nach dem 100,7-Interview etwas in der Luxemburger Presse zu vernehmen. In einem Wort-Interview am 29. Mai 2021 sagt der Minister zwar, auch Cargolux müsse über alternative Kraftstoffe nachdenken, doch auf die Frage, ob er Frau Wickler gewählt habe, um den Konzern grüner zu machen, antwortet er mit: Nein. 

Auf einen Einwurf von Maurice Molitor im angegebenen 100,7-Interview antwortete Christianne Wickler übrigens: „Ech sinn net nëmmen am Häerz gréng, ech si gréng.“ Offenbar vor allem grün hinter den Ohren.  

  1. https://tinyurl.com/3c5y5fv4
    (letzter Aufruf: 27. Mai 2021).
  2. https://www.eea.europa.eu/de/highlights/zug-flugzeug-auto-oder-schiff und https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/fs_19_6726 (Sustainable_mobility_de) (letzter Aufruf: 27. Mai 2021).

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