Ich glaube an Gott, den es nicht geben kann, wenn ich ihn mir vorstelle.
Ich glaube an Jesus, der Sohn Gottes genannt wurde, geboren in einer einfachen Umgebung von einer einfachen Frau mit Namen Maria, deren Kampfbereitschaft gegen die Mächtigen und für die Ausgestoßenen, ausgedrückt im revolutionären Text des Magnificat, nicht nur mir Impuls und Leitbild ist.
Dieser Jesus hat das gelebt, was er gesagt hat. Seine unbequemen Worte und Taten führten zu seiner Hinrichtung. Seine Freundinnen und Freunde bezeugten seine Auferstehung und sein Weiterleben, radikaler Wandel in der Geschichte der Religionen und der Menschheit.
Dieser Jesus war und bleibt Anstifter für mein Engagement in der Gesellschaft, in der „einen“ Welt: Engagement, das ich gerne mit vielen Leuten unterschiedlicher Weltanschauungen teile.
Ich glaube an den Heiligen Geist, der in uns ist, wenn uns etwas gelingt, das über uns hinausgeht.
Ich glaube an eine lebendige kirchliche Gemeinschaft, in die Gläubige verschiedenster Herkunft ihr Gelebtes mit hineinbringen und sich in und durch die Gemeinschaft mit diesem Jesus und mit ihren Mitbrüdern und Mitschwestern transformieren und befreien lassen.
Ich glaube, dass unsere Taten und Ideen sich in die große Kette der Taten und Ideen der Menschheitsgeschichte einreihen, auf die unsere Nachfahren aufbauen können.
Ich versuche weiter zu suchen in einer Welt, die komplexe Erklärungsmodelle verabscheut und deren einfache Antworten mich nicht zufrieden stellen.
Ich versuche weiterzuleben in einer Welt, in der ich mich als Christ oft allein fühle, Geborgenheit vermisse, in der das öffentliche Bekenntnis zum Christentum schon fast einem Wagnis gleichkommt.
Ich bekenne, dass mein Wille zum christlichen Engagement und zum christlichen Leben nicht immer im Einklang ist mit meiner gelebten Wirklichkeit. Ich hoffe und vertraue auf Verzeihung und Barmherzigkeit.
Ich glaube daran, dass das Christentum weitergeht durch Zeugnisse einfacher Menschen, durch Beispielgeben Tag für Tag. Ich danke allen, die mir das Christentum vorgelebt haben und noch immer vorleben. Ohne ihr Beispiel wäre mein Glaube prekärer oder inexistent.
Ich weiß, dass ich auf meine Fragen keine definitiven Antworten finden kann. Das stimmt mich trotzdem nicht traurig.
Ich habe mein Christentum noch nie bereut.
Dieser Text wurde am Rande des europäischen Hochschulstudienlehrgangs „Menschenrechte und Demokratisierung“ in Venedig in der ersten Oktoberwoche 2000 geschrieben. Diese Momentaufnahme ist Teil eines Prozesses, der weitergehen muss. Vorgetragen wurde er erstmals anlässlich des ersten Protestantischen Kirchentags in Luxemburg am 7. Oktober 2000. Er erschien erstmals in ErwuesseBildung 22 (2002), 1 (Sonderheft: „sensibler leben, bewusster handeln“), S. 39-40.
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