Wie Widerstand leisten gegen die, die die Kirche kaputt machen?
Daniel Bogners Buch Ihr macht uns die Kirche kaputt… doch wir lassen das nicht zu!
„Ihr macht uns die Kirche kaputt“. Wer ist „ihr“? Die Verfechter einer radikalen Trennung von Kirche und Staat, die engagierten „Links-Christen“? Die Antwort findet man im Buch auf Seite 115: Eine Frau, die in einer Talksendung bei Sandra Maischberger zu Gast war, meinte damit die Bischöfe, „die mit ihrer Machtfülle im politischen Sinne als der Souverän der Kirche zu bezeichnen wären, sich aber offenbar nicht in der Lage sehen, diese Kirche verantwortungsvoll zu reformieren, sodass Gläubige in einer Art Verzweiflungshoffnung auf den Papst setzen müssen“.
Der Untertitel des Buches ist wie ein Kampfaufruf und gibt auch den Ton der Streitschrift wieder. Der Autor, Daniel Bogner, seit 2014 Professor für Moraltheologie in Fribourg (Schweiz), ist in Luxemburg kein Unbekannter, war er doch 2013 für eine kurze Zeit am damaligen Grand Séminaire als Professsor für Moraltheologie und Sozialethik tätig. In der Herder Korrespondenz1 erschien ein sehr lesenswerter Artikel von ihm über „Avantgarde oder Krisenindikator? Die Veränderung der religionspolitischen Lage in Luxemburg“. Lesenswert sind auch seine Artikel auf dem theologischen Blog feinschwarz.net.
Es fällt mir nicht leicht, eine Rezension über ein Buch zu schreiben, mit dessen Inhalt und Form ich mich fast komplett identifizieren kann. Andere Rezensionen schlagen übrigens in die gleiche Kerbe. Es geht mir also hauptsächlich darum, die Impulse herauszustellen, die das Buch mir gegeben hat. Es ist aus der Perspektive gläubiger Menschen geschrieben, die gerne Kirche sein würden, gerne Kirche leben würden, aber mittlerweile heimatlos geworden sind. Der Vertrauensverlust in diese Kirche ist groß, besonders nach den sexuellen Missbrauchsskandalen und dem jahrzehntelangen Schweigen des kirchlichen Leitungsamtes über die zahlreichen Missbrauchsfälle.
Kirche und Macht
Daniel Bogner identifiziert eine beschränkte Anzahl von Themen, die für ihn zentral sind, wenn man die Kirche reformieren will. Zunächst charakterisiert er die Kirchenleitung als absolutistische Monarchie, da in der Person des Bischofs die drei Gewalten verkörpert werden. Er meint damit keinen bestimmten Bischof, es geht ihm vielmehr um die Strukturen einer Institution, in der es keine Gewaltenteilung gibt. Die innere Logik der Verfassungsstruktur der Kirche entstand in der vorrevolutionären Zeit, ist also grundverschieden von modernen Verfassungen. Dabei stellt sich die Frage: Wer legitimiert, wer kontrolliert die Ausübung der Macht in der Kirche?
Kirche und die Rolle der Frau
Die Rolle der Frau in der Kirche ist ein anderes wichtiges Thema. So sieht es auch Bogner: „An der ‚Frauenfrage‘ zeigt sich das ganze Dilemma der gegenwärtigen Kirchenkrise“ (S. 72). Kann/soll man Frauen zu Diakoninnen weihen und damit auf halbem Wege stehen bleiben, wieder den Frauen nur subalterne Aufgaben überlassen und den Männern die „höheren“ Weihen vorbehalten? „In biologistischer Art und Weise wird ein einzelnes Kriterium des Menschseins, Jesu geschlechtliche Identität, für ausschlaggebend erklärt“ (S. 75). Wenn schon Frauen aktiv an der Kirchenleitung teilnehmen sollen/können, dann als Priesterinnen, Bischöfinnen oder auch Päpstinnen, als Mitglieder nicht nur in Führungspositionen der Verwaltungsstrukturen, sondern auch in der Teilnahme am Lehramt der Kirche. Es kann nicht sein, dass die Frauen, die die Mehrzahl der Kirchenmitglieder ausmachen, in der Hierarchie, in der Führungsetage nicht präsent sind, außer es gäbe theologische Gründe dagegen, die ich aber nicht kenne (ich bin ja auch kein Theologe, sondern nur einfaches Kirchenmitglied). Ich kann mich auf jeden Fall nicht zufrieden geben mit der Antwort, das Problem sei ein für allemal durch Papst Johannes Paul II. gelöst. „Die Kultur der katholischen Kirche wird sich ändern, wenn auch Frauen zu Priesterinnen geweiht werden“ (S. 90). Diese Debatte hat auch Nebeneffekte. Es wird sich jetzt viel mehr auf die Verantwortung eines jeden Getauften konzentriert, also auf das Volk Gottes. Und damit ist eine zentrale Frage verbunden: Wem gehört die Kirche letztlich? Dabei muss auf eine Gefahr aufmerksam gemacht werden, nämlich auf die mögliche „Klerikalisierung“ der Laien. „Anstatt den Zugang zum Weiheamt zu erweitern, klerikalisiert man die Laien. Sie dürfen plötzlich ‚ein bisschen‘ Priester sein, so tun, als ob, einspringen an Stellen, an denen nicht unbedingt die Weihe erforderlich ist“ (S. 101).
Für eine neue Kirche
Was will der Autor mit seinem Buch erreichen? Für reformwillige Katholikinnen und Katholiken Argumente für eine tiefgreifende Kirchenreform liefern? Zum Handeln, ja zum Widerstand auffordern? Bogner wünscht sich eine Koalition zwischen Reformwilligen, Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und „Laien“, die zusammen eine Kirche entwerfen, „die sich ‚demokratisch‘ verfasst, Gewaltenteilung, Machtkontrolle und die Überzeugung vom gleichen Wert der Geschlechter konsequent anwendet“ (S. 136), eine Kirche, die ihre „Regeln nach den Kriterien von Menschenwürde und Menschenrechten formuliert“ (S. 156). Wird eine derart neu strukturierte Kirche geschaffen, dann wird die Zweiklassengesellschaft aus Klerikern und Laien auch nicht mehr weiterbestehen.
Ob Daniel Bogner Konservative mit seinem Buch überzeugen kann, weiß ich nicht, wage es eher zu bezweifeln. Wenn es schlecht läuft, werden sie sein Buch entweder gar nicht lesen oder ihm sogar Häresie vorwerfen. Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf. Es gab sogar konservative Katholiken, die als Revolutionäre endeten (man denke nur an Oscar Romero).
Auch wenn das Buch sich hauptsächlich mit der Rolle der Amtsträger in der Kirche beschäftigt, geht es doch um den Druck, den das „Volkes Gottes“ ausüben kann und soll, um Reformen anzustoßen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dieses Volk noch an der Rolle, die Amtsträger spielen oder spielen sollen, interessiert ist, ob Frauen überhaupt daran interessiert sind, Priesterinnen zu werden bei Beibehaltung der heutigen Strukturen. Haben doch viele sich seit langem von der Amtskirche entfernt, sind ausgewandert, leben ihr soziales Engagement anderswo, in sozialen Einrichtungen, in Umweltbewegungen, bei den Grünen. Haben sie dort ihre Heimat gefunden? Welche Auffassung werden unsere Kinder und Kindeskinder von der heutigen Kirche haben? Sie werden fragen: Welche Kirche habt ihr uns hinterlassen? Weshalb habt ihr euch nicht als Volk Gottes engagiert?
Ein lesenswertes und befreiendes Buch hat Bogner vorgelegt, das es mit anderen zu diskutieren gilt, so wie wir es vor Jahrzehnten in unserer Jugend mit den Büchern von Hans Küng gemacht haben, um daraus Konsequenzen zu ziehen. Empörung genügt nicht, kleine Schritte sind gut, aber nicht genug, es braucht langfristige Strategien. Aber wie erreicht man heute das Volk Gottes? Vielleicht noch durch Bücher, auf jeden Fall über soziale Netzwerke, dann aber auch auf der lokalen Ebene, durch den Einsatz für Menschen an der Peripherie der Gesellschaft, dort, wo man auf Menschen zugeht, wo man Beispiele geben und durch Handeln überzeugen kann. Wie kann man als Christ und Christin leben, als Jesuaner und Jesuanerin, und gleichzeitig engagiertes Mitglied der Institution Kirche sein: ein unmöglicher Spagat? Man kann katholisch und kritisch sein, katholisch und trotzdem kritisch, kritisch und trotzdem katholisch! Ecclesia semper reformanda!
Daniel Bogner, Ihr macht uns die Kirche kaputt … … doch wir lassen das nicht zu!, Freiburg, Herder Verlag, 2019, 160 S., 16,80 €.
- Daniel Bogner, „Avantgarde oder Krisenindikator? Die Veränderung der religionspolitischen Lage in Luxemburg“, in: Herder Korrespondenz 8 (2014), S. 423-427.
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